Dr. iur. Nikolas Hölscher
1. Allgemeines
Rz. 5
Hinsichtlich der Gründe für die Pflichtteilsunwürdigkeit verweist § 2345 BGB auf die in § 2339 BGB genannten Erbunwürdigkeitsgründe. Demnach gilt: Wer erbunwürdig ist, ist auch pflichtteilsunwürdig. Das Gesetz unterscheidet dabei in § 2339 Abs. 1 BGB vier Tatbestände für die Erb- und Pflichtteilsunwürdigkeit, die eine abschließende Regelung darstellen:
2. Tötung des Erblassers, Herbeiführung der Testierunfähigkeit (§ 2339 Abs. 1 Nr. 1 BGB)
Rz. 6
Erb- und pflichtteilsunwürdig ist, wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich getötet oder zu töten versucht oder in einen Zustand versetzt hat, infolgedessen der Erblasser bis zu seinem Tode unfähig war, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben (§ 2339 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Die Tötung des Vorerben durch den Nacherben ist kein Fall des § 2339 Abs. 1 Nr. 1 BGB, weil der Vorerbe im Verhältnis zum Nacherben nicht Erblasser ist. Allerdings ist in diesem Fall § 162 Abs. 2 BGB einschlägig.
Umfasst werden durch § 2339 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BGB die Straftatbestände der §§ 211, 212 StGB (Mord, Totschlag), einschließlich des Versuchs (§§ 22, 23 StGB), sowie alle Arten der Teilnahme (Anstiftung, Beihilfe, Mittäterschaft); auch ein minder schwerer Fall (§ 213 StGB) ist ausreichend, nicht aber das Töten auf Verlangen (§ 216 StGB) oder die fahrlässige Tötung (§ 222 StGB). Die Mitwirkung bei einem zulässigen Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen führt nicht zur Erbunwürdigkeit. Bei strafbefreiendem Rücktritt vom Versuch (§ 24 StGB) entfällt auch die Erbunwürdigkeit. Die Tötung muss vorsätzlich und widerrechtlich begangen worden sein. Anders als bei der Pflichtteilsentziehung genügt ein sog. natürlicher Vorsatz nicht. Auf die Absicht, die Testierunfähigkeit herbeizuführen, kommt es nicht an, wohl aber auf die Zurechnungsfähigkeit. Dass in diesem Sinne eine Schuldfähigkeit vorliegen muss, ergibt sich auch aus der gesetzlichen Bestimmung des § 2345 BGB, wonach sich der Pflichtteilsberechtigte einer entsprechenden Verfehlung "schuldig gemacht" haben muss. Aus dem Umstand, dass es bei § 2333 BGB auf ein Verschulden im strafrechtlichen Sinne nicht ankommt, lässt sich für § 2339 BGB nichts herleiten. Beruft sich der Täter auf Unzurechnungsfähigkeit, so trifft ihn entsprechend § 827 BGB die Beweislast hierfür; nur im Strafprozess gilt der Grundsatz "in dubio pro reo".
Die Herbeiführung der Testierunfähigkeit bis zum Tod des Erblassers nach § 2339 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 BGB verwirklicht, wer den Erblasser dauerhaft in einen Zustand versetzt, in dem ein Testieren aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht mehr möglich war, etwa durch Vergiftung oder Verstümmelung. Hier muss sich der Vorsatz nicht auf die Testierunfähigkeit selbst beziehen, wohl aber auf die Herbeiführung eines Zustands und damit auf eine gewisse Dauerhaftigkeit, nicht aber auch, dass dieser Zustand bis zum Tode andauert.
3. Verhinderung der Errichtung oder Aufhebung einer Verfügung von Todes wegen (§ 2339 Abs. 1 Nr. 2 BGB)
Rz. 7
Erb- und pflichtteilsunwürdig ist, wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich verhindert hat, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben (§ 2339 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Dies kann durch physische Gewalt, Täuschung oder Drohung (vgl. dazu die Begriffe des § 123 BGB) geschehen. Geschützt wird dadurch jede Art von Willensbildung, nicht nur die wirksame. Kausalität (zwischen der Hinderungshandlung des Täters und dem Unterbleiben der beabsichtigten Verfügung oder der Aufhebung einer solchen) und Rec...