Prof. Dr. Thomas Reich, Prof. Dr. Ulrich Voß
Rz. 127
Zu einer Doppelbesteuerung kommt es auch dann, wenn ein Land wegen des Wohnsitzes eine persönliche Steuerpflicht und ein anderes Land wegen des Belegenheitsortes des Nachlassvermögens eine sachliche Steuerpflicht annimmt. Vor diesem Hintergrund stellen sich zahlreiche Fragen, die neben dem inländischen Steuerrecht auch das ausländische nationale Recht betreffen.
Rz. 128
So wird beispielsweise die Beteiligung an einer Personengesellschaft, die keine Gewinneinkünfte erzielt, im deutschen Steuerrecht als "transparent" behandelt und daher auf die Beteiligung an den der Personengesellschaft gehörenden Wirtschaftsgütern abgestellt (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO, § 10 Abs. 1 S. 4 ErbStG), während es denkbar wäre, dass andere Länder eine derartige Beteiligung als solche besteuern. Der am 1.1.2024 in Kraft getretene § 2a ErbStG regelt nunmehr ausdrücklich Fragen zu rechtsfähigen Personengesellschaften bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Das Vermögen von rechtsfähigen Personengesellschaften wird trotz der zivilrechtlichen Änderungen durch das MoPeG bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer weiterhin als Gesamthandsvermögen behandelt. Fraglich könnte auch sein, wie ein Treuhandanspruch auf Herausgabe des Treugutes behandelt wird, um ein weiteres Beispiel zu nennen. Hier käme sowohl die Besteuerung des Anspruchs selbst in Betracht als auch die wirtschaftliche Betrachtungsweise mit der Folge, dass wie bei § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 AO auf das Treugut abgestellt wird. Bereits im Rahmen der inländischen Erbschaftsteuer ist dies lange umstritten gewesen. Während die Finanzverwaltung früher die erste Lösung favorisiert hatte, stellte sie dann auf die Rechtsfolgen des § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 AO ab. Die möglichen voneinander abweichenden Auslegungen in verschiedenen der betroffenen Staaten können zudem auch noch zu völlig unterschiedlichen steuerlichen Ergebnissen führen. Anders als wenn dem Erblasser das Treugut als solches zugerechnet wird, könnte möglicherweise nach der anderen Betrachtungsweise eine Besteuerung im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht dadurch vermieden werden, dass ein Treuhänder eingeschaltet wird, der ein Grundstück für den Erblasser hält. Vererbt würde dann nicht das Grundstück selbst, sondern ein Treuhandanspruch, also ein einseitiger Sachleistungsanspruch des Treugebers gegen den Treuhänder, auf Übereignung des Grundstücks. Gestaltungsmöglichkeiten bot auch die Einsetzung als Vermächtnisnehmer und nicht als Erbe. Der BFH hat mit Urteil vom 23.11.2022 die Ansicht bestätigt, dass das Vermächtnis an einem inländischen Grundstück nach deutschem Verständnis nicht der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht unterliegt, da ein Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks nach deutschen Verständnis nicht zum Inlandsvermögen gehört, da er in § 121 BewG nicht genannt ist. Diese "Gesetzeslücke" hat das Wachstumschanchengesetz vom 22.3.2024 geschlossen, indem nunmehr auch ein Anspruch auf Übertragung von Inlandsvermögen im Sinne des § 121 BewG von § 2 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 ErbStG erfasst wird, wenn die Steuer für diesen Erwerb nach dem 27.3.2024 entsteht. Aufzuklären bleibt aber weiterhin, ob in den anderen betroffenen Staaten hiervon abweichende (unterschiedliche) Betrachtungsweisen zu völlig unterschiedlichen steuerlichen Ergebnissen führen (können).
Rz. 129
Steuerplanung mit dem Ziel einer möglichst niedrigen Steuerbelastung und der Vermeidung der Doppelbesteuerung bedeutet zu prüfen, wie derartige Fälle im In- und im Ausland behandelt werden. Eine Doppelbesteuerung droht beispielsweise insbesondere bei mehreren Wohnsitzen des Erblassers, aber auch dann, wenn der eine Staat auf den Wohnsitz des Erblassers und der andere Staat auf den Wohnsitz des Erben abstellt. Es ist bereits dargelegt (siehe Rdn 11), dass auch die unterschiedlichen Anknüpfungspunkte im internationalen Erbrecht gerade in den Fällen des internationalen Entscheidungsdissenses ebenfalls zu einer Doppelbesteuerung führen können.