Rz. 61
Das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) vom 22.12.2020 wurde am 29.12.2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht (BGBl I, 3256). Das SanInsFog besteht aus 25 Artikeln. Das hier relevante Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG) ist als Art. 1 des SanInsFoG gem. Art. 25 am 1.1.2021 in Kraft getreten.
Rz. 62
Mit den Regeln des StaRUG werden zahlreiche Verfahrenshilfen bereitstellt, auf welche Schuldner und die sie unterstützenden Gläubiger zurückgreifen können, um ein Sanierungsvorhaben durch- und umzusetzen. Die neuen Regelungen sollen den Beteiligten ermöglichen, zunächst ohne gerichtliche Hilfe, einvernehmliche Lösungen zu finden. Natürlich steht es den Beteiligten frei, sich hiernach zu richten oder nicht. Ob und welche Hilfen in Anspruch genommen werden, hängt wiederum von der konkreten Situation und von der eigenverantwortlich zu treffenden Einschätzung und Entscheidung des Schuldners ab. Nach § 29 Abs. 2 StaRUG sind Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens:
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die Durchführung eines gerichtlichen Planabstimmungsverfahrens (gerichtliche Planabstimmung), |
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die gerichtliche Vorprüfung von Fragen, die für die Bestätigung des Restrukturierungsplans erheblich sind (Vorprüfung), |
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die gerichtliche Anordnung von Regelungen zur Einschränkung von Maßnahmen der individuellen Rechtsdurchsetzung (Stabilisierung) und |
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die gerichtliche Bestätigung eines Restrukturierungsplans (Planbestätigung). |
Rz. 63
Nach § 49 StaRUG ordnet das Restrukturierungsgericht, soweit dies zur Wahrung der Aussichten auf die Verwirklichung des Restrukturierungsziels erforderlich ist, auf Antrag des Schuldners:
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Nr. 1 eine Vollstreckungssperre an (Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner werden untersagt oder einstweilen eingestellt und/oder |
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Nr. 2 eine Verwertungssperre an (Rechte an Gegenständen des beweglichen Vermögens, die im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als Ab- oder Aussonderungsrecht geltend gemacht werden könnten, dürfen von dem Gläubiger nicht durchgesetzt werden, und solche Gegenstände zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners dürfen nicht eingesetzt werden, soweit sie hierfür von erheblicher Bedeutung sind). |
Nach § 49 Abs. 2 Satz 2 StaRUG kann sich die Anordnung im Übrigen gegen einzelne, mehrere oder alle Gläubiger richten.
Nach Art. 4 SanInsFoG erhält auch das ZVG eine neue Vorschrift, § 30g ZVG (Vollzug der Vollstreckungssperre bei Stabilisierungsmaßnahmen).
Rz. 64
Der Wortlaut von § 49 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG entspricht nahezu § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 InsO. Allerdings weicht der Gesetzestext in § 49 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG in einem entscheidenden Punkt von der Vorlage in § 21 InsO ab. Nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 InsO können Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagt oder einstweilen eingestellt werden, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind. Diese Einschränkung wurde in § 49 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG jedoch nicht übernommen. Erfasst die Anordnung von Vollstreckungssperren auch das unbewegliche Vermögen des Schuldners, soll, so die Begründung, das Vollstreckungsgericht für den Vollzug der Sperre zuständig sein. Die Einzelheiten werden im neuen § 30g ZVG geregelt. Das Verbot erfasst somit ausdrücklich und bewusst auch Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte.
Rz. 65
Nach § 30g Abs. 1 ZVG bedarf es zur Einstellung des Verfahrens eines Antrags des Schuldners. Ob § 30g ZVG überhaupt zur Anwendung kommt, ist fraglich. Nach § 28 Abs. 2 ZVG hat das Vollstreckungsgericht bei Kenntnis einer Verfügungsbeschränkung oder eines Vollstreckungsmangels von Amts wegen zu prüfen, ob das Verfahren entweder sofort aufzuheben oder einstweilen einzustellen ist. Verfügungsbeschränkungen können, müssen aber nicht grundbuchersichtlich sein. Mit dem Begriff Vollstreckungsmangel sind sämtliche Voraussetzungen gemeint, die bei der Anordnung bzw. einem Beitritt des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen sind, §§ 15, 16, 27, 146 ZVG. Das Vollstreckungsgericht hat in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung für den betreibenden Gläubiger gegen den Schuldner vorliegen. Es dürfen auch keine Vollstreckungshindernisse vorliegen, weder im Verfahren der Zwangsversteigerung noch in der Zwangsverwaltung. Ein solches zu beachtendes Vollstreckungshindernis ergibt sich eindeutig aus § 49 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG. Eines gesonderten Antrags bedarf es nicht.
Rz. 66
Die einstweilige Einstellung ist mit der Auflage anzuordnen, dass dem betreibenden Gläubiger laufend die geschuldeten Zinsen zu zahlen sind und ein durch die Nutzung entstehender Wertverlust durch laufende Zahlungen auszugleichen ist. Dies gilt nicht, soweit nach der Höhe der Forderung sowie dem Wert und der sonstigen Belastung des Grundstücks nicht mit einer Befriedigung des Gläubigers aus dem Versteiger...