Rz. 257
Der Erwerb eines Erbanteils durch den Minderjährigen, vertreten durch den gesetzlichen Vertreter, bedarf im Grundsatz keiner familiengerichtlichen Genehmigung gem. § 1643 BGB, denn das Gesetz, insbesondere §§ 1821, 1822 BGB, stellt solches Erfordernis nicht auf. Mit dem Erwerb eines Erbanteils ist die Haftung gegenüber den Nachlassgläubigern verbunden (§ 2382 BGB). Dies ist eine gesetzliche Folge des Erbschaftskaufvertrags, es handelt sich in der Folge um eine eigene Schuld des Käufers, nicht um eine fremde, so dass § 1822 Nr. 10 BGB nicht anwendbar ist.
Sind Veräußerer des Erbanteils Elternteile oder Geschwister, dann ist § 181 BGB wegen des Verbots von In-Sich-Geschäften und von Mehrvertretungen zu beachten. Entsprechendes gilt für Verwandtengeschäften gemäß § §§ 1629, 1795 BGB.
Bei einer Schenkung des Erbanteils an den Minderjährigen sind dann die genannten Vorschriften unanwendbar, wenn das Rechtsgeschäft für den Minderjährigen nur rechtlich vorteilhaft (§ 107 BGB) ist. Die gesetzliche Folge der Schuldenhaftung nimmt der Schenkung nicht die rechtliche Vorteilhaftigkeit. Handelt es sich um einen Erbanteil an einer Erbengemeinschaft, an der der Minderjährige bereits beteiligt ist, so haftet er bereits als Miterbe (nach außen) wegen seiner Beteiligung am Nachlass.
Rz. 258
Die Genehmigungsfreiheit hinsichtlich der §§ 1821, 1822 BGB besteht auch dann, wenn zum Nachlass ein Grundstück gehört, dessen entgeltlicher Erwerb der Genehmigung nach § 1821 Abs. 1 Nr. 5 BGB bedürfte. Dies gilt sogar dann, wenn das Grundstück praktisch nur noch der einzige Gegenstand im Nachlass ist, weil der restliche Nachlass bereits unter den Miterben aufgeteilt ist.
Im Widerspruch zu dieser von Rechtsprechung und Schrifttum anerkannten grundsätzlichen Beurteilung, die sich insbesondere bei vergleichbaren Fällen von Gesamthandgemeinschaften, wie OHG und KG, aber auch bei der gewerblich tätigen BGB-Gesellschaft, herauskristallisiert hat (Beispiel: die OHG, an der ein Minderjähriger beteiligt ist, veräußert ein Grundstück), steht eine Rechtsprechung, die dann den Erwerb eines Erbanteils durch einen Minderjährigen als genehmigungsbedürftig nach § 1822 Nr. 3 BGB ansieht, wenn zum Nachlass ein Erwerbsgeschäft gehört. Dieser Ansicht ist deshalb nicht zu folgen, weil Gegenstand des Erwerbs nicht das Erwerbsgeschäft oder ein Teil davon ist, sondern der Erbanteil. Auch zeigt der Vergleich mit dem im Nachlass befindlichen Grundstück, dass die hier abgelehnte Ansicht unlogisch ist – was für das Erwerbsgeschäft gilt, müsste auch für das Grundstück gelten. Vor allen Dingen aber ist sie überholt. Es ist heute anerkannt, dass §§ 1821, 1822 BGB formal auszulegen sind, und dass eine Analogie nicht statthaft ist. Die danach veraltete Rechtsprechung zum Erwerbsgeschäft erklärt sich – wie bei den §§ 1821, 1822 BGB fast regelmäßig – aus der früheren (allzu weiten) Auslegung der Vorschriften mit dem Ziel des Schutzes des Minderjährigen. Dieser Schutz wird heute durch die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung des Minderjährigen bei Übertritt in die Volljährigkeit bewirkt (§ 1629a BGB; siehe Rdn 435 ff.).
Rz. 259
Die aufgezeigte Rechtsprechung (Rdn 258) rechtfertigt sich auch nicht mit § 1822 Nr. 10 BGB. Denn auch in Hinblick auf die Nachlassverbindlichkeiten ist keine Genehmigung für einen Erbanteilserwerb erforderlich; § 1822 Nr. 10 BGB ist nicht anwendbar; die Nachlassschulden sind mangels Erfüllungsübernahme als zur Erbschaft gehörig anzusehen und sind damit eigene – und nicht fremde – Schulden des Minderjährigen; nur bei der Übernahme fremder Schulden wird § 1822 Nr. 10 BGB angewandt.
Rz. 260
Die Ausübung des Vorkaufsrechtes beim Verkauf eines Erbanteils seitens eines Miterben (§ 2034 BGB) durch einen minderjährigen Miterben bedarf – ebenso wie der Kauf eines Erbanteils (siehe Rdn 257) – grundsätzlich keiner familiengerichtlichen Genehmigung. Etwas anderes soll dann gelten, wenn ein Grundstück zum Nachlass gehört, dann seien §§ 1643, 1915, 1821 Abs. 1 Nr. 5 BGB anwendbar. Begründet wird dies mit dem Schutzzweck der Norm.
Zutreffend ist die gegenteilige Ansicht, denn heute gilt der Grundsatz der formalen Auslegung der Genehmigungsvorschriften der §§ 1821, 1822 BGB. Das Vorkaufsrecht bezieht sich nicht auf den entgeltlichen Erwerb eines Grundstücks, sondern auf den Kauf eines Erbanteils; § 1821 Abs. 1 Nr. 5 BGB (Vertrag zum entgeltlichen Erwerb eines Grundstücks) ist daher unanwendbar. Ebenso ist § 1822 Nr. 3 BGB (entgeltlicher Erwerb eines Erwerbsgeschäfts) durch Ausübung des Vorkaufsrechts hinsichtlich eines Erbteils unanwendbar, wenn ein Erwerbsgeschäft zum Nachlass gehört (siehe Rdn 257). Dasselbe gilt auch dann, wenn der minderjährige Miterbe zusammen mit anderen Miterben das Vorkaufsrecht nach § 2034 BGB ausübt.