aa) Aufteilung der Steuerschuld – Grundsätze
(1) Außenverhältnis zur Finanzbehörde
Rz. 203
Durch die Festsetzung im Steuerbescheid haften die gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagten Ehegatten als Gesamtschuldner.
(2) Innenverhältnis der Ehegatten
Rz. 204
Erbringt ein Ehegatte die dem Finanzamt geschuldete Zahlung allein, werden beide Ehegatten von ihrer Steuerschuld befreit, da nach § 44 Abs. 2 AO die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner auch für die übrigen Schuldner wirkt.
Rz. 205
Grundregel § 426 BGB
Die Ehegatten haften im Innenverhältnis zu gleichen Teilen, soweit nicht ein anderes bestimmt ist.
Rz. 206
Eine andere Bestimmung kann sich ergeben aus dem Gesetz, einer Vereinbarung, dem Inhalt und Zweck des Rechtsverhältnisses oder der Natur der Sache, mithin aus der besonderen Gestaltung des tatsächlichen Geschehens.
Rz. 207
Vorrangig ist eine ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung. In Ermangelung einer solchen sind als nächstes andere Umstände zu prüfen. Erst wenn auch solche nicht festzustellen sind, greift die Grundregel des § 426 Abs. 1 BGB.
Rz. 208
Prüfungsreihenfolge daher:
1. |
Ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung? nein → |
2. |
Andere Umstände? nein → |
3. |
§ 426 Abs. 1 BGB, Halbteilung der Schuld (+) |
Rz. 209
Im Einzelnen:
▪ |
Ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung |
Bei einer ausdrücklichen Vereinbarung ist die Sache klar.
Eine konkludente Vereinbarung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn ein Ehegatte Steuervorauszahlungen (auch) auf die Steuerschuld des anderen Ehegatten leistete. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob der begünstigte Ehegatte einzeln zur Einkommensteuer veranlagt war. Es kommt allein darauf an, ob die Zahlung, mit welcher der begünstigte Ehegatte von der Steuerschuld befreit wurde, vor der Trennung erfolgte. Entscheidend ist also der Zeitpunkt der Zahlung. Nach dem Ende des Zusammenlebens für den anderen Ehegatten geleistete Steuerzahlungen werden nach den allgemeinen Regeln behandelt und werden nicht (mehr) durch die familienrechtliche Überlagerung korrigiert.
Etwas anderes kann nur gelten, wenn sich der benachteiligte Ehegatte für den Fall der Trennung die Rückforderung vorbehält.
Beraterhinweis Eheverträge
Im Fall von Gestaltungen mit Übernahme von Steuerzahlungen zugunsten des anderen Ehegatten sollte für den Fall der Trennung ein Rückforderungsvorbehalt vereinbart werden.
Ein anderer Umstand kann insbesondere der Güterstand der Gütertrennung oder der Zugewinngemeinschaft sein, weil in beiden Fällen im Verhältnis der Ehegatten zueinander grundsätzlich jeder von ihnen für die Steuer, die auf seinen Anteil entfällt, selbst aufzukommen hat. Hier gilt bei Zusammenveranlagung, dass bei der Aufteilung der Steuerschuld die Höhe der beiderseitigen Einkünfte zu berücksichtigen ist, die der Steuerschuld zugrunde liegen (im Einzelnen siehe unten Rdn 213).
Rz. 210
Maßstab für die Aufteilung der Steuerschuld
Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuerschuld (nach der Trennung oder vor der Trennung?)
Rz. 211
I. Vor der Trennung
Während bestehender ehelicher Lebensgemeinschaft kommen Ausgleichsansprüche wegen der durch die Steuerschuld begründeten Gesamtschuldnerschaft nicht in Betracht, wenn mit den in unterschiedlichen Steuerklassen eingestuften Einkommen gewirtschaftet wird. Der Lebenszuschnitt doppelt verdienender Ehegatten bei einverständlicher Wahl der Steuerklassen und gemeinsamer Wirtschaftsführung kann bei einer Ehekrise nicht im Nachhinein finanziell auseinander- und zurück gerechnet werden, vgl. auch Rdn 217 f. Vielmehr ist davon auszugehen, dass das Einkommen gemeinsam ausgegeben worden oder im Endvermögen vorhanden ist. Dies ist letztlich Folge der familienrechtlichen Überlagerung (siehe oben Rdn 198 ff.).
Rz. 212
Zitat
"Die Aufteilung einer nach der Trennung fällig gewordenen Steuerschuld und der sich hieraus ergebenden Erstattungs- bzw. Nachzahlungsansprüche zusammen veranlagter Ehegatten hat im Innenverhältnis grundsätzlich unter entsprechender Heranziehung des § 270 AO auf der Grundlage fiktiver getrennter Veranlagung der Ehegatten zu erfolgen."
Rz. 213
Der Bundesgerichtshof hat sich für diese Berechnungsmethode unter Gegenüberstellung aller zu diesem Zeitpunkt vertretenen Berechnungsweisen und der jeweils für und gegen sie sprechenden Argumente entschieden:
Methode/Maßstab: |
Argumente pro: |
Argumente contra: |
Verhältnis der Einkünfte |
|
Nicht einkommensteuerkonform; individuelle Steuerumstände werden nicht immer berücksichtigt (Progression, Abzugsbeträge, Tarifermäßigungen) |
Verhältnis der Steuerbeträge bei fiktiver getrennter Veranlagung (§ 270 AO analog) |
Einkommensteuer konformes Ergebnis wegen Berücksichtigung der konkreten steuerlichen Situation der Ehegatten; jeder Ehegatte kommt für die Steuer auf, die auf ihn entfällt |
aufwändigere Methode |
Verhältnis der Steuerbeträge nach der jeweils im Veranlagungszeitraum tatsächlich erbrachten Steuerzahlungen (§ 32 Abs. 2 AO analog; BFH: Ehegatten müssen sich bei Uneinigkeit selbst auseinandersetzen (BFG NJW 1991, 2103) |
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ungenau; Einfluss der Steuerklassenwa... |