Dr. Peter Stelmaszczyk, Stefan Wegerhoff
aa) Handelsrechtliche Publizitätswirkungen
Rz. 1444
Die Gründung ist also im Sitzstaat Gegenstand der handelsrechtlichen Publizität. Die Bekanntmachung hat für die Errichtung der Vereinigung allerdings nur deklaratorischen Charakter. Die Vereinigung kann die nach der Verordnung bekanntmachungspflichtigen Urkunden und Angaben entsprechend den in nationales Recht umgesetzten Bedingungen der Ersten EG-Richtlinie auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts ("Publizitätsrichtlinie") jedoch erst nach Bekanntmachung Dritten entgegensetzen (Art. 9 Abs. 1 EWIV-VO).
bb) Rechtssubjektwirkungen
Rz. 1445
Die so gegründete Vereinigung hat von der Eintragung an die Fähigkeit, im eigenen Namen Träger von Rechten und Pflichten jeder Art zu sein, Verträge zu schließen oder andere Rechtshandlungen durchzuführen und vor Gericht zu stehen (Art. 1 Abs. 2 EWIV-VO). Sie ist also rechts-, partei- und prozessfähig, und zwar in der gesamten Gemeinschaft. Die Eintragung in ein nationales Register besitzt insofern konstitutive Wirkung. Allerdings ist dies nicht gleichbedeutend mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit der EWIV. Die Mitgliedstaaten bestimmen vielmehr, ob die in ihren nationalen Registern eingetragenen Vereinigungen Rechtspersönlichkeit haben (Art. 1 Abs. 3 EWIV-VO).
Hinweis
Die in deutschen Handelsregistern eingetragenen Vereinigungen haben demnach wie die deutsche OHG in diesem Sinne keine eigene Rechtspersönlichkeit, sind aber den juristischen Personen angenähert. Die deutsche OHG kann unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden (§ 105 Abs. 2 HGB). Zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen ist ein gegen die Gesellschaft gerichteter vollstreckbarer Schuldtitel erforderlich (§ 722 Abs. 1 BGB). Auch der italienische Gesetzgeber hat sich gem. Art. 1 Abs. 3 EWIV-VO dafür entschieden, "italienischen" ("seinen") EWIV keine eigene Rechtspersönlichkeit zuzuerkennen.
cc) Handelndenhaftung im Vorgründungsstadium
Rz. 1446
Ist im Namen einer Vereinigung vor ihrer Eintragung gehandelt worden und übernimmt die Vereinigung nach der Eintragung die sich aus diesen Handlungen ergebenden Verpflichtungen nicht, so haften die natürlichen Personen, Gesellschaften oder anderen juristischen Einheiten, die diese Handlungen ausgeführt haben, aus ihnen unbeschränkt und gesamtschuldnerisch (Art. 9 Abs. 2 EWIV-VO). Mit der Eintragung gehen die sich aus den Handlungen ergebenden Verpflichtungen also nicht automatisch auf die Vereinigung über, sondern nur, wenn die Vereinigung sie übernimmt, also etwa die Handlungen genehmigt.
Hiervon zu unterscheiden sind Fälle, in denen vor Eintragung der Vereinigung im Namen der Vorvereinigung gehandelt wird, sofern das nationale Gesellschaftsrecht des Sitzstaates eine Vorgesellschaft kennt. Die Vorvereinigung ist als solche existent und kann von ihren Gründern verpflichtet werden. Ob durch die Handlungen die Vereinigung oder die Vorvereinigung verpflichtet werden soll, ist ggf. durch Auslegung zu ermitteln. Ab Eintragung haften die Gründer und danach alle Mitglieder unbeschränkt und gesamtschuldnerisch für die Verbindlichkeiten der Vereinigung (Art. 24 Abs. 1 EWIV-VO). Wegen der unbeschränkten persönlichen Haftung der Mitglieder der Vereinigung macht es im Ergebnis keinen Unterschied, ob durch die unmittelbare Verpflichtung der Vorvereinigung deren Gründer oder ob durch die unmittelbare Verpflichtung der Vereinigung deren Mitglieder verpflichtet werden. Handelnde Personen, die keine Gründer und keine späteren Mitglieder der Vereinigung sind, sind jedoch persönlichen Haftungsrisiken ausgesetzt.