Rz. 24
Werden dem Gericht neue Tatsachen bekannt, die sowohl eine Erhöhung als auch eine Ermäßigung des rechtskräftig festgesetzten Verkehrswerts rechtfertigen, besteht eine Anpassungspflicht. Die formelle Rechtskraft des Beschlusses über die Festsetzung des Verkehrswertes steht einer Neubewertung durch das Vollstreckungsgericht nicht entgegen, wenn wesentliche neue Tatsachen eine Anpassung erfordern, die durch eine Beschwerde gegen die Wertfestsetzung nicht mehr geltend gemacht werden konnten. Ist gerichtsbekannt, das seit der letzten Wertfestsetzung bis zum Versteigerungstermin auf dem Grundstücksmarkt der betreffenden Region eine Wertsteigerung von mindestens 10 % eingetreten ist, ist eine Anpassungspflicht regelmäßig gegeben.
Rz. 25
Ändert das Gericht den Wert ab, ist wiederum allen Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren, der Änderungsbeschluss ist allen Beteiligten zuzustellen. Gegen den Änderungsbeschluss kann wiederum sofortige Beschwerde eingelegt werden.
Rz. 26
Unterlässt das Gericht eine Anpassung, so liegt hierin ein Zuschlagsversagungsgrund, wenn der Zuschlag auf der Unterlassung beruht.
Rz. 27
Allerdings hat der BGH entschieden, dass eine Anpassung des festgesetzten Grundstückswerts an veränderte Umstände dann nicht mehr erforderlich sei, wenn im ersten Versteigerungstermin das Meistgebot nicht 7/10 des rechtskräftig festgesetzten Grundstückswerts erreicht und deshalb der Zuschlag gem. § 74a Abs. 1 S. 1 ZVG versagt wird; im weiteren Zwangsversteigerungsverfahren fehle dann das Rechtsschutzinteresse für eine Anpassung des festgesetzten Grundstückswerts. Aus dem "Grundsatz der Einmaligkeit" sowohl in § 85a ZVG als auch in § 74a ZVG folgert der BGH, dass in diesem Verfahrensstadium der Verkehrswert für das weitere Zwangsvollstreckungsverfahren keine rechtliche Bedeutung mehr habe und deshalb für eine Anpassung des Verkehrswerts an veränderte Umstände das Rechtsschutzinteresse fehle. Eine Neufestsetzung des Verkehrswerts bei nachträglich eingetretenen Wertveränderungen führe zu einer dem Gesetz widersprechenden zeitlichen Verzögerung der Versteigerung, die nicht hinnehmbar sei. Der Gefahr der sittenwidrigen Verschleuderung in einem späteren Versteigerungstermin infolge nachträglicher erheblicher Wertveränderungen könne der Schuldner mit einem Antrag gem. § 765a ZPO begegnen. Auch die Bieter seien nicht schützenswert.
Rz. 28
In dieser Allgemeinheit wird dem BGH nicht zu folgen sein. Hat sich der festgesetzte Verkehrswert in einem über mehrere Jahre laufenden Verfahren entscheidend geändert, gebietet bereits der Grundrechtsschutz nach Art. 14 GG (sowohl für Schuldner als auch Gläubiger), den Verkehrswert zu überprüfen und ggf. erneut festzusetzen.