Leitsatz
Macht ein Gläubiger im Mahnverfahren gleichzeitig Zahlungsansprüche gegen mehrere Schuldner geltend und werden nach Abgabe an das einheitlich zuständige Streitgericht dort getrennte Verfahren gegen die einzelnen Antragsgegner/Beklagten angelegt, ohne dass der Antragsteller/Kläger dies veranlasst hat, und werden die getrennten Verfahren vor der mündlichen Verhandlung miteinander verbunden, so liegt gebührenrechtlich nur eine einzige Angelegenheit vor, so dass die Gerichtsgebühr der Nr. 1210 GKG-KostVerz. nur einmal erhoben werden darf und der Anwalt seine Gebühren auch nur einmal erhält.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.11.2008 – 12 W 97/08
I. Der Fall
Der Antragsteller hatte gegen den Schuldner und einen weiteren Mithaftenden einen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids gestellt. Es sind dann im selben Mahnverfahren gegen die beiden Schuldner antragsgemäß Mahnbescheide ergangen. Beide Schuldner haben Widerspruch eingelegt, so dass die Sache hinsichtlich beider Schuldner an das zuständige Streitgericht abgegeben wurde. Dort wurden allerdings aufgrund der zeitlich unterschiedlichen Eingänge zwei Akten angelegt. Diese wurden vor der mündlichen Verhandlung miteinander verbunden.
Nach Beendigung des Verfahrens (Klageabweisung) beantragten die Beklagten die Festsetzung ihrer Kosten, darunter zwei Verfahrensgebühren nach Nr. 3100 VV mit der Begründung, dass nach getrennter Abgabe bis zur Verbindung zwei Angelegenheiten i.S.d. § 15 RVG vorgelegen hätten.
Das Gericht hat die Gebühren antragsgemäß festgesetzt. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde hatte Erfolg.
II. Die Entscheidung
Werden vor Gericht getrennte Verfahren geführt, so liegen insoweit grundsätzlich auch gesonderte Angelegenheiten vor. Das gilt jedoch nur, wenn die getrennten Verfahren auch getrennt eingeleitet worden sind oder das Gericht ein einheitliches Verfahren später getrennt hat.
Uneinheitliche Abgabe des Mahnverfahrens führt nicht zu doppelten Gebühren
Bei der uneinheitlichen Abgabe eines Mahnverfahrens gegen mehrere Antragsgegner handelt es sich jedoch nicht um eine bewusste Aufspaltung des bis dahin einheitlichen Verfahrens.
Aufgrund der zeitlich unterschiedlichen Zahlungseingänge werden zunächst einmal die Akten gesondert angelegt, da das Gericht zu diesem Zeitpunkt von der Existenz der Zusammengehörigkeit der beiden Verfahren noch keine Kenntnis hat. Diese Kenntnis erlangt das Gericht erst im Verlaufe des Verfahrens und verbindet die Verfahren dann nachträglich, so wie es von vornherein zutreffend gewesen wäre.
III. Der Praxistipp
Die Entscheidung des OLG Frankfurt entspricht sowohl hinsichtlich der Gerichtskosten als auch hinsichtlich der Anwaltsgebühren der ganz einhelligen Rspr. (auch schon zur BRAGO):
Wurde bei gleichzeitig beantragten und erlassenen Mahnbescheiden gegen Gesamtschuldner nach Einlegung des Widerspruchs das streitige Verfahren bei demselben Gericht in getrennten Verfahren geführt, so ist bezüglich des Anfalls der Gerichtskosten von einem einheitlichen Verfahren auszugehen.
OLG München, Beschl. v. 17.3.2008 – 11 W 860/98, AGS 1999, 13 = MDR 1998, 738 = NJW-RR 1998, 1080 = OLGR 1998, 317
Macht ein Gläubiger im Mahnverfahren gleichzeitig Zahlungsansprüche gegen einen Schuldner und einen Bürgen mit einem einheitlichen Mahnbescheidsantrag geltend und werden dann nach Abgabe der Sache an das einheitlich zuständige Streitgericht dort aus durch den Kläger nicht veranlassten Gründen in Bezug auf jeden Beklagten gesonderte Verfahren eingetragen, die vor der mündlichen Verhandlung miteinander verbunden werden, so liegt nur eine gebührenrechtliche Angelegenheit vor mit der Folge des Ausschlusses des Ansatzes einer doppelten Prozessgebühr für den klägerischen Prozessbevollmächtigten.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.3.1979 – 10 W 27/97, JMBl NW 1997, 251 = AnwBl 1997, 624 = JurBüro 1998, 82 = OLGR 1997, 280
Wird ein gegen mehrere Gesamtschuldner gerichtetes Mahnverfahren nach Abgabe beim Streitgericht zunächst gegen jeden Gesamtschuldner getrennt geführt und später wieder zusammengeführt, so liegt nur eine Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG vor mit der Folge, dass die gegebenenfalls nach Nr. 1008 VV erhöhten Gebühren nur einmal entstehen.
AG Kamen, Beschl. v. 30.9.2006 – 9 C 203/05, AGS 2007, 26
Ist ein Mahnverfahren gegen zwei Gesamtschuldner eingeleitet worden, wird das Verfahren nicht nach § 145 ZPO dadurch getrennt, dass durch einen Fehler bei der Übersendung der Mahnakten von dem zentralen Mahngericht an das Prozessgericht dort zwei Prozessakten angelegt und zwei Aktenzeichen vergeben werden. Demnach fällt für den Anwalt nur eine Prozessgebühr an.
LG Berlin, Beschl. v. 27.6.1979 – 84 T 480/97, Rpfleger 1998, 40 = JurBüro 1998, 30 = Berliner AnwBl 1997, 581
Es ist verfahrensfehlerhaft, wenn ein gegen mehrere Schuldner gerichtetes Mahnverfahren nach Widerspruchseinlegung der Schuldner vom Prozessgericht ohne einen förmlichen Beschluss in mehrere Verfahren getrennt wird. Die Verfahrensgebühr darf in einem solchen Fall nicht mehrfach ...