Leitsatz
Auch in verwaltungsgerichtlichen Verfahren entsteht für die beteiligten Rechtsanwälte eine Terminsgebühr, wenn auf Vorschlag des Gerichts ein schriftlicher Vergleich nach § 106 S. 2 VwGO geschlossen wird.
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 24.6.2009 – 5 E 728/09
I. Der Fall
Im Verfahren vor dem VG hatten die Parteien auf Vorschlag des Gerichts gem. § 106 S. 2 VwGO einen schriftlichen Vergleich abgeschlossen, ohne dass es zu einem gerichtlichen Termin i.S.d. Vorbem. 3 Abs. 3, 1. Var. VV oder einer Besprechung i S.d. Vorbem. 3 Abs. 3, 3. Var. VV gekommen war.
Nach Abschluss des Vergleichs meldete der Kläger die ihm aufgrund des Vergleichs zu erstattenden Kosten zur Festsetzung an, darunter auch eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte die Terminsgebühr ab, weil es nicht zu einem gerichtlichen Termin gekommen sei. Die hiergegen erhobene Beschwerde, der der Urkundsbeamte nicht abgeholfen hat, war schließlich erfolgreich.
II. Die Entscheidung
Terminsgebühr entsteht auch bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs
Die Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV entsteht nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV auch dann, wenn die Parteien einen schriftlichen Vergleich schließen. Diese Voraussetzungen liegen vor. Durch die Annahme des gerichtlichen Vergleichsvorschlags nach § 106 S. 2 VwGO haben die Beteiligten einen schriftlichen Vergleich geschlossen.
Für das Klageverfahren war gem. § 100 Abs. 1 VwGO eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben. Nach dieser Vorschrift entscheidet das Gericht, soweit nichts anderes bestimmt ist, aufgrund mündlicher Verhandlung. Damit hätte eine streitige Entscheidung – abgesehen von den nach Anm. Abs. 1 zu Nr. 3104 VV geregelten weiteren Fällen – nur aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergehen dürfen, wenn sich das Verfahren nicht vorher durch Abschluss eines Vergleichs erledigt hätte.
Nicht entscheidend ist dagegen, dass der Vergleich im schriftlichen Verfahren geschlossen worden und deshalb die Durchführung der bereits terminierten mündlichen Verhandlung nicht mehr erforderlich gewesen ist. Nach dem Gebührentatbestand kommt es nicht drauf an, ob für die konkrete Verfahrensweise, die zum Vergleichsabschluss führt, eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Maßgeblich ist allein, ob für das Verfahren als solches generell eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist.
Mündliche oder fernmündliche Besprechung ist nicht erforderlich
Ist dies – wie hier – der Fall, muss dem Vergleich keine mündliche oder fernmündliche Besprechung mit dem Verfahrensgegner vorangegangen sein. Der Gebührentatbestand in Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV sieht eine Terminsgebühr gerade für Fälle vor, in denen es nicht zu einer mündlichen Aktivität gekommen ist. Dies entspricht dem Anliegen des Gesetzgebers zu honorieren, dass ein Rechtsanwalt zu einer möglichst frühen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beendigung des Verfahrens beiträgt. Der Prozessbevollmächtigte, der an sich erwarten kann, in der mündlichen Verhandlung eine Terminsgebühr zu verdienen, soll keinen Gebührennachteil erleiden, wenn durch eine andere Verfahrensgestaltung auf eine mündliche Verhandlung verzichtet wird (OVG Nordrhein Westfalen, Beschl. v. 19.4.2006 – 16 E 783/05 -; BGH AGS 2006, 488 = AnwBl 2006, 676 = Rpfleger 2006, 624 = BGHReport 2006, 1391 = BRAK-Mitt 2006, 287 = MDR 2007, 179 = FamRZ 2006, 1373 = RVGreport 2006, 387 = NJW 2007, 160 = NJW-RR 2006, 1507 zum Abschluss eines schriftlichen Vergleichs auf Vorschlag des Gerichts gem. § 278 Abs. 6 ZPO; ferner BGH AGS 2005, 540 = Rpfleger 2006, 38 = FamRZ 2006, 118 = AnwBl 2006, 71 = BGHReport 2006, 64 = JurBüro 2006, 73 = MDR 2006, 474 = RVGreport 2005, 471 = FamRB 2006, 44 = NJW 2006, 157).
Der vom VG angeführte Beschluss des OVG Nordrhein Westfalen, Beschl. v. 30.10.2008 – 12 E 1273/08, lässt sich schon deshalb nicht für eine abweichende Auffassung anführen, weil in dem dortigen Fall kein schriftlicher Vergleich zustande gekommen war.
III. Der Praxistipp
Die Entscheidung des OVG ist zutreffend. Sie entspricht nicht nur dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes, sondern auch der ganz einhelligen Rspr. Wie der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hier auf die Idee kommen konnte, die Terminsgebühr abzusetzen, ist daher letztlich auch nicht nachvollziehbar.
Neben dem Fall des schriftlichen Vergleichs kommen in verwaltungsgerichtlichen Verfahren – wie vom OVG angesprochen – noch weitere Verfahrensgestaltungen in Betracht, in denen eine Terminsgebühr im schriftlichen Verfahren anfällt:
Terminsgebühr auch bei Entscheidung ohne mündliche Verhandlung möglich
Ebenso wie in Zivilsachen (§ 128 Abs. 2 ZPO) können die Verwaltungsgerichte (auch im Berufungs- und Revisionsverfahren) im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO). Geschieht dies, dann entsteht für die beteiligten Anwälte gleichwohl die Terminsgebühr.
Anders verhält es sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Hier kann das Gericht durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 100 Abs. 3 VwGO),...