Leitsatz
1. Fertigt der Anwalt Ablichtungen und/oder Abschriften, die er als Anlagen zu Schriftsätzen bei Gericht einreicht, so entstehen vergütungspflichtige Auslagen erst, wenn mehr als 100 Seiten gefertigt und eingereicht werden.
2. Fertigt der Anwalt mehr als 100 solcher vergütungspflichtiger Ablichtungen oder Abschriften, erhält er die Vergütung nicht für sämtliche Abschriften oder Ablichtungen, sondern nur für die über 100 Seiten hinausgehende Stückzahl, also erst ab der 101. Seite.
OLG Hamburg, Beschl. v. 5.5.2011 – 4 W 101/11
1 I. Der Fall
Der Anwalt hatte im Rechtsstreit 182 Kopien als Schriftsatzanlagen eingereicht. Darunter befanden sich fünf Seiten Kopien einer veröffentlichten gerichtlichen Entscheidung. Das Gericht hat daher lediglich 177 Seiten als notwendig angesehen. Hinsichtlich der Berechnung der Kopiekosten bestand Streit.
2 II. Die Entscheidung
Vergütungspflicht nach Nr. 7000 Nr. 1 Buchst. b) VV erst ab 100 Seiten
Bei der Vergütung für diese 177 Seiten ist jedoch zu berücksichtigen, dass nach Nr. 7000 Nr. 1 Buchst. b) VV eine Vergütungspflicht nur dann entsteht, wenn mehr als 100 Seiten Ablichtungen oder Abschriften gefertigt und eingereicht werden. Das war hier der Fall.
Die ersten 100 Seiten sind vergütungsfrei
Dies führt jedoch nicht dazu, dass nunmehr die Kosten für sämtliche 177 Seiten zu berechnen sind. Vielmehr ergibt sich aus Nr. 7000 Nr. 1 Buchst. b) VV, dass in diesem Fall nur die über 100 Seiten hinausgehenden Kopien erstattungsfähig sind, dass also die ersten 100 Seiten vergütungsfrei und als allgemeine Geschäftskosten nach Vorbem. 7 Abs. 1 VV durch die Gebühren bereits abgegolten sind.
Aufgabe der bisherigen Rspr.
Das OLG Hamburg stellt insoweit ausdrücklich klar, dass es an seiner früheren Einzelrichterentscheidung des damaligen Kostensenats des OLG vom 7.8.2006 (8 W 130/06, MDR 2007, 244) nicht mehr festhalte. Das OLG hatte damals entschieden, dass bei einem Überschreiten von 100 Seiten sämtliche Seiten, also auch die ersten 100 Seiten, vergütungspflichtig seien.
3 III. Der Praxistipp
Die Entscheidung entspricht der ganz einhelligen Rspr. und Auffassung der Literatur:
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LG Berlin AGS 2006, 72 |
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OLG Karlsruhe AGS 2011, 308 |
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AnwK-RVG/Volpert, 6. Aufl. 2012, Nr. 7000 Rn 89 |
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Mayer/Kroiß, RVG, VV 7000 Rn 6 |
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Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, Teil 19, Rn 32 |
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Mayer, NJ 2005, 159, 162 |
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Hansens, RVGreport 2004, 402. |