Leitsatz
Wird in einem Rechtsstreit die anwaltliche Vergütung aus einem vorangegangenen gerichtlichen Verfahren geltend gemacht und bestreitet der Beklagte den der anwaltlichen Abrechnung zugrunde liegenden Gegenstandswert, so ist das Verfahren bis zur rechtskräftigen Wertfestsetzung im vorangegangenen gerichtlichen Verfahren auszusetzen.
AG Aachen, Beschl. v. 29.10.2014 – 112 C 151/14
1 I. Der Fall
Die klagende Anwaltskanzlei hatte gegen die ehemalige Mandantin u.a. Vergütungsforderungen aus einem vorangegangenen Teilungsversteigerungsverfahren eingeklagt. Die Beklagte verteidigte sich u.a. damit, dass der angesetzte Gegenstandswert unzutreffend sei. So hätten die Anwälte den vollen Verkehrswert zugrunde gelegt, obwohl sie nur ½-Miteigentümerin der Immobilie sei, so dass nach § 26 Nr. 2 RVG auch nur der hälftige Wert hätte angesetzt werden dürfen; im Übrigen sei der Verkehrswert auch zu hoch angesetzt. Es sei darüber hinaus unzutreffend, den Wert eines Antrags auf Einstellung des Verfahrens mit dem vollen Wert der Hauptsache anzusetzen. Angemessen sei hier lediglich ein Bruchteil der Hauptsache (§ 26 Nr. 2 RVG). Des Weiteren wies die Beklagte darauf hin, dass sie bereits vor dem Gericht der Teilungsversteigerung einen Wertfestsetzungsantrag nach § 33 RVG gestellt habe, der jedoch noch nicht beschieden sei. Im Hinblick darauf beantragte sie, den vorliegenden Vergütungsrechtsstreit auszusetzen, bis über den Gegenstandswert rechtskräftig entschieden worden sei. Die Klägerin trat dem entgegen und warf der Beklagten "Verfahrensverzögerung" vor.
2 II. Die Entscheidung
Das AG hat den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Wertfestsetzung gem. § 148 ZPO ausgesetzt.
Vorgreifliche Wertfestsetzung ist für erkennendes Gericht bindend
Die Wertfestsetzung im Teilungsversteigerungsverfahren ist für Anwalt und Mandant nach § 33 RVG bindend. Dem erkennenden Gericht im Vergütungsprozess steht insoweit keine eigene Entscheidungskompetenz zu. Solange der Wert nicht unstreitig ist, muss daher zwingend zuvor das Wertfestsetzungsverfahren durchgeführt werden. Eine eigene Entscheidung des Gerichts im Vergütungsprozess ist bis dahin nicht möglich.
3 III. Der Praxishinweis
Das LG hat auf die sofortige Beschwerde den Beschluss des AG bestätigt.
Für Kostenfestsetzungsverfahren ausdrücklich geregelt
Die Entscheidung ist zutreffend. Eine vergleichbare Regelung findet sich in § 11 Abs. 4 RVG für das Vergütungsfestsetzungsverfahren. Auch für das Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 103 ff. ZPO hat der BGH bereits entschieden, dass bei bestrittenem Gegenstandswert das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Gegenstandswert auszusetzen ist (AGS 2014, 246 = ZInsO 2014, 855 = MDR 2014, 566 = ZIP 2014, 1047 = NZI 2014, 473 = WM 2014, 1238 = Rpfleger 2014, 450 = AnwBl 2014, 564 = RVGreport 2014, 240 = NJW-Spezial 2014, 380 = JurBüro 2014, 364 = RVGprof. 2014, 131 = NJW-RR 2014, 765). Dann kann aber für den Vergütungsprozess nichts anderes gelten.
Vor Vergütungsprozess ist die Wertfestsetzung abzuschließen
In der Praxis ist häufig zu beobachten, dass Anwälte Vergütungsprozesse einleiten, ohne die Grundlage, nämlich die Wertfestsetzung, herbeigeführt zu haben. Wendet sich der Beklagte dann gegen den Gegenstandswert, wird – wie hier – häufig eingewandt, der Beklagte wolle das Verfahren nur verzögern. Das Gegenteil ist der Fall. Die Klägerin hatte ihre "Hausaufgaben" nicht gemacht und nicht das vorgreifliche Wertfestsetzungsverfahren durchgeführt, bevor sie ihre Abrechnung erstellt und eingeklagt hat. Fehler wie diese führen auch zu Gebührenverlusten im Vergütungsprozess. Sofern das Gericht der Teilungsversteigerung hier erwartungsgemäß den Gegenstandswert lediglich auf die Hälfte des Verkehrswerts festsetzt und den Wert für den Einstellungsantrag auf einen Bruchteil, wird die Klage damit zu einem erheblichen Teil unschlüssig mit der entsprechenden nachteiligen Kostenfolge. Das kann leicht vermieden werden, wenn zuvor das Verfahren auf Wertfestsetzung durchgeführt wird.
AGKompakt 2/2015, S. 15