Leitsatz
Wird der Antrag auf Zurückweisung der Berufung gestellt, bevor der Berufungskläger einen Antrag gestellt hat, ist die volle 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV gleichwohl erstattungsfähig, wenn nachträglich die Berufung noch begründet wird. Eines erneuten Zurückweisungsantrags bedarf es dann nicht.
BGH, Beschl. v. 30.9.2014 – XI ZB 21/13
1 I. Der Fall
Gegen die Abweisung der Klage hatte die Klägerin Berufung eingelegt. Die erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten hatten sich daraufhin für das Berufungsverfahren bestellt und beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Zwei Monate später begründete die Klägerin ihre Berufung und nahm diese zwei Tage später auf Hinweis des Berufungsgerichts wieder zurück. Eine weitere Stellungnahme der Prozessbevollmächtigten der Berufungsbeklagten oder ein erneuter Zurückweisungsantrag waren nicht eingereicht worden.
Nach entsprechender Kostenentscheidung wurde sodann eine 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV zugunsten der Berufungsbeklagten festgesetzt.
Hiergegen hat die Klägerin sofortige Beschwerde erhoben, da sie der Auffassung ist, die Berufungsbeklagte könne lediglich eine 1,1-Verfahrensgebühr nach Nrn. 3200, 3201 VV erstattet verlangen. Es sei nicht notwendig gewesen, bereits unmittelbar nach Zustellung der Berufungsschrift einen Antrag auf Zurückweisung zu stellen. Die sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg. Die zugelassene Rechtsbeschwerde wurde zurückgewiesen.
2 II. Die Entscheidung
Grundsätzlich nur 1,1-Gebühr erstattungsfähig
Grundsätzlich ist ein Antrag auf Zurückweisung eines Rechtsmittels so lange nicht erforderlich, wie das Rechtsmittel nicht begründet und ein Rechtsmittelantrag nicht gestellt worden ist, denn bis dahin weiß der Rechtsmittelgegner nicht, inwieweit das vorinstanzliche Urteil überhaupt angegriffen wird und wie und in welchem Umfang er sich wehren soll. Daher ist in dieser Phase ein bereits "verfrüht" gestellter Zurückweisungsantrag nicht erstattungsfähig. Erstattungsfähig ist in dieser Phase lediglich die Bestellung, die im Berufungsverfahren die ermäßigte 1,1-Verfahrensgebühr nach Nrn. 3200, 3201 VV auslöst (BGH AGS 2009, 313 = NJW 2009, 2220; NJW 2007, 3712).
Erneuter Antrag nach Begründung wäre unnötige Förmelei
Da aber ein Zurückweisungsantrag erforderlich ist, nachdem die Berufung begründet worden ist, hält es der BGH für eine unnötige Förmelei, dass ein bereits verfrüht und damit zunächst nicht erstattungsfähiger Antrag im Nachhinein nochmals wiederholt werden muss, wenn später doch noch die Begründung eingeht. Vielmehr verhält es sich so, dass dann der verfrühte und nicht notwendige Antrag mit Einreichung der Berufungsbegründung jetzt als notwendig anzusehen ist.
3 III. Der Praxistipp
BGH bestätigt bisherige Rspr.
Der BGH bestätigt damit seine bisherige Rspr. (AGS 2014, 94 = MDR 2014, 57 = ZfSch 2014, 45 = AnwBl 2014, 92 = Rpfleger 2014, 103 = FamRZ 2014, 196 = JurBüro 2014, 79 = RVGreport 2014, 74 = BRAK-Mitt 2014, 39 = NJW-Spezial 2014, 125 = FF 2014, 130 = NJW-RR 2014, 185), wonach ein verfrühter Antrag auf Zurückweisung jedenfalls dann erstattungsfähig ist, wenn das Rechtsmittel nachträglich begründet wird. Für den Anwalt des Rechtsmittelgegners ist es gebührenrechtlich interessanter, den Antrag auf Zurückweisung sofort zu stellen, damit er notwendig und erstattungsfähig wird, wenn das Rechtsmittel noch begründet wird. Andererseits ist zu beachten, dass damit der Partei die Gelegenheit genommen wird, nach § 93 ZPO kostenbefreiend anzuerkennen, wenn sich nach Erlass des vorinstanzlichen Urteils die Sach- oder Rechtslage zugunsten des Gegners geändert hat.
AGKompakt 2/2015, S. 14