Einführung
Mit dem 2. KostRMoG ist die bisherige Nr. 1 des § 17 RVG zur Nr. 1a geworden, da eine neue Nr. 1 eingefügt worden ist. Inhaltliche Änderungen sind mit der neuen Nummerierung allerdings nicht verbunden. Gleichwohl gibt die Versetzung der Vorschrift Anlass, auf ihren Regelungsgehalt nochmals hinzuweisen.
I. Drei außergerichtliche Angelegenheiten
Die Vorschrift des § 17 Nr. 1a RVG bestimmt, dass das Verwaltungsverfahren und das Nachprüfungsverfahren zwei verschiedene Angelegenheiten darstellen.
Darüber hinaus wird aber auch klargestellt, dass ein Verfahren auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eine dritte außergerichtliche Angelegenheit ist.
Insgesamt drei Angelegenheiten
Der Anwalt kann seine Vergütung also in verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten (einschließlich sozial- und steuerrechtlichen Angelegenheiten) dreimal verdienen, nämlich
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im Verwaltungsverfahren (also im Verfahren auf Erlass des Ausgangsbescheids), |
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im Nachprüfungsverfahren (Widerspruchsverfahren nach § 68 VwGO oder § 78 SGG; Einspruchsverfahren nach § 347 AO) sowie |
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im behördlichen Verfahren auf Aussetzung oder Anordnung der sofortigen Vollziehung sowie über einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte Dritter (§ 80 Abs. 4 VwGO; § 86a Abs. 3 SGG; § 69 Abs. 3 FGO). |
Häufig wird gegen den Wortlaut des Gesetzes die Auffassung vertreten, das Eilverfahren vor der Behörde sei Teil des Nachprüfungsverfahrens und würde keine gesonderte Vergütung auslösen. Für den Bereich des Verwaltungsrechts hat dies das BVerwG bereits im Jahr 2012 entschieden (AGS 2012, 337 = Buchholz 450.1 § 16a WBO Nr. 4). Auch für die Sozialgerichtsbarkeit liegt zwischenzeitlich eine höchstrichterliche Entscheidung des BSG vor (AGS 2013, 519 = FEVS 65, 60 = info also 2013, 184 = RVGreport 2013, 393). Nichts anderes gilt auch in steuerrechtlichen Angelegenheiten.
Anordnung und Abänderung bzw. Aufhebung sind dieselbe Angelegenheit
Eine Angelegenheit bilden dagegen nach § 16 Nr. 5 RVG ein Anordnungsverfahren und ein nachfolgendes Abänderungs- oder Aufhebungsverfahren.
II. Anrechnung
Verfahren sind gesondert abzurechnen
Daraus, dass gesonderte Angelegenheiten mit gesonderten Geschäftsgebühren vorliegen, folgt auch, dass gesonderte Anrechnungen vorzunehmen sind. Die im Verwaltungs- oder Nachprüfungsverfahren angefallene Geschäftsgebühr ist nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV auf die Verfahrensgebühr des Hauptsacheverfahrens hälftig anzurechnen. Die im Eilverfahren (§ 80 Abs. 4 VwGO; § 86a Abs. 3 SGG; § 69 Abs. 3 FGO) entstandene Geschäftsgebühr ist dagegen auf ein eventuelles gerichtliches Eilverfahren (§ 80 Abs. 5 VwGO, § 86a Abs. 2 SGG; § 69 Abs. 2 FGO) hälftig anzurechnen. Eine Geschäftsgebühr in der Hauptsache kann dagegen niemals im Eilverfahren angerechnet werden; umgekehrt kann eine im Eilverfahren entstandene Geschäftsgebühr niemals im Hauptsacheverfahren angerechnet werden.
Ablaufschema
Dies lässt sich anschaulich an folgendem Ablaufdiagramm darstellen.
III. Gegenstandswert bei Wertgebühren
Gegenstandswert ist nur Bruchteil der Hauptsache
Da für die außergerichtliche Tätigkeit nach § 23 Abs. 1 S. 3 RVG der Wert gilt, der im Falle eines gerichtlichen Verfahrens gelten würde, richtet sich in den Eilverfahren vor den Verwaltungsbehörden folglich der Wert nach den für gerichtliche Eilverfahren vorgesehenen Werten.
In verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten des vorläufigen Rechtsschutzes berechnet sich der Gegenstandswert grundsätzlich nach der Hälfte des Hauptsachewerts und bei Geldforderungen nach einem Viertel der Geldforderung (Streitwertkatalog der Verwaltungsgerichtsbarkeit Nr. 1.5).
In steuerrechtlichen Verfahren ist von 10 % bzw. 25 % der Steuerforderung auszugehen (Streitwertkatalog der Finanzgerichtsbarkeit A 8).
IV. Gebührenbemessung in Sozialsachen
Rspr. nimmt geringere Gebühren an
Im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit gilt für die dortigen Rahmengebühren § 3 Abs. 2 RVG. Die Rechtsprechung geht hier i.d.R. von einem geringeren Gebührenbetrag aus, was jedoch unzutreffend ist.
V. Kostenerstattung
Nach h.M. keine Kostenerstattung
Während die Rspr. der Oberverwaltungsgerichte (OVG Magdeburg, Beschl. v. 2.12.2012 – 4 O 43/12; OVG Münster DÖV 2006, 1054 = NWVBl 2007, 29 = NVwZ-RR 2006, 856) und das BSG (AGS 2013, 519 = FEVS 65, 60 = info also 2013, 184 = RVGreport 2013, 393) eine Erstattung der im verwaltungsrechtlichen Eilverfahren entstandenen Kosten ablehnen, ist das BVerwG (AGS 2012, 337 = Buchholz 450.1 § 16a WBO Nr. 4) ohne nähere Begründung von einer selbstverständlichen Kostenerstattung ausgegangen. Diese Entscheidung wird leider zu wenig beachtet, da sie zu einem Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung ergangen ist, das sich aber nach den gewöhnlichen Vorschriften für Verwaltungsverfahren richtet. Hier dürfte das letzte Wort noch nicht gesprochen sein.
AGKompakt 5/2014, S. 51 - 52