§ 8 Abs. 3 InsO, § 4 Abs. 2 InsVV, Nr. 9002 GKG KV
Leitsatz
- Der Insolvenzverwalter hat im Rahmen einer Übertragung der Zustellung nach § 8 Abs. 3 InsO nur das Recht, ab der 11. von ihm bewirkten Zustellung im Rechtszug Zustellauslagen geltend zu machen.
- Dies gilt auch dann, wenn insgesamt mehr als 10 Zustellungen entstanden sind.
- Bei der Berechnung der Anzahl der Zustellungen bleiben für den Insolvenzverwalter die vom Insolvenzgericht selbst bewirkten Zustellungen außer Betracht.
AG Ludwigshafen, Beschl. v. 14.2.2022 – 3b IK 26/21 Lu
I. Sachverhalt
Auf Antrag der Schuldnerin vom 18.1.2021 hin hatte das Insolvenzgericht mit Beschl. v. 26.1.2021 das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet und einen Insolvenzverwalter ernannt. Als weitere Anordnung traf das Gericht die Entscheidung, den Insolvenzverwalter gem. § 8 Abs. 3 InsO mit der Zustellung des Eröffnungsbeschlusses an die Gläubiger und Schuldner der Schuldnerin zu beauftragen. Die Zustellung des Eröffnungsbeschlusses an die Schuldnerin hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle durch Aufgabe zur Post selbst bewirkt. Bei Festsetzung der Insolvenzverwaltervergütung wurden seitens des Insolvenzverwalters Zustellungskosten für 13 Gläubiger i.H.v. 38,67 EUR (13 x 2,50 EUR zzgl. Umsatzsteuer) in Ansatz gebracht. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts setzte hingegen die Zustellungskosten nur i.H.v. 12,50 EUR fest und wies i.Ü. den Antrag zurück.
Begründet wurde die Zurückweisung mit der Neuregelung des § 4 Abs. 2 InsVV, wonach seit 1.1.2021 ein einheitlicher Satz i.H.v. 3,50 EUR je erstattungsfähiger Zustellung (zzgl. Umsatzsteuer) zu gewähren sei, aber ein Anspruch auch erst ab der 11. Zustellung bestehe. Der Insolvenzverwalter argumentierte im Erinnerungswege, dass Nr. 9002 GKG KV sich nur auf Kosten, die Justizverwaltung gegenüber den Parteien eines gerichtlichen Verfahrens in Rechnung stellen könne, beziehe. Insoweit werde davon ausgegangen, dass zehn Zustellungen von den allgemeinen Gerichtsgebühren abgegolten seien. Die Situation sei indes bei einer Kostenerstattung für den Insolvenzverwalter im Rahmen des § 4 InsVV eine gänzlich andere, da dieser als Dritter mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben beauftragt worden sei. Auch sei fraglich, ob der Anwendungsbereich der Pauschalregelung im GKG KV überhaupt eröffnet sei, wenn diese nur neben streitwertbezogenen Gebühren erfolgen könne, sich die Insolvenzverwaltervergütung aber nach dem Wert der Insolvenzmasse richte. Die Verweisung in § 4 Abs. 2 S. 2 InsVV richte sich mithin lediglich auf die Höhe der Pauschale von 3,50 EUR je Zustellung. Das AG Ludwigshafen folgte der Ansicht nicht und wies die Erinnerung zurück.
II. Neuregelung zum 1.1.2021
Mit Wirkung zum 1.1.2021 ist § 4 Abs. 2 InsVV durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) v. 22.12.2020 (BGBl I, 3256) dahingehend angepasst worden, dass hinsichtlich der Höhe der Zustellauslagen eine Bezugnahme auf Nr. 9002 GKG KV etabliert wurde. Auf das Verfahren des AG Ludwigshafen finden danach Vorschriften der InsVV in der Fassung vom 22.12.2020 (BGBl I 2020, 3328) Anwendung, da der Insolvenzantrag nach dem 1.1.2021 gestellt worden ist.
III. Befristete Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG
Das Insolvenzgericht setzt die Vergütung und die zu erstattenden Auslagen des Insolvenzverwalters durch Beschluss fest. Gegen den Beschluss steht dem Verwalter, dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger die sofortige Beschwerde zu, wobei nach § 567 Abs. 2 ZPO der Beschwerdewert erreicht sein muss, sodass im entschiedenen Fall mangels Rechtsmittel die Ausnahmereglung des § 11 Abs. 2 RPflG greift.
IV. Anspruch auf Zustellauslagen besteht erst ab der 11. Zustellung
Der Insolvenzverwalter hat im Rahmen einer Übertragung der Zustellung nach § 8 Abs. 3 InsO lediglich einen Anspruch auf Festsetzung der Zustellungsauslagen ab der 11. von ihm bewirkten Zustellung im Rechtszug (§ 4 Abs. 2 S. 2 InsVV i.V.m. Nr. 9002 GKG KV). Die Anordnung der entsprechenden Anwendung von Nr. 9002 GKG KV in § 4 Abs. 2 S. 2 InsVV umfasst nach Ansicht des AG Ludwigshafen auch die Regelung, wonach die Zustellungspauschale nur erhoben wird, soweit mehr als 10 Zustellungen anfallen (AG Hamburg ZVI 2022, 86, 87; AG Dresden, Beschl. v. 24.1.2022 – 549 IK 920/21, juris Rn 9; AG Norderstedt, Beschl. v. 21.12.2021 – 65 IK 27/21, juris Rn 12 ff.). § 4 Abs. 2 InsVV enthalte – so das Gericht – keine gesetzliche Beschränkung, wonach eine Anwendbarkeit der Nr. 9002 GKG KV nur der Höhe nach gelten solle. Nach Ansicht des AG Ludwigshafen finde Nr. 9002 GKG KV uneingeschränkt Anwendung. Daran ändere auch nichts, dass Nr. 9002 GKG KV im Grunde für streitwertbezogene Gebühren konzipiert sei und nicht nur das System der Berechnungsgrundlage, wie es in der Vergütung des Insolvenzverwalters vorherrsche, denn § 4 Abs. 2 S. 2 InsVV spreche ausdrücklich nur von einer "entsprechenden," aber nicht von einer direkten Anwendung.
V. Wille des Gesetzgebers zum Abzug
Im Rahmen des SanInsFoG ergebe sich eindeutig der gesetzgeberische Wille aus der Historie der Rechtsentwicklung, eine entsprechende Anwendung von Nr. 9002 GKG KV "inklusive" Abzugs der ersten 10 Zustellungen vornehmen zu wolle...