Teilweise werde die Ansicht vertreten, die rückwirkende Beiordnung sei jedenfalls dann zulässig, wenn der Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers rechtzeitig vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens gestellt werde, die Voraussetzungen für eine Beiordnung nach § 140 StPO gegeben seien und die Entscheidung aus allein in der Sphäre der Justiz liegenden Gründen nicht vor Verfahrensabschluss erfolge. Dies ergebe sich aus Art. 4 Abs. 1 der PKH-Richtlinie, wonach Verdächtige und beschuldigte Personen, die nicht über ausreichende Mittel zur Bezahlung eines Rechtsbeistandes verfügten, ein Anspruch auf PKH zustehe, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich sei. PKH bedeute in diesem Zusammenhang die Bereitstellung finanzieller Mittel für die Unterstützung durch einen Rechtsbeistand, sodass das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand wahrgenommen werden könne (Art. 3 PKH-Richtlinie). Geregelt sei nunmehr also, dass nicht nur die tatsächliche Verteidigung, sondern auch die Bezahlung des Rechtsbeistands gesichert werden solle. Ziel und Zweck der Regelung sei eine effektive Unterstützung und Absicherung der Verfahrensbeteiligten. Dieser Zweck würde unterlaufen, wenn eine Pflichtverteidigerbestellung nur deswegen versagt werden könne, weil über den Antrag nicht vor Abschluss des Verfahrens entschieden worden sei. Nicht ohne Grund habe der Gesetzgeber in § 141 Abs. 1 S. 1 StPO das Unverzüglichkeitsgebot geschaffen. In der Vorschrift komme der besondere Beschleunigungsbedarf zum Ausdruck, den der Gesetzgeber für eine Pflichtverteidigerbestellung sehe. Auch ein Vergleich mit den Regelungen bzgl. der Bewilligung von PKH spreche für die Möglichkeit einer rückwirkenden Beiordnung. So komme nach § 397a Abs. 2 StPO bzw. § 404 Abs. 5 S. 1 StPO, § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO eine rückwirkende Bewilligung von PKH nach Abschluss der kostenverursachenden Instanz zwar grds. nicht in Betracht. Etwas anderes gelte aber für den Fall, dass vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens ein Bewilligungsantrag mit den erforderlichen Unterlagen gestellt worden sei, der nicht bzw. nicht vorab verbeschieden worden sei und der Antragsteller mit seinem Antrag bereits alles für die Bewilligung der PKH Erforderliche getan habe (BGH, Beschl. v. 18.3.2021 – 5 StR 222/20, AGS 2021, 232). Gründe, einen Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers anders zu behandeln als einen Antrag auf Bewilligung von PKH, seien nicht ersichtlich (OLG Bamberg, Beschl. v. 29.4.2021 – 1 Ws 260/21; OLG Nürnberg, Beschl. v. 6.11.2020 – Ws 962/20).