KostO § 30 Abs. 2
Leitsatz
Die Bedeutung eines mit einem zweijährigen Umgangsausschluss endenden Umgangsverfahrens für alle Beteiligten, der durch die Persönlichkeitsstörung der Eltern bedingte Arbeitsaufwand für die Verfahrensbevollmächtigten und das Gericht, die Befassung mit einem Sachverständigengutachten und die erschwerten Kommunikationsmöglichkeiten durch sprachliche Barrieren rechtfertigen die Festsetzung eines Gegenstandswertes für das Umgangsverfahren von 6.000,00 EUR.
OLG Hamburg, Beschl. v. 4.12.2009–12 WF 216/09
Aus den Gründen
Die gem. § 68 Abs. 1 S. 2 GKG zulässigen Beschwerden sind begründet.
Auf sie ist gem. Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG das bis 31.8.2009 geltende Recht anzuwenden.
Die Gesamtumstände der Sache rechtfertigen eine Festsetzung des Streitwerts abweichend vom Regelwert des § 30 Abs. 2 S. 1 KostO gem. § 30 Abs. 2 S. 2 KostO auf 6.000,00 EUR.
Dabei ist zunächst die erhebliche Bedeutung der Sache, die mit einem zweijährigen Umgangsausschluss abgeschlossen worden ist, für alle Beteiligten zu berücksichtigen. Weiter ist davon auszugehen, dass die Tatsache, dass bei beiden Elternteilen Persönlichkeitsstörungen unterschiedlicher Ausprägung vorliegen, mit einem besonderen Arbeitsaufwand für die Prozessbevollmächtigten – und das Gericht – verbunden ist, insbesondere im Hinblick auf deren Befassung mit dem Gutachten des Sachverständigen Dr. L. Hinzu kommen auf Seiten des Vaters die erschwerten Kommunikationsmöglichkeiten aufgrund der sprachlichen Barriere.
Insgesamt ist die Sache daher als überdurchschnittlich anzusehen, so dass nach Lage des Falles der Wert auf 6.000,00 EUR festzusetzen und der Beschluss des FamG entsprechend abzuändern ist.
Anmerkung
Für vor dem 1.9.2009 eingeleitete Umgangsverfahren gilt die Wertvorschrift des § 30 Abs. 2 KostO. Danach ist in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte im Wege der Schätzung der Wert des Verfahrens mit 3.000,00 EUR festzusetzen (§ 30 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 KostO). Nach § 30 Abs. 2 S. 2 KostO kann dieser Regelwert nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000,00 EUR angenommen werden. Dass nach § 30 Abs. 2 S. 2 KostO eine Herauf- und Herabsetzung des Regelwertes in Betracht kommt, wird häufig weder durch die Gerichte noch durch die beteiligten Anwälte beachtet und die Festsetzung des Regelwertes beanstandungslos hingenommen, obgleich gerade streitige Umgangsverfahren regelmäßig Umstände und Entwicklungen mit sich bringen, die eine Erhöhung des Geschäftswertes rechtfertigen.
Die Entscheidung des OLG ist deshalb zu begrüßen, zumal die Vielzahl der berücksichtigten Kriterien – Umgangsausschluss, Persönlichkeitsstörung der Elternteile, Auseinandersetzung mit einem Sachverständigengutachten und sprachliche Barrieren – Bewertungsmaßstäbe auch für die seit dem 1.9.2009 geltenden Wertvorschriften sein können. Auch das seit dem 1.9.2009 in Kraft getretene FamGKG enthält einen Auffangwert. § 42 Abs. 2 FamGKG entspricht nahezu dem Wortlaut des § 30 Abs. 2 KostO. Allerdings hat der Gesetzgeber auch für Kindschaftssachen, die nicht im Verbund mit der Scheidung verhandelt werden, eine eigene Wertvorschrift in § 45 FamGKG eingeführt und den bisherigen Regelwert für Umgangssachen normiert (§ 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG). Nach § 45 Abs. 3 FamGKG kommt auch weiterhin die Festsetzung eines höheren oder niedrigeren Wertes in Betracht und zwar dann, wenn die Festsetzung des Regelwertes unbillig wäre. Nach der Begründung des Gesetzgebers (BT-Drucks 16/6308, S. 306) ist Unbilligkeit beispielsweise dann anzunehmen, wenn das Verfahren besonders umfangreich und schwierig ist. Aber wann ist das der Fall? Der abstrakten und wenig hilfreichen Gesetzesbegründung verleiht das OLG praxisrelevante Orientierung. Wegen weiterer, für eine Heraufsetzung des Verfahrenswertes sprechender Kriterien ist auch die umfangreiche Darstellung in Schneider/Herget, Rn 5313 ff., heranzuziehen.