GKG § 38; ZPO §§ 85 Abs. 2, 282 Abs. 1; ArbGG § 56 Abs. 2
Leitsatz
Die Verhängung einer Verzögerungsgebühr ist gerechtfertigt, wenn eine Partei im Verhandlungstermin "in die Säumnis flieht", um der gem. § 56 Abs. 2 ArbGG drohenden Zurückweisung verspäteten Vorbringens zu entgehen.
LAG Hessen, Beschl. v. 24.2.2009–13 Ta 586/08
Sachverhalt
Im Gütetermin gab das ArbG der Klägerin durch einen Hinweis- und Auflagenbeschluss auf, zu bestimmten konkret benannten tatsächlichen Gesichtspunkten bis 19.6.2008 ergänzend vorzutragen. Zugleich wurde Kammertermin auf den 31.7.2008 bestimmt. Auf Antrag der Klägerin wurde die Frist dann bis zum 24.6.2008 verlängert. Am 24.6.2008 ging dann ein Schriftsatz der Klägerin ein, am 30.7.2008 ein weiterer, datiert auf den 24.6.2008. Im Kammertermin vom 31.7.2008 wies die Kammervorsitzende darauf hin, dass der Vortrag aus dem letztgenannten Schriftsatz möglicherweise verspätet sein könnte. Die Klägerin stellte deshalb keinen Antrag. Auf Antrag der Beklagten erging sodann ein klageabweisendes Versäumnisurteil mit einem Gegenstandswert von 17.485,01 EUR. Die Klägerin legte nach Zustellung am 13.8.2008 unter dem 20.8.2008 hiergegen Einspruch ein. Das ArbG bestimmte darauf Termin zur Verhandlung über den Einspruch und die Hauptsache auf den 9.10.2008. Dieser Termin wurde dann aus innerdienstlichen Gründen verlegt auf den 23.10.2008. Am Ende dieses Termins verkündete das ArbG dann ein Urteil, mit dem das Versäumnisurteil vom 31.7.2008 aufrechterhalten wurde.
Durch Beschluss vom 21.8.2008 verhängte das ArbG gegenüber der Klägerin nach deren Anhörung eine Verzögerungsgebühr in Höhe von 265,00 EUR wegen der im Termin vom 31.7.2008 erfolgten "Flucht in die Säumnis". Der Beschluss wurde der Klägerin am 1.9.2008 zugestellt. Am 15.9.2008 legte die Klägerin Beschwerde ein mit dem Hinweis, es sei "legitim, vorliegend einen Geschäftsführerwechsel vorzubereiten".
Das ArbG hat der Beschwerde durch Beschluss vom 29.9.2008 nicht abgeholfen und die Sache dem LAG zur Entscheidung vorgelegt. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen
Zu Recht hat das ArbG der Klägerin eine Verzögerungsgebühr gem. § 38 GKG in Höhe von 265,00 EUR auferlegt.
Die Voraussetzungen für die Verhängung einer Verzögerungsgebühr lagen vor. Durch Verschulden der Klägerin war die Anberaumung eines neuen Termins notwendig, weil die Klägerin im Kammertermin vom 31.7.2008 aus Furcht vor der Zurückweisung ihres Vortrags aus dem Schriftsatz vom 24.7.2008 keinen Antrag gestellt, die "Flucht in die Säumnis" angetreten und danach gegen das erlassene Versäumnisurteil Einspruch eingelegt hat, was zu einem neuen Termin am 23.10.2008 führte.
Die Klägerin hat erst einen Tag vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 31.7.2008 neuen Sachvortrag in dem Prozess eingeführt, obwohl sie diesen Sachvortrag bei Beachtung der ihr obliegenden Prozessförderungspflicht (§ 282 Abs. 1 ZPO) und der gerichtlichen Auflage (§ 56 Abs. 2 ArbGG) früher hätte halten können und müssen. Nachvollziehbare Entschuldigungsgründe sind nicht vorgetragen.
Das Verhalten der Klägerin bzw. ihres Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) war auch allein ursächlich für die Anberaumung des neuen Termins.
Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass bei einer "Flucht in die Säumnis" die Verhängung einer Verzögerungsgebühr nicht statthaft sei.
§ 38 GKG kommt auch dann zur Anwendung, wenn eine Partei von der Möglichkeit Gebrauch macht, in die Säumnis zu fliehen (streitig; ebenso OLG Celle NJW-RR 2007, 1726; Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 296 Rn 40; Deubner, JuS 2008, 508; Beckmann, MDR 2004, 430; a.A. LAG Hamm DB 2001, 1424; OLG Hamm NJW-RR 1995, 1406; Baumbach/.../, ZPO, 66. Aufl. 2008, § 342 Rn 4; Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, GKG-JVEG, 2007, § 38 GKG Rn 6; unklar Hartmann, KostG, 38. Aufl. 2008, § 38 GKG Rn 12; Oestreich/Winter/Hellstab, GKG, Stand Dezember 2008, § 38 Rn 7). Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift hängt allein davon ab, ob das schuldhafte Verhalten einer Parteien die Anberaumung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung nötig gemacht hat oder nicht. Ein solcher Fall ist aber auch dann gegeben, wenn eine Partei nach Hinweis des Gerichts auf die eventuelle Verspätung des Sachvortrags die "Flucht in die Säumnis" antritt. Entgegen de Ansicht des Oberlandesgerichts Hamm (a.a.O.) kann dem Wortlaut der Vorschrift keine Einschränkung dahingehend entnommen werden, dass im Fall der Säumnis die Verhängung einer Verzögerungsgebühr ausscheide. Dagegen spricht bereits die im § 38 Abs. 1 S. 1 genannte Ausnahmeregelung für die Fälle des § 335 ZPO. Durch die Bezugnahme auf die Vorschriften für das Versäumnisurteil und die Bestimmung einer Ausnahmeregelung für die Fälle des § 335 ZPO folgt im Umkehrschluss, dass die Regelung grundsätzlich auch für den Fall gilt, dass nach einem Versäumnisurteil ein Einspruch eingelegt wird (OLG Celle a.a.O., Beckmann a.a.O.).
Der Verhängung der Verzögerungsgebühr steht auch nicht entgegen, dass die Partei mit der "Flucht in die Säumnis" von einer gesetzlich ...