BerHG §§ 2 Abs. 2, 1 Abs. 2, 1 Abs. 1 Nr. 3
Leitsatz
- Bei mehreren in zeitlicher Nähe zueinander erfolgten Abmahnungen wegen illegaler Downloads aus dem Internet ist auch dann von einer einheitlichen Angelegenheit i.S.d. § 2 Abs. 2 BerHG auszugehen, wenn in beiden Verfahren unterschiedliche Rechtsprobleme zu beantworten sind und wenn der Rechtsanwalt mehrere Schreiben fertigen muss. Unerheblich ist auch, ob die Abmahnungen von zwei verschiedenen Rechtsanwälten bzw. zwei verschiedenen Rechteinhabern stammen.
- Jedenfalls dann, wenn die von dem Rechtsanwalt in beiden Fällen gefertigten Schreiben nahezu wortgleich sind, steht dem Rechtsuchenden im zweiten Verfahren die Selbstvertretung als andere zumutbare Möglichkeit für eine Hilfe i.S.d. des § 1 Abs. 2 BerHG zur Verfügung, weil der Rechtsuchende aus dem ersten Verfahren um die Rechtslage wusste.
- In derartigen Fällen liegt bei weiteren Beratungshilfeanträgen auch die Annahme von Mutwillen (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 BerHG) nahe.
AG Halle (Saale), Beschl. v. 9.3.2011 – 103 II 6314/10
1 Aus den Gründen
Die Erinnerung ist zulässig gem. § 6 Abs. 2 BerHG i.V.m. §§ 11 Abs. 2, 24a RPflG. Die Erinnerung ist aber nicht begründet.
Die vorliegende Sache ist die gleiche Angelegenheit i.S.d. § 2 Abs. 2 BerHG wie die Sache 103 II 5532/10, in welcher der Antragstellerin bereits Beratungshilfe gewährt worden ist.
Im vorliegenden Fall betreffen beide Verfahren Abmahnungen, die die Antragstellerin wegen Downloads aus dem Internet bekommen hat. Es geht also in beiden Fällen um die gleiche Rechtsmaterie. Beide Abmahnungen erfolgten in zeitlicher Nähe zueinander. Daher ist auch dann von einer einheitlichen Angelegenheit auszugehen, wenn in beiden Verfahren unterschiedliche Rechtsprobleme zu beantworten sind und wenn der Rechtsanwalt mehrere Schreiben fertigen muss. Unerheblich ist auch, dass vorliegend die Abmahnungen von zwei verschiedenen Rechtsanwälten bzw. zwei verschiedenen Rechteinhabern stammen. In derartigen Fällen ist vom Vorliegen von nur einer Angelegenheit auszugehen (Beschl. d. Gerichts v. 21.1.2011 – 103 II 6668/10).
In einer aktuellen Entscheidung (Urt. v. 19.10.2010 – VI ZR 237/09, NJW 2011, 155 ff. [= AGS 2010, 590]), ebenfalls aus dem Bereich des Urheberrechts, hat der BGH klargestellt, dass für die Annahme einer Angelegenheit auch dann gesprochen werden kann, wenn der Rechtsanwalt verschiedene Prüfungsaufgaben zu erfüllen bzw. verschiedene voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen hat. Unter Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinn ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll, wobei eine Angelegenheit durchaus mehrere Gegenstände umfassen kann (BGH a.a.O.). Weiter hat der BGH klargestellt, dass ein – für die Annahme einer Angelegenheit erforderlicher – innerer Zusammenhang zu bejahen sei, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrages erstrebten Erfolges zusammengehören (BGH a.a.O.). Es kommt auch nicht darauf an, ob die einzelnen Tätigkeiten des Anwalts ein eigenes rechtliches Schicksal haben können (BGH a.a.O.). Auch dies zeigt, dass von nur einer Angelegenheit auszugehen ist.
Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall in beiden Fällen die von der Rechtsanwältin gefertigten Schreiben nahezu wortgleich sind. Dies spricht zum einen ebenfalls für das Vorliegen von nur einer Angelegenheit i.S.d. § 2 Abs. 2 BerHG. Zum anderen zeigt dies aber auch, dass für die Antragstellerin eine andere zumutbare Möglichkeit für eine Hilfe i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG bestand, nämlich die Möglichkeit einer Selbstvertretung. Die Möglichkeit, seine Rechte selbst angemessen wahrzunehmen, stellt eine andere zumutbare Möglichkeit für eine Hilfe i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG dar (Beschl. d. Gerichts v. 14.1.2011- 103 II 5827/10, veröffentlicht bei juris). Aus dem vorangegangenen Verfahren wusste die Antragstellerin genau Bescheid über die Rechtslage. Sie hätte bloß das von der Rechtsanwältin in der Sache 103 II 5532/10 gefertigte Schreiben abschreiben und die Daten entsprechend anpassen müssen. Anwaltliche Beratung und Hilfe war nicht mehr nötig.
Im Übrigen ist die Wahrnehmung der Rechte auch mutwillig i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 3 BerHG. Jemand, der seine Anwaltskosten selbst bezahlen müsste, würde nicht wegen der weiteren Abmahnung in einem Parallelfall erneut einen Rechtsanwalt beauftragen, sondern aufgrund der ihm bei der ersten Abmahnung durch den Rechtsanwalt zuteil gewordenen Rechtsberatung in den weiteren Verfahren die Angelegenheit selbst klären. Hinzu kommt, dass es vorliegend insgesamt um nicht weniger als zwölf Abmahnungen unterschiedlicher Rechteinhaber (Az. 103 II 5532/10, 103 II 533/10, 103 II 5534/10, 103 II 5535/10, 103 II 5536/10, 103 II 5537/10, 103 II 5560/10, 103 II 5980/10, 103 II 5979/10, 103 II 5978/10, 103 II 5740/10, 103 II 6314/10) geht. Kein vernünftiger Selbstzahler würde in so einem Fall einem Rechtsanwalt zwölf Aufträge erteilen, weil die hier...