Leitsatz
Vertritt der Anwalt im Widerspruchsverfahren gegen die Ablehnung einer Mutter-Kind-Kur sowohl die Mutter als auch die Kinder, erhält er eine nach Nr. 1008 VV erhöhte Geschäftsgebühr.
SG Freiburg (Breisgau), Urt. v. 30.4.2015 – S 11 KR 4234/14
1 Sachverhalt
Die Beklagte hatte einen Antrag auf Gewährung einer Mutter-Kind-Kur abgelehnt. Im Widerspruchsverfahren zeigte der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Vertretung der Klägerin 1) sowie der Kläger 2–4) an. Nach Eingang der Widerspruchsbegründung gewährte die Beklagte mit an die Klägerin 1) gerichtetem Bescheid "die Mutter-Kind-Maßnahme für Sie und Ihre Kinder".
Daraufhin beantragte der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Erstattung von insgesamt 712,22 EUR für die Vertretung im Widerspruchsverfahren. Dabei legte er die Geschäftsgebühr (vier Auftraggeber) nach Nrn. 2302, 1008 VV, die Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 VV von 8,50 EUR, die Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV von 20,00 EUR sowie die sich hieraus ergebende Umsatzsteuer zugrunde.
Die Beklagte gewährte jedoch die Erstattung von Kosten nur i.H.v. 390,92 EUR. Dabei gewährte sie die Geschäftsgebühr i.H.v. 300,00 EUR, die beantragte Post- und Telekommunikationspauschale sowie die Dokumentenpauschale und die sich hieraus ergebende Umsatzsteuer. Die Mehrfachvertretungsgebühr nach Nr. 1008 VV lehnte sie mit der Begründung ab, bei einer stationären Mutter-Kind-Maßnahme sei Auftraggeber immer nur die Mutter. Kinder würden zusammen mit dem Elternteil als Einheit angesehen und hätten demzufolge auch keinen eigenen Leistungsanspruch auf eine Mutter-Kind-Maßnahme. Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch wies die Beklagte zurück.
Deswegen haben die Kläger Klage erhoben. Zur Begründung machen sie geltend, es entspreche der h.M. in der Rspr., dass in Fällen der Mutter-Kind-Kur regelmäßig neben der Mutter auch die Kinder Auftraggeber, Betroffene und Widerspruchsberechtigte seien. Deshalb falle die Mehrvertretungsgebühr an.
2 Aus den Gründen
Die Klage ist zulässig. Sie ist auch begründet. Die Beklagte ist zur Erstattung weiterer 321,30 EUR verpflichtet.
Nach Nr. 2302 VV beträgt die Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen – wie vorliegend (§ 3 RVG) – im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen, 50,00 bis 640,00 EUR. Eine Gebühr von mehr als 300,00 EUR kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war (Anm. zu Nr. 2302 VV). Nach Nr. 1008 VV erhöht sich, wenn Auftraggeber mehrere Personen sind, die Verfahrens- oder Geschäftsgebühr für jede weitere Person. Bei Betragsrahmengebühren erhöht sich der Mindest- und Höchstbetrag um 30 %. Im Falle der Anm. zu den Gebühren Nr. 2300 und 2302 VV erhöht sich der Gebührensatz oder Betrag dieser Gebühren nach Anm. Abs. 4 zu Nr. 1008 VV entsprechend.
Die Gebühr nach Nr. 1008 VV fällt damit dann an, wenn der Rechtsanwalt – wie vorliegend – von mehreren Personen beauftragt worden ist. Nicht Voraussetzung ist, dass der geltend gemachte Anspruch tatsächlich auch allen Auftraggebern zusteht. Zu erstatten sind die Kosten eines Widerspruchsverfahrens jedoch nur, soweit der Widerspruch erfolgreich gewesen ist (§ 63 Abs. 1 S. 1 SGB X). Im Falle einer Mehrfachvertretung ist damit die Verpflichtung zur Kostenerstattung davon abhängig, inwieweit der im Widerspruchsverfahren streitgegenständliche Anspruch auch den weiteren Auftraggebern zugestanden hat.
Danach ist die Beklagte zur Erstattung der geltend gemachten, nach Nr. 1008 VV erhöhten Gebühren verpflichtet. Nach § 41 Abs. 1 S. 1 SGB V haben Versicherte unter den in § 27 Abs. 1 SGB V genannten Voraussetzungen Anspruch auf aus medizinischen Gründen erforderliche Rehabilitationsleistungen in einer Einrichtung des Müttergenesungswerks oder einer gleichartigen Einrichtung; die Leistung kann in Form einer Mutter-Kind-Maßnahme erbracht werden. S. 1 gilt auch für Vater-Kind-Maßnahmen in dafür geeigneten Einrichtungen (§ 41 Abs. 1 S. 2 SGB V). Nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm ist damit der Anspruch an den Versichertenstatus geknüpft. Der Anspruch ist nach seinem Wortlaut nicht auf Versicherte, die Mütter oder Väter sind, beschränkt. Anspruchsberechtigte können damit auch nach § 10 SGB V mitversicherte Kinder sein (vgl. Noftz, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 41 Rn 9, m.w.N.). Ein Anspruch kann auch dann bestehen, wenn nur das Kind in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist (vgl. auch Brandts, in: Kasseler Kommentar, § 41 SGB V Rn 10, m.w.N.).
Danach stand der im Widerspruchsverfahren streitgegenständliche Anspruch neben der Klägerin 1) auch den Klägern 2–4) zu. Auch für diese Widerspruchsführer sind deshalb die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten, weil dieses erfolgreich war.
AGS, S. 378