FamFG § 78; ZPO § 127
Leitsatz
- In einem Verfahren der einstweiligen Anordnung über Umgang ist die sofortige Beschwerde eines Beteiligten gegen die unterlassene Beiordnung eines Rechtsanwaltes im Verfahrenskostenhilfeverfahren statthaft und zulässig.
- Die verfahrensrechtlichen Besonderheiten einer einstweiligen Anordnung, die Betroffenheit mehrerer Kinder in unterschiedlichen Altersstufen und die fehlende Möglichkeit der Inanspruchnahme professioneller Hilfe durch das Jugendamt (vgl. § 18 Abs. 3 S. 3 SGB VIII) können für die Erforderlichkeit zur Beiziehung eines Rechtsanwalts sprechen.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.1.2017 – 13 WF 11/17
1 Sachverhalt
Die Antragsgegnerin, der das AG Verfahrenskostenhilfe für ein einstweiliges Anordnungsverfahren in einer Umgangssache bewilligt hat, wendet sich gegen die Verweigerung der Beiordnung eines Rechtsanwalts.
2 Aus den Gründen
1. Die Beschwerde ist nach § 76 Abs. 2 FamFG, §§ 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO statthaft. Wird die Beiordnung eines Rechtsanwalts vom Gericht abgelehnt, ist dagegen die sofortige Beschwerde statthaft, auch wenn die Entscheidung im zugehörigen Hauptsacheverfahren (hier: einstweilige Anordnung über Umgang) nicht anfechtbar ist (vgl. BGH FamRZ 2011, 1138). Sie ist auch im Übrigen zulässig, denn die Verfahrenskostenhilfepartei kann sich auch gegen die fehlende Beiordnung eines Rechtsanwalts beschweren (vgl. BeckOK ZPO/Kratz, ZPO § 127 Rn 21).
2. Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Die Voraussetzungen einer Beiordnung nach § 78 Abs. 2 FamFG liegen vor. Nach höchstrichterlicher Rspr. (BGHZ 186, 70 [= AGS 2010, 446]), der der Senat folgt, ist entscheidend, ob ein bemittelter Rechtsuchender in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte. Geboten ist eine einzelfallbezogene Prüfung, wobei sich das Verfahren für einen Beteiligten auch allein wegen einer schwierigen Sachlage oder allein wegen einer schwierigen Rechtslage so kompliziert darstellen kann, dass auch ein bemittelter Beteiligter einen Rechtsanwalt hinzuziehen würde, sich die Erforderlichkeit zur Beiziehung eines Rechtsanwalts auch nach den subjektiven Fähigkeiten des betroffenen Beteiligten beurteilt und eine anwaltliche Vertretung anderer Beteiligter unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit ein weiteres Kriterium für die Erforderlichkeit zur Beiordnung eines Rechtsanwalts wegen der Schwierigkeiten der Sach- oder Rechtslage sein kann.
Hier hat das AG, indem es ohne mündliche Verhandlung und dem anwaltlichen Vortrag des Antragstellers folgend durch Beschl. v. 7.12.2016 einen vollstreckbaren Umgangstitel gegen die Antragsgegnerin geschaffen hatte, die Antragsgegnerin schon in eine verfahrensrechtlich bereits überdurchschnittlich schwierige Lage versetzt. Die objektiven Schwierigkeiten der Antragsgegnerin wurden nun nochmals gesteigert, da ihr der Beschluss erst am 9.12.2016 zugestellt wurde und die Herausgabepflicht bereits zum 23.12.2016 angeordnet war. In Ansehung der damit verbundenen besonderen Dringlichkeit liegt es nahe, dass auch ein bemittelter Rechtsuchender vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte, zumal es im einstweiligen Verfahren wegen der dortigen Begrenzungen der Zeit und der Erkenntnismöglichkeiten innerhalb des Verfahrens in besonderem Maße auf zutreffenden Vortrag und verfahrensrechtlich fehlerfreies Verhalten ankommt und hier darüber hinaus mit ganz überdurchschnittlich kurzen Reaktionszeiten zu rechnen war.
Abgesehen von den verfahrensrechtlich überdurchschnittlichen Schwierigkeiten, denen sich die Antragsgegnerin gegenübergestellt sehen musste, war auch die Sachlage überdurchschnittlich schwierig. Der Beschluss betraf unterschiedslos vier Kinder in einer Altersspanne von 10 bis einem Jahr, so dass eine Vielzahl von je nach Altersstufe unterschiedlich zu gewichtenden Aspekten des Kindeswohls, allen voran Vertrautheit, Bindung und Belastbarkeit des jeweiligen Kindes, zu berücksichtigen und – nachdem das AG Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 16.12.2016 anberaumt hatte – in außerordentlich kurzer Zeit strukturiert und vollständig geltend zu machen waren. Auch insoweit hätte sich ebenfalls für einen bemittelten Rechtssuchenden vernünftigerweise die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Wahrnehmung seiner Interessen unabweisbar aufgedrängt.
Hinzu tritt, dass der Antragsgegnerin andere professionelle Hilfen, namentlich eine Beratung und Unterstützung bei der Ausübung des Umgangsrechts durch das Jugendamt (§ 18 Abs. 3 S. 3 SGB VIII), nicht offen stand, wie sich schon aus der Antragsschrift ergab.
AGS 10/2017, S. 481