GKG-KostVerz. Nr. 1900
Leitsatz
Die Vergleichsgebühr Nr. 1900 GKG-KostVerz. für den Mehrwert eines gerichtlichen Vergleichs entsteht grundsätzlich nicht, wenn nur ein anderweitiges, vor einem deutschen Gericht anhängiges Verfahren, für welches nach den Kostengesetzen eine eigene, das dortige Verfahren insgesamt abgeltende Verfahrensgebühr angefallen ist, miterledigt wird.
LG Mannheim, Beschl. v. 30.7.2013 – 7 O 149/12
1 Sachverhalt
In einem Rechtsstreit vor dem LG hatten die Parteien einen die Klage abgeltenden und ein weiteres vor dem LG München I anhängiges Verfahren erledigt. Mit Beschluss setzte die Kammer den Streitwert im Rechtsstreit auf 30.000.000,00 EUR und den Vergleichsmehrwert im Hinblick auf das erledigte Verfahren vor dem LG München I auf 1.000.000,00 EUR fest.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle als Kostenbeamtin fertigte daraufhin folgenden Kostenansatz:
Nr. 1210, 1211: Verfahrensgebühr aus 30.000.000,00 EUR |
91.456,00 EUR |
Nr. 1900 GKG-KostVerz.: Vergleichsgebühr aus 1.000.000,00 EUR |
1.114,00 EUR |
Gesamt |
92.570,00 EUR |
und veranlasste die Zurückzahlung der hiernach nicht zum Soll gestellten Kosten.
Die Klägerin beanstandet unter Verweis auf § 36 Abs. 3 GKG und eine Entscheidung des OLG Köln, Beschl. v. 22.4.2010, NJW-RR 2010, 1512 [= AGS 2010, 337] den Ansatz der Vergleichsgebühr.
Auf die als Erinnerung gegen den Kostenansatz gewertete Eingabe hat die Kostenbeamtin den Kostenansatz überprüft und ohne eigene Abänderung die Akten zur Überprüfung im Verwaltungsweg der Bezirksrevisorin übersandt. Nach Überprüfung des Kostenansatzes erachtet die Bezirksrevisorin unter Bezugnahme auf die Entscheidung des OLG München, Beschl. v. 10.12.2008 – 11 W 2504/08 [= AGS 2009, 491] die Erinnerung als unbegründet.
2 Aus den Gründen
Die gegen die Erhebung einer Vergleichsgebühr i.H.v. 1.114,00 EUR gerichtete Erinnerung gegen den Kostenansatz hat in der Sache Erfolg. Die Erhebung einer Vergleichsgebühr ist vorliegend unzulässig.
Gem. § 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1900 GKG-KostVerz. entsteht als besondere Gebühr für den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs eine 0,25-Vergleichsgebühr, "soweit der Wert des Vergleichsgegenstands den Wert des Verfahrensgegenstands übersteigt". Wird – wie vorliegend – ein anderweitiges, vor einem deutschen Gericht anhängiges Verfahren, für welches nach den Kostengesetzen eine eigene, das dortige Verfahren insgesamt abgeltende Verfahrensgebühr angefallen ist, in einem Prozessvergleich mit erledigt, entsteht insoweit eine gesonderte Vergleichsgebühr in dem Verfahren des Vergleichsschlusses grundsätzlich nicht. Die Kammer folgt in dieser Konstellation der in der Lit. vertretenen Auffassung (vgl. Zimmermann, in: Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, GKG, 2. Aufl. 2009, GKG-KostVerz. Nr. 1900 Rn 12; Hartmann, KostG, 42. Aufl. 2012, 1900 GKG-KostVerz. Rn 13), wonach keine Vergleichsgebühr entsteht, wenn für den überschießenden Teil bereits anderweitig eine Verfahrensgebühr angefallen ist. Zwar wird der Wortlaut des Gebührentatbestands regelmäßig in dieser Fallkonstellation erfüllt sein. Jedoch gebietet das das Gebührenrecht als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes systemtragende Äquivalenzprinzip, welches die Gebührenerhebung und -bemessung nach den Prinzipien der Kostendeckung und des Vorteilsausgleichs erlaubt (vgl. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 3 Rn 20), eine entsprechende teleologische Reduktion des Tatbestands nach Nr. 1900 GKG-KostVerz.. Im Einzelnen:
Die als besondere Gebühr ausgestaltete Vergleichsgebühr ist eine Handlungs- oder Aktgebühr (vgl. Hartmann, a.a.O., 1900 GKG-KostVerz. Rn 1), welche hinsichtlich des Mehrwerts eines Prozessvergleichs ("soweit … übersteigt") pauschal die Mitwirkung des Gerichts abgelten soll. Bereits der Wortlaut des Gebührentatbestands macht deutlich, dass es für den Vergleich über den Verfahrensgegenstand selbst mit der angefallenen Verfahrensgebühr sein Bewenden hat (vgl. Hartmann, a.a.O., 1900 GKG-KostVerz. Rn 6, 7). Das gesetzliche Kostenrecht formt hierdurch ausdrücklich in Bezug auf das konkrete, dem Vergleich unmittelbar unterliegende Verfahren das Äquivalenzprinzip dahin aus, dass ein durch die streitwertabhängige Verfahrensgebühr nicht abgedeckter überschießender Teil des Vergleichs eine weitere, nämlich besondere Gebühr als Aktgebühr für die Protokollierung des Vergleichs auslöst. Erhebt der nach dem Kostenrecht für den Bürger als Einheit anzusehende Justizfiskus jedoch auch in dem durch Prozessvergleich mit erledigten Rechtsstreit eine die Verfahrenskosten dort abgeltende Verfahrensgebühr, hat der (einheitliche) Justizfiskus sowohl unter Kostendeckungs- wie unter Vorteilsausgleichsgesichtspunkten die durch die beiden Verfahren und den sie beendenden Prozessvergleich zu deckenden Aufwendungen schon durch die jeweiligen Verfahrensgebühren auf die Kostenschuldner (vgl. § 22 Abs. 1 S. 4 GKG) überwälzt und bei diesen die mit dem Vergleichsschluss für die Kostenschuldner einhergehenden Vorteile abgeschöpft. Eine zusätzliche Erhebung einer Vergleichsgebühr für...