Leitsatz
Eine Terminsgebühr kann auch dann entstehen, wenn der Verfahrensbevollmächtigte zu einem von einem medizinischen Sachverständigen anberaumten Untersuchungstermin erscheint und an der Identifikation der zu untersuchenden Person – des Verfahrensgegners – teilnimmt, jedoch bei der eigentlichen medizinischen Untersuchung nicht mehr anwesend ist.
OLG Zweibrücken, Beschl. v. 5.7.2016 – 6 W 37/16
1 Sachverhalt
Der bei der Antragsgegnerin unfallversicherte Antragsteller begehrte im Wege eines selbstständigen Beweisverfahrens die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Art, Ursache und Folgen einer Verletzung an seinem rechten Handgelenk, seiner rechten Mittelhand sowie seinem rechten Unterarm. Antragsgemäß holte das LG ein orthopädisches Gutachten ein. Nachdem der von dem LG bestellte Sachverständige seine Begutachtung zunächst nur anhand der Krankenunterlagen vorgenommen hatte, beraumte er im Anschluss an Ergänzungsfragen des Antragstellers einen gutachterlichen Untersuchungstermin an. Zu diesem Termin erschien neben dem Antragsteller auch der Rechtsanwalt F als Unterbevollmächtigter der Antragsgegnervertreter. Die Anwesenheit des Rechtsanwaltes fand im Rahmen des fachneurologischen Zusatzgutachtens wie folgt Erwähnung:
"Die Untersuchung des Probanden erfolgte nach Identifikation des Probanden durch den Rechtsanwalt F."
An der eigentlichen medizinischen Untersuchung nahm der Antragsgegnervertreter nicht teil.
Nachdem eine dem Antragsteller gem. § 494a Abs. 1 ZPO gesetzte Frist zur Klageerhebung verstrichen war, wurde dem Antragsteller mit Beschluss des LG auferlegt, die der Antragsgegnerin entstandenen Kosten zu tragen.
In ihrem Kostenfestsetzungsantrag beantragte die Antragsgegnerin unter anderem die Festsetzung einer Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV. Die Rechtspflegerin gab dem Kostenfestsetzungsantrag mit Ausnahme der beantragten Terminsgebühr statt. Eine Anwesenheit des Antragsgegnervertreters bei der eigentlichen Untersuchung sei nicht ersichtlich. Überdies sei die Teilnahme eines Prozessbevollmächtigten an einer gerichtlichen Beweisaufnahme durch den bestellten Sachverständigen zwar grundsätzlich notwendig. Dies gelte aber nicht für derartige medizinische Gutachten, da in einem solchen Fall weder die andere Partei noch deren Bevollmächtigter ein Recht auf Anwesenheit bei der ärztlichen Untersuchung habe.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie trägt vor, der Termin habe nicht erst mit der Untersuchung, sondern bereits mit der Identifikation des Antragstellers begonnen. Der Antragsteller verteidigt die Entscheidung der Rechtspflegerin und trägt vor, das Tätigwerden des Antragsgegnervertreters sei unnötig gewesen.
Das OLG hat der sofortigen Beschwerde stattgegeben.
2 Aus den Gründen
Die Terminsgebühr (Nr. 3104 VV) ist mit der Wahrnehmung des Sachverständigentermins durch den Bevollmächtigen der Antragsgegnerin entstanden. Gem. Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 VV entsteht die Terminsgebühr auch für die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins. Wahrnehmung eines Termins im vorgenannten Sinne ist die vertretungsbereite Teilnahme des Rechtsanwaltes. Nicht erforderlich ist, dass der Rechtsanwalt von Anfang bis Ende anwesend sein muss; es genügt vielmehr, wenn er später dazukommt oder den Termin früher verlässt. Allerdings muss der Termin bereits begonnen haben und darf nicht schon beendet gewesen sein (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., Vorbem. 3 VV Rn 133 f.). In Anwendung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass Herr Rechtsanwalt F als vertretungsbereiter Bevollmächtigter der Antragsgegnerin den Sachverständigentermin zumindest teilweise wahrgenommen hat.
Während im Falle eines Beweisaufnahmetermins (§§ 355, 361, 362, 365 ZPO) anerkannt ist, dass ein Terminsbeginn mit Eröffnung des Termins anzunehmen ist (Schneider/Wolf, AnwK-RVG, 7. Aufl., VV Vorbem. 3 Rn 130), wird die Frage, wann ein Sachverständigentermin im Sinne der Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 VV im Rechtssinne begonnen hat, in der einschlägigen Kommentarliteratur bislang nicht diskutiert. Da sich dem Gesetz keine zwingenden Regelungen über den Beginn eines Sachverständigentermins entnehmen lassen, insbesondere eine mit § 220 Abs. 1 ZPO vergleichbare Vorschrift fehlt, ist nach Auffassung des Senats jeweils auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen. Ein Terminsbeginn ist aber jedenfalls in dem Moment anzunehmen, in dem der Sachverständige Feststellungen trifft, die er zum Gegenstand seiner Begutachtung macht. Im Falle einer medizinischen Begutachtung ist die Klärung der Identität des zu begutachtenden Verfahrensbeteiligten als eine solche Feststellung anzusehen, denn vor der eigentlichen Untersuchung hat sich der medizinische Sachverständige regelmäßig – als notwendige Vorfrage – davon zu überzeugen, dass die richtige, nämlich die im Beweisbeschluss genannte Person untersucht und begutachtet wird. Nach dem Grundsatz der Parteiöffentlichkeit (§ 357 Abs. 1 ZPO) besteht ein berechtigtes Interesse des Gegners oder eines...