"Wird Verfahrenskostenhilfe für den Mehrwert eines Vergleichs bewilligt, so erstreckt sich die Bewilligung auch auf die Verfahrensdifferenzgebühr sowie die Terminsgebühr" (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 8.5.2014 – 15 UF 166/13, S. 580 in diesem Heft). Das OLG Celle hat sich mit der Klarheit seiner Worte und der entsprechend überzeugenden Begründung deutlich von den abweichenden Entscheidungen des OLG Dresden (AGS 2014, 347 = MDR 2014, 686 = Rpfleger 2014, 387 = NJW 2014, 2804 = NJW-Spezial 2014, 445) und des OLG Koblenz (AGS 2014, 348 m. Anm. Thiel = NZFam 2014, 749) abgegrenzt, kurzum, weil die Sache eindeutig sei! Komplementierend hat es verfassungsrechtliche Gesichtspunkte ausgeführt, anderenfalls ein Bedürftiger nie in der Lage wäre, einen "Mehrvergleich" abzuschließen, weil die dafür anfallende Vergütung aus eigener Tasche aufgebracht werden müsste. Es besteht nach allen Auffassungen zwar Einigkeit darüber, dass bei Abschluss eines Mehrvergleichs Verfahrens- und Terminsdifferenzgebühr sowie Einigungsgebühr entstehen, nicht aber darüber, welche Gebühren im Falle eines Vergleichsabschlusses aus der Landeskasse zu erstatten sind.
Dazu findet indes nicht nur das OLG Celle, sondern auch das Gesetz klare Worte, weil § 45 Abs. 1 RVG bestimmt, dass der im Wege der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt die gesetzliche Vergütung aus der Landeskasse erhält. Die gesetzliche Vergütung ist aber gerade diejenige, die durch die anwaltliche Tätigkeit ausgelöst wird, im Falle des Abschlusses eines Mehrvergleichs also die Verfahrens- und Terminsdifferenzgebühr sowie die Einigungsgebühr. Erstreckt sich die bewilligte Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe also auf den Abschluss eines Mehrvergleichs, bestehen an sich auch keinerlei Zweifel daran, dass die entstandenen Gebühren auch zu erstatten sind. Einer Interpretation zugänglich ist diese Ausgangslage deshalb nicht.
An der Klarheit des Gesetzes ändert auch das Inkrafttreten des 2. KostRMoG nichts. Insoweit hatte der Gesetzgeber für § 48 Abs. 3 RVG klargestellt, dass im Falle eines Vertragsabschlusses – so der jetzige Wortlaut der Regelung – alle mit der Tätigkeit des Rechtsanwalts ausgelösten gesetzlichen Gebühren mit der Landeskasse abgerechnet werden können. Nur durch eine Erstreckung auf alle entstehenden gesetzlichen Gebühren, die im Zusammenhang mit einer Einigung anfallen können, erhalten insoweit auch bedürftige Verfahrensbeteiligte die Möglichkeit, ihre Streitigkeiten in Familiensachen möglichst umfänglich beizulegen. Einen Umkehrschluss aus dieser Klarstellung des Gesetzgebers dahingehend zu ziehen, beim Abschluss eines Mehrvergleichs außerhalb des § 48 Abs. 3 RVG seien gerade nicht sämtliche anfallende Gebühren aus der Landeskasse zu erstatten, wenn sich Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe hierauf erstrecke, würde eine unzulässige und vom Gesetzgeber auch nicht gewollte Interpretation bedeuten.
Das OLG Koblenz hatte sich auf der Grundlage seiner Entscheidung vom 16.9.2014 – 13 WF 810/14 (S. 580 in diesem Heft) erneut mit der Frage zu befassen, welche Gebühren aus der Landeskasse bei einer Erstreckung der Beiordnung auf den Mehrvergleich beansprucht werden können, und in einem Leitsatz aber immerhin interpretatorisch eine anwaltsfreundliche Abgrenzung zu der Entscheidung vom 19.5.2014 (AGS 2014, 348 m. Anm. Thiel = NZFam 2014, 749) geschaffen: "Wird in einem Trennungsunterhaltsverfahren auch der nacheheliche Unterhalt vergleichsweise geregelt, ist aus Sicht eines objektiven Adressaten im Zweifel nicht davon auszugehen, dass eine nach Vergleichsabschluss erfolgte Verfahrenskostenhilfebewilligung nicht auch die infolge des Mehrvergleichs anfallende Verfahrensdifferenzgebühr und Terminsgebühr umfasst (Abgrenzung zu Senatsbeschluss vom 19.5.2014 – 13 WF 369/14)." Das OLG Koblenz bedient sich zwar der Auslegung; allerdings ist der Inhalt der Entscheidung ergebnisorientiert der richtige Weg!
Solange Gerichte die Klarheit des Gesetzes verkennen, sollte bei Abschluss eines Mehrvergleichs die Erstreckung derart beantragt werden, dass "alle mit der Herbeiführung der Einigung erforderlichen Tätigkeiten aus der Landeskasse vergütet" werden und darauf geachtet wird, dass das Gericht auch genau so tenoriert, damit dem Rechtsanwalt seine berechtigte Vergütung aus der Landeskasse nicht versagt wird.
Klarheit Ihres Rechtsverständnisses und natürlich auch stets Klarheit Ihrer Wortwahl in allen juristischen und anderen Auseinandersetzungen, das wünscht Ihnen die AGS auch im Jahr 2015 und bedankt sich auf diesem Wege für Anregungen und die Einsendung von Entscheidungen im vergangenen Jahr.
Frohe Weihnachten!
Autor: Lotte Thiel
Lotte Thiel
AGS 12/2014, S. II