ZPO §§ 91, 758a Abs. 4 RVG VV Nr. 7006
Leitsatz
- Reisekosten eines Rechtsanwalts, der eine Partei vertritt, die bei einem auswärtigen Gericht verklagt wird, und der weder am Gerichtsort noch am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässig ist ("Rechtsanwalt am dritten Ort"), sind regelmäßig nur bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts zu erstatten.
- Zu derartigen fiktiven Reisekosten gehören als sonstige Auslagen (Nr. 7006 VV) auch angemessene fiktive Übernachtungskosten.
- Die Ersatzfähigkeit von Übernachtungskosten orientiert sich dem Grunde nach allein an der Frage der Zumutbarkeit eines Reisebeginns zur Nachtzeit (§ 758a Abs. 4 ZPO).
- Ein Reiseantritt (ab Wohnung des Rechtsanwalts) vor 6.00 Uhr morgens ist in der Regel nicht zumutbar.
- Die Frage, ob einem Rechtsanwalt zur Wahrnehmung eines Gerichtstermins an einem Montag ein Reiseantritt am vorhergehenden Sonntag grundsätzlich zumutbar ist, spielt bei einer Vergleichsberechnung zur Ermittlung der hypothetischen Reisekosten eines fiktiven am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts keine Rolle.
OLG Nürnberg, Beschl. v. 13.12.2012 – 12 W 2180/12
1 Sachverhalt
Die Parteien haben vor dem LG Weiden i. d. OPf. einen Rechtsstreit über Schadensersatzansprüche geführt. Die in Frankfurt ansässige, durch Prozessbevollmächtigte mit Sitz in Köln vertretene Nebenintervenientin war hierbei dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten). Im Hinblick auf die streitige Zulässigkeit dieser Nebenintervention hat vor dem LG Weiden i. d. OPf. im diesbezüglichen Zwischenstreit am 12.4.2010, 11:00 Uhr, Termin gem. § 71 ZPO stattgefunden, zu dem der Prozessbevollmächtigte der Nebenintervenientin aus Köln angereist war.
Mit Zwischenurteil des LG Weiden i. d. OPf. wurde der Beitritt der Nebenintervenientin für zulässig erklärt und der Klägerin die Kosten des Zwischenstreits auferlegt. Eine sofortige Beschwerde der Klägerin hiergegen wurde mit Beschluss des Senats zurückgewiesen.
In der Folge hat vor dem LG Weiden i. d. OPf. am 14.3.2011, 10:00 Uhr, ein weiterer Verhandlungstermin stattgefunden, zu dem wiederum der Prozessbevollmächtigte der Nebenintervenientin aus Köln angereist war.
Später hat die Klägerin die Klage zurückgenommen. Ihr wurden die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Nebenintervention der Klägerin auferlegt.
Die Nebenintervenientin beantragte daraufhin die Festsetzung der ihr für das erstinstanzlichen Verfahren entstandenen Kosten. Hierbei machte sie u.a. folgende Kosten geltend:
Termin am 12.4.2010
Fahrtkosten |
33,30 EUR |
Parkgebühren am Flughafen Düsseldorf |
19,33 EUR |
Flugkosten von Düsseldorf nach Nürnberg und zurück |
165,01 EUR |
Abwesenheitsgeld (mehr als acht Stunden) |
60,00 EUR |
Termin am 14.3.2011
Parkgebühren am Flughafen Düsseldorf |
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23,53 EUR |
Flugkosten von Düsseldorf nach Nürnberg und zurück |
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464,01 EUR |
Reisekosten von Nürnberg nach Weiden (Sixt + Tanken) |
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125,04 EUR |
Abwesenheitsgeld (mehr als acht Stunden) |
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60,00 EUR |
Zwischensumme netto |
950,22 EUR |
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19 % MwSt |
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180,54 EUR |
Summe |
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1.130,76 EUR |
Die Klägerin wendet sich gegen diese Kosten. Sie meint, derartige Kosten seien nicht erforderlich gewesen, da die Nebenintervenientin einen weder am Gerichtsort noch an ihrem Geschäftssitz ansässigen Prozessbevollmächtigten beauftragt habe und auch am Geschäftsort der Nebenintervenientin in Frankfurt ausreichend qualifizierte Anwälte zur Verfügung gestanden hätten.
Die Nebenintervenientin verteidigt den Ansatz der begehrten Kosten. Da der Rechtsstreit einen Sachverhalt der Managerhaftung im Bereich der D.-Versicherung (Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Unternehmensleiter) betroffen habe, sei eine hierauf spezialisierte Anwaltskanzlei mit Sitz in Köln beauftragt worden, mit der die Nebenintervenientin bereits langjährig vertrauensvoll zusammengearbeitet habe.
Die Rechtspflegerin des LG hat dem Kostenfestsetzungsantrag der Nebenintervenientin vollumfänglich (also auch hinsichtlich der streitigen Fahrtkosten) entsprochen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich deren sofortige Beschwerde.
Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
2 Aus den Gründen
Die sofortige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.
a) Grundsätzlich hat die unterliegende Partei die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren (§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO). Insbesondere sind Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und dort auch nicht wohnt, nur insoweit zu erstatten, als die Zuziehung dieses Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war (§ 91 Abs. 2 S. 1 ZPO).
b) Unter diesem Gesichtspunkt ist die Partei im Regelfall gehalten, einen in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsortes (oder am Gerichtsort) ansässigen Prozessbevollmächtigten zu mandatieren (vgl. BGH, Beschl. v. 12.12.2002 – I ZB 29/02, NJW 2003, 901 – Auswärtiger Rechtsanwalt I; Beschl...