Leitsatz
- Dieselbe Instanz eines Strafverfahrens verkörpert gebührenrechtlich dieselbe Angelegenheit, mögen ihr auch unterschiedliche prozessuale Taten und damit Verfahrensgegenstände zugrunde liegen. Entsprechendes gilt regelmäßig für die Tätigkeit des Verteidigers in dem zivilrechtlich geprägten Adhäsionsverfahren, das einen "aus der Straftat" erwachsenen Anspruch betrifft und aus prozessökonomischen Gründen als Annex an das Strafverfahren angegliedert ist, weshalb auch insoweit lediglich eine gebührenrechtliche Angelegenheit vorliegt.
- Es kommt i.d.R. nicht darauf an, wie viele Adhäsionskläger im Adhäsionsverfahren auftreten und wie viele Ansprüche insoweit erhoben werden.
- Es bleibt offen, ob ein Rechtsanwalt im Einzelfall in mehreren Angelegenheiten tätig wird, wenn er von mehreren Adhäsionsklägern jeweils aufgrund eines eigenständigen Lebenssachverhalts mit der Durchsetzung ihrer jeweiligen vermögensrechtlichen Ansprüche gegen die Angeklagten beauftragt und ihnen zu diesem Zweck vom Gericht beigeordnet worden ist.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.12.2013 – 1 Ws 416/13
1 Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin ist dem Angeklagten in dem zugrunde liegenden Strafverfahren vor der Jugendkammer des LG Düsseldorf als Pflichtverteidigerin bestellt worden. Die Jugendkammer hat überdies durch gesonderten Beschluss klargestellt, dass sich die Bestellung als Pflichtverteidigerin auch auf das Adhäsionsverfahren erstreckt. Im Rahmen des Adhäsionsverfahrens, das von den Nebenklägerinnen I.S. und L.S. betrieben worden ist, hat die Jugendkammer den Angeklagten dazu verurteilt, an die Nebenklägerinnen jeweils einen Betrag in Höhe von 25.000,00 EUR zu zahlen. Die Pflichtverteidigerin hat vor diesem Hintergrund beantragt, zu ihren Gunsten die folgende Vergütung festzusetzen:
Adhäsionsverfahren I
Verfahrensgebühr (Streitwert: 25.000,00 EUR), Nr. 4143 VV |
636,00 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
124,64 EUR |
Adhäsionsverfahren II
Verfahrensgebühr (Streitwert: 25.000,00 EUR), Nr. 4143 VV |
636,00 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
124,64 EUR |
Summe |
2.732,66 EUR |
Der Urkundsbeamte des LG hat demgegenüber festgesetzt:
Beide Adhäsionsverfahren
Verfahrensgebühr (Streitwert: 50.000,00 EUR), Nr. 4143 VV |
782,00 EUR |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
148,58 EUR |
Summe |
2.101,96 EUR |
Die daraufhin eingelegte Erinnerung der Pflichtverteidigerin, der der Urkundsbeamte nicht abgeholfen hat, ist von dem Einzelrichter der Jugendkammer als unbegründet verworfen worden.
Die hiergegen gerichtete "sofortige Beschwerde" hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die "sofortige Beschwerde" ist zwar zulässig. Sie bleibt jedoch in der Sache aus den zutreffenden Erwägungen des angefochtenen Beschlusses ohne Erfolg. Denn die Pflichtverteidigerin kann unbeschadet der Nr. 4143 VV lediglich eine Angelegenheit abrechnen.
1. Ein Rechtsanwalt kann die Gebühren in "derselben Angelegenheit" nur einmal fordern (§ 15 Abs. 2 RVG). Der Begriff "derselben Angelegenheit", den das Gesetz nicht definiert, ist dabei rein gebührenrechtlich zu interpretieren. Dieselbe Angelegenheit liegt regelmäßig vor, wenn zwischen den weisungsgemäß erbrachten anwaltlichen Leistungen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann. Dies richtet sich letztlich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrags maßgebend ist (BGH VersR 2013, 1415, 1416 f. [= AGS 2013, 56]; ferner Klaus Winkler, in: Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., 2013, § 15 Rn 3 f.). Dieselbe Instanz eines Strafverfahrens verkörpert demnach gebührenrechtlich dieselbe Angelegenheit (vgl. OLG Celle, 2 Ws 303/10 v. 25.8.2010 [= AGS 2011, 25]; Meyer, in: Gerold /Schmidt, RVG, 20. Aufl., 2012, § 15 Rn 14), mögen ihm auch unterschiedliche prozessuale Taten und damit Verfahrensgegenstände zugrunde liegen. Entsprechendes gilt regelmäßig für die Tätigkeit des Verteidigers in dem zivilrechtlich geprägten Adhäsionsverfahren, das einen "aus der Straftat" erwachsenen Anspruch betrifft (vgl. § 403 StPO) und aus prozessökonomischen Gründen als Annex an das Strafverfahren angegliedert ist, weshalb auch insoweit lediglich eine gebührenrechtliche Angelegenheit vorliegt (vgl. Burhoff, in: ders., RVG in Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., 2012, Teil A, Rn 82; Nr. 4143 VV Rn 4), die freilich mit Nr. 4143 VV einen weiteren Gebührentatbestand erfüllt. Dabei kommt es regelmäßig nicht darauf an, wie viele Adhäsionskläger im Adhäsionsverfahren auftreten und wie viele Ansprüche insoweit erhoben werden (vgl. OLG Brandenburg, 2 Ws 8/09 v. 17.2.2009 [= AGS 2009, 325]: Rechtsanwalt, der zwei Neben- und Adhäsionskläger vertritt).
Die Pflichtverteidigerin wurde demnach hier insgesamt lediglich in einer gebührenrechtlichen Angelegenheit tätig. Denn sie verteidigte den Angeklagten im Strafverfahren, wie sie ihn auch im Adhäsionsv...