FamFG § 56; RVG VV Nrn. 1000, 1003
Leitsatz
- Werden in einem Vergleich die Gegenstände zweier Gerichtsverfahren einbezogen, entsteht nur eine Einigungsgebühr, und zwar aus dem zusammengerechneten Gegenstandswert beider Verfahren.
- Ist über einen Verfahrensgegenstand allerdings sowohl ein Hauptsacheverfahren als auch ein parallel laufendes Eilverfahren anhängig und vergleichen sich die Beteiligten, so fällt grundsätzlich nur im Hauptsacheverfahren eine Einigungsgebühr aus dem alleinigen Gegenstandswert des Hauptsacheverfahrens an.
OLG Koblenz, Beschl. v. 22.3.2016 – 7 WF 217/16
1 Sachverhalt
Die Beteiligten sind Eltern eines gemeinsamen Sohnes. Die elterliche Sorge steht beiden Beteiligten gemeinsam zu.
Im vorliegenden Hauptsacheverfahren begehrte die Antragstellerin die Übertragung der Teilbereiche "Gesundheitsfürsorge" und "schulische Belange" auf sich allein. Gleichzeitig beantragte sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung, die ihr die alleinige Entscheidungsbefugnis zur Entbindung von der Schweigepflicht gegenüber dem Klini kum L., betreffend den Sohn zu erteilen. Das FamG hat – über diesen Antrag hinausgehend – das Recht der Gesundheitsfürsorge für L. einstweilen auf die Antragstellerin übertragen. Der Antragsgegner hat nach Zustellung dieses Beschlusses Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.
In der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache haben die Beteiligten eine Vereinbarung geschlossen, wonach der Antragsgegner sich verpflichtete, der Antragstellerin eine Vollmacht zu erteilen für den Teilbereich der Gesundheitsfürsorge für den gemeinsamen Sohn. Im Übrigen haben die Parteien Einigkeit erklärt, dass sich der Beschluss des FamG im einstweiligen Anordnungsverfahren erledigt habe. Es solle wieder beiden Parteien das Recht der Gesundheitsfürsorge für das gemeinsame Kind zustehen.“
Anschließend hat das FamG über die Kosten des Hauptsacheverfahrens entschieden.
Unmittelbar danach wurde das einstweilige Anordnungsverfahren aufgerufen. Dort ist der Anordnungsbeschluss aufgehoben worden, "da die beiden Parteien darüber einig sind, dass das Recht der Gesundheitsfürsorge wieder gemeinsam ausgeübt werden soll"; sodann traf das FamG auch hier eine Entscheidung über die Kosten.
Der Gegenstandswert wurde im Hauptsacheverfahren auf 3.000,00 EUR und im Verfahren der einstweiligen Anordnung auf 1.500,00 EUR festgesetzt. Für beide Verfahren wurde beiden Beteiligten jeweils Verfahrenskostenhilfe bewilligt.
Das FamG hat daraufhin den Verfahrenswert für den Mehrvergleich auf 6.000,00 EUR festgesetzt.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Staatskasse, die die Meinung vertritt, ein Vergleichsmehrwert sei nicht gegeben.
2 Aus den Gründen
Das Rechtsmittel ist auch begründet; der Gegenstandswert für den Vergleich ist nicht höher als der Wert der Hauptsache.
Unstreitig ist im Grundsatz davon auszugehen, dass dann, wenn die Beteiligten eine Einigung erzielt haben, in die die Gegenstände zweier Verfahren einbezogen sind, (nur) eine Einigungsgebühr entsteht, die aus dem zusammengerechneten Gegenstandswert beider Verfahren berechnet wird (vgl. etwa Feskorn, in: Rahm/Künkel, Handbuch Familien- und Familienverfahrensrecht, D. Anwaltsvergütung Rn 86, zitiert nach juris). Ob dies auch gilt, wenn die Einigung sowohl die Hauptsache als auch ein ebenfalls anhängiges paralleles Anordnungsverfahren umfasst, ist umstritten (nur Hauptsachewert: z.B. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., Anhang II Rn 44, 45; OLG Hamm Rpfleger 2009, 53 [= AGS 2009, 219]; wohl ebenso OLG Saarbrücken FamRZ 2011, 1973; zusammengerechneter Wert: z.B. Hartmann, KostG, 46. Aufl., VV 1000 Rn 21 "Arrest, einstweilige Verfügung"; OLG Düsseldorf JurBüro 2005, 310 [= AGS 2006, 37]).
Der Senat schließt sich der ersten Meinung an. Wenn in einer Familiensache der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowohl ein Hauptsacheverfahren als auch ein parallel laufendes Eilverfahren anhängig sind und in der mündlichen Verhandlung eine endgültige Einigung getroffen wird, so fällt grundsätzlich nur im Hauptsacheverfahren eine Einigungsgebühr an. Denn die Beteiligten einigen sich tatsächlich nicht zum Eilanspruch; das einstweilige Anordnungsverfahren erledigt sich vielmehr ohne Weiteres durch die Einigung in der Hauptsache von selbst, da mit dieser Einigung eine anderweitige Regelung i.S.d. § 56 FamFG getroffen worden ist, die die gesetzliche Folge nach sich zieht, dass die einstweilige Anordnung außer Kraft tritt.
Der Vergleich enthält keine darüber hinaus gehenden Vereinbarungen. Denn die Beteiligten haben in die in der Hauptsache getroffene Vereinbarung mit dem Inhalt, dass die Gesundheitsfürsorge (wieder) beiden Eltern gemeinsam zustehen soll, in Bezug auf das parallel laufende Eilverfahren lediglich aufgenommen, dass sie sich darüber einig seien, dass sich der Beschluss des AG im Verfahren 21 F 133/15 (einstweilige Anordnung) erledigt habe. Dieser Teil der Vereinbarung hat lediglich deklaratorischen Charakter und gibt die sich aus § 56 FamFG ergebende Rechtsfolge wieder, ohne einen eigenen Regelungsgehalt zu haben. Der ausd...