Leitsatz
- Notwendig i.S.d. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO sind nur Kosten für solche Maßnahmen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erscheinen. Das ist vom Standpunkt einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei aus zu beurteilen, wobei grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Vornahme der kostenverursachen Handlung abzustellen ist und es auf die – auch unverschuldete – Unkenntnis der Partei oder ihres Rechtsanwalts von den maßgeblichen Umständen nicht ankommt (Bestätigung und Fortführung des Senatsbeschl. v. 26.1.2006 – III ZB 63/05, BGHZ 166, 117 [= AGS 2006, 516]).
- Die durch die Einreichung einer Berufungserwiderung nach Berufungsrücknahme entstandenen Kosten eines Rechtsanwalts sind auch dann nicht erstattungsfähig, wenn der Berufungsbeklagte die Rechtsmittelrücknahme nicht kannte oder kennen musste (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 23.11.2006 – I ZB 39/06, NJW-RR 2007, 1575 [= AGS 2007, 477]).
BGH, Beschl. v. 25.2.2016 – III ZB 66/15
1 Sachverhalt
Die Klägerin hat gegen das ihre Klage abweisende Urteil des LG Berufung eingelegt und diese auch begründet. Mit Beschluss vom 22.10.2014 wies das OLG die Klägerin auf die fehlenden Erfolgsaussichten ihres Rechtsmittels hin, kündigte dessen Zurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO an und setzte den Parteien Frist zur Stellungnahme bis zum 14.11.2014. Die Klägerin nahm daraufhin mit Schriftsatz vom 12.11.2014, der am selben Tag beim OLG einging und am 20.11.2014 den vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigen der Beklagten zugestellt wurde, ihre Berufung zurück. Mit Beschluss vom 13.11.2014 sprach das OLG aus, dass die Klägerin des Rechtsmittels der Berufung verlustig sei und die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen habe. Mit Schriftsatz vom 14.11.2014, eingegangen beim OLG am selben Tag, beantragten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des LG die Zurückweisung der Berufung der Klägerin.
Auf Antrag der Beklagten hat das LG die von der Klägerin an die Beklagten zu erstattenden Kosten des Berufungsverfahrens unter Berücksichtigung einer 1,6-fachen Verfahrensgebühr (Nr. 3200 VV), einer Erhöhungsgebühr von 0,9 (Nr. 1008 VV) und einer Auslagenpauschale von 20,00 EUR (Nr. 7002 VV) auf 905,00 EUR nebst Zinsen festgesetzt. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde der Klägerin hat das OLG zurückgewiesen. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Klägerin die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrags der Beklagten.
2 Aus den Gründen
Die nach § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Beschwerdegericht hat einen Anspruch der Beklagten auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,6-fachen Verfahrensgebühr gem. Nr. 3200 VV (nebst Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV) zu Unrecht bejaht.
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung ausgeführt, mit Einreichung des Schriftsatzes vom 14.11.2014 sei für die Prozessbevollmächtigten der Beklagten die volle Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV angefallen. Wie sich aus Nr. 3201 Nr. 1 VV ergebe, erhalte der Rechtsanwalt die volle Verfahrensgebühr, wenn er einen Schriftsatz einreiche, der einen Sachantrag oder Sachvortrag enthalte. Diese Voraussetzungen erfülle der Schriftsatz der Beklagten vom 14.11.2014. Die den Prozessbevollmächtigten der Beklagten erwachsene 1,6-fache Verfahrensgebühr sei auch erstattungsfähig. Dass die Klägerin ihre Berufung bereits am 12.11.2014 – vor Erstellung des den Berufungszurückweisungsantrag enthaltenden Schriftsatzes – zurückgenommen habe, stehe dem nicht entgegen. Denn von der Rücknahme des Rechtsmittels hätten die Beklagten erst durch Zustellung des diesbezüglichen Schriftsatzes am 20.11.2014 Kenntnis erlangt. Nach der Rspr. des Beschwerdegerichts und anderer Oberlandesgerichte seien die Kosten des Rechtsmittelgegners auch dann erstattungsfähig, wenn weder ihm noch seinem Prozessbevollmächtigten im Zeitpunkt der die Gebühr auslösenden Tätigkeit die Rücknahme des Rechtsmittels bekannt gewesen sei oder hätte bekannt sein müssen. Für den vergleichbaren Fall von in Unkenntnis einer zwischenzeitlichen Rücknahme einer Klage oder eines Verfügungsantrags eingereichten Schriftsätzen gelte nichts anderes. Die Rspr. des BGH (Beschl. v. 23.11.2006 – I ZB 39/06, NJW-RR 2007, 1575), wonach die durch Einreichung einer Schutzschrift nach Rücknahme eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entstandenen Kosten auch bei unverschuldeter Unkenntnis des Antragsgegners von der Antragsrücknahme nicht erstattungsfähig seien, könne nicht ohne Weiteres auf die Fälle der Klageerwiderung oder der Berufungserwiderung in Unkenntnis der zwischenzeitlich erfolgten Rücknahme der Klage oder Berufung übertragen werden. Die Beklagten hätten auch nicht den Ablauf der vom OLG für eine Rücknahme der Berufung gesetzten Frist oder gar eine Entscheidung des Berufungsgerichts nach § 522 ZPO abwarten m...