ZPO § 91
Leitsatz
- Ein Wettbewerbsverband muss grundsätzlich in der Lage sein, seinen Prozessbevollmächtigten mündlich oder schriftlich zu informieren; dies gilt insbesondere, wenn er selbst die Abmahnung vorgenommen hat und hierfür eine Kostenpauschale geltend macht. Die Reisekosten eines nicht am Prozessort ansässigen Rechtsanwalts sind daher regelmäßig nicht erstattungsfähig.
- Zu erstatten sind die tatsächlichen Reisekosten jedoch bis zur höchstmöglichen Entfernung im Gerichtsbezirk, da sich der Mandant auch eines bezirksansässigen Anwalts im äußersten Bereich hätte bedienen dürfen.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.2.2017 – 6 W 91/16
1 Aus den Gründen
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
1. Der angefochtene Beschluss hält der Überprüfung durch das Beschwerdegericht nicht stand, soweit Reisekosten und Abwesenheitsentgelt der Prozessbevollmächtigten des Klägers – ausgehend von deren Kanzleisitz – festgesetzt wurden.
a) Gem. § 91 Abs. 1 S. 1, 2. Var. ZPO sind nur die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Kosten zu erstatten. Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts sind nach § 91 Abs. 2 ZPO nur zu erstatten, soweit die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich war.
Beauftragt ein rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG) einen nicht am Ort des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalt mit der Verfolgung eines Wettbewerbsverstoßes (§ 3 UWG), zählen die Reisekosten dieses Rechtsanwalts zum Prozessgericht nicht zu den notwendigen Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (BGH GRUR 2009, 191 [= AGS 2009, 304]; BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – IV ZB 11/04 [= AGS 2006, 148], beide zitiert nach juris). Verbände und Vereine, deren satzungsmäßige Aufgabe darin besteht, rechtliche Interessen ihrer Mitglieder oder bestimmter Gruppen wahrzunehmen und im Klagewege durchzusetzen und denen eine gesetzliche Klagebefugnis eingeräumt ist müssen nach dem Gesetz so ausgestattet sein, dass sie ihre Aufgaben erfüllen können (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 1.6.2012 – 18 W 79/12, juris). Ein Wettbewerbsverband, der über eine diesen Anforderungen genügende Ausstattung verfügt, ist ebenso wie ein Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung regelmäßig in der Lage, einen Prozessbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichts schriftlich zu instruieren (BGH, Beschl. v. 18.12.2003 – I ZB 18/03, juris [= AGS 2004, 168]).
b) Der Kläger ist ein Verein, der nach seiner Satzung den Zweck verfolgt, die gewerblichen Interessen seiner Mitglieder zu fördern. Er stützt seine Klagebefugnis auf § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Dazu gehört nach dem Gesetzeswortlaut auch die personelle Ausstattung. Der Kläger kann sich deshalb nicht mit Erfolg darauf berufen, er verzichte auf Personal, um Kosten zu sparen. Bezeichnender Weise hat der Kläger die vorprozessuale Abmahnung ohne anwaltliche Hilfe ausgesprochen und beanspruchte dafür eine Kostenpauschale. Er ist damit sehr wohl in der Lage, den Gegenstand des Verfahrens schriftlich darzulegen. Er kann damit auch einen auswärtigen Anwalt schriftlich instruieren.
c) Auf die vom LG ins Feld geführte Unterscheidung zwischen einem Verband zur Förderung gewerblicher Interessen und einer qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des UKlaG kommt es nicht an. Es ist entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht ausnahmsweise deshalb eine andere Beurteilung gerechtfertigt, weil es sich bei der Streitsache um einen besonders schwierigen Fall handeln würde, der eine persönliche Kontaktaufnahme zwischen Mandant und Anwalt unverzichtbar erscheinen ließe. Vielmehr handelt es sich um eine Wettbewerbssache von durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad. Dem entspricht es, dass der Kläger in der Lage war, selbst eine Abmahnung auszusprechen.
2. Der Kostenfestsetzungsbeschluss kann daher keinen Bestand haben (§ 572 Abs. 3 ZPO). Bei der erneuten Festsetzung wird zu prüfen sein, inwieweit fiktive Reisekosten bis zur Gerichtsbezirksgrenze erstattungsfähig sind. Das Kriterium der Notwendigkeit i.S.v. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO ist für auswärtige Rechtsanwälte so auszulegen, dass zumindest die Fahrtkosten bis zur Gerichtsbezirksgrenze als erforderlich anzusehen sind, da sich der Mandant auch eines bezirksansässigen Anwalts im äußersten Bereich hätte bedienen können (OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.3.2015 – 25 W 17/15, juris [= AGS 2017, 101]; LG Düsseldorf, Beschl. v. 18.12.2014 – 6 O 455/11, juris).
3. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) liegen nicht vor.
Norbert Schneider
AGS 5/2017, S. 255 - 256