Leitsatz
Verhandlungen über einen Auflösungsvertrag, bei denen der rechtsschutzversicherte Arbeitnehmer zur Stützung seiner Verhandlungsposition die etwaige Rechtswidrigkeit oder Unwirksamkeit der in Aussicht gestellten Kündigung nicht geltend macht und dem Arbeitgeber daher keine Pflichtverletzung vorwirft, stellen keinen verstoßabhängigen Rechtsschutzfall dar.
OLG Frankfurt, Urt. v. 17.9.2014 – 7 U 102/13
1 Sachverhalt
Der Kläger, der bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung mit Arbeitsrechtsschutz unterhält, verlangt Kostenübernahme für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts, dem er die Prüfung und Verhandlung eines Aufhebungsvertrags mit seinem früheren Arbeitgeber (im Folgenden: A) übertragen hatte.
Der Versicherungsvertrag ist zum 7.12.2011 abgeschlossen, vereinbart ist eine zweimonatige Wartezeit; es gelten die Bedingungen NRV 2011 Plus.
Betriebsrat und A vereinbarten am 8.12.2011 einen Rahmensozialplan, in dessen Präambel es heißt: "Sollte es beginnend ab 1.1.2012 zu Betriebsänderungen i.S.v. § 111 BetrVG … kommen, schließen die Betriebsparteien … folgenden Sozialplan: …" Am 31.5.2012 vereinbarten sie einen Interessenausgleich, in dem zur Umsetzung der "weltweit kommunizierten strategischen Veränderung vom 12.1.2012" Ausgleichsvereinbarungen getroffen wurden; Inhalt dieser Veränderung war u.a., dass der Geschäftsbereich B, in dem der Kläger tätig war, in Deutschland eingestellt wurde. Dem Kläger wurde von A am 12.6.2012 der Entwurf eines Aufhebungsvertrags übersandt. Der Aufhebungsvertrag wurde in der Folgezeit abgeschlossen.
Der Kläger hält einen Rechtsschutzfall für gegeben, weil A, wenn eine Aufhebungsvereinbarung nicht getroffen worden wäre, eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen hätte (§ 1 Nr. 1 des Vertragsentwurfs). Der Sozialplan habe für den Kläger keinen Rechtsverstoß bedeutet. Einen anderen als den vorgelegten Plan gebe es nicht; das Schreiben vom 30.11.2012 sei missverständlich. Von dem Inhalt des Sozialplans habe der Kläger erst nach dem 2.4.2012 erfahren.
Die Beklagte hält sich nicht für eintrittspflichtig, weil kein Rechtsschutzfall gegeben sei, denn in dem Angebot eines Aufhebungsvertrags liege kein Rechtsverstoß und auch keine stillschweigende Kündigungsandrohung; es sei nicht auszuschließen, dass der Kläger weiterbeschäftigt worden wäre. Die vom Kläger behauptete Kündigungsandrohung genüge auch nicht, denn der Kläger behaupte nicht, dass die etwaige Kündigung rechtswidrig gewesen wäre; die Tätigkeit des vom Kläger beauftragten Rechtsanwalts sei nicht auf Abwehr einer Kündigung gerichtet gewesen. Außerdem liege der Rechtsschutzfall jedenfalls in der Wartezeit, weil der Keim der Auseinandersetzung schon mit dem Sozialplan vom 8.12.2011 gelegt sei. Dass der Kläger betroffen sei, ergebe sich aus dem Schreiben vom 30.11.2012.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das LG dem Kläger 750,00 EUR zugesprochen. Es hat dabei offengelassen, ob ein Rechtsschutzfall vorliege. Es hat stattdessen § 26a, den "XXL-Baustein" des Bedingungswerks, angewendet, der eine Kostenerstattung von bis 1.000,00 EUR für Kosten der Interessenwahrnehmung beim Abschluss von Aufhebungsvereinbarungen vorsieht, und den Selbstbehalt von 250,00 EUR abgezogen. Vorvertraglichkeit hat das LG verneint.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der darauf hinweist, dass der XXL-Baustein nicht vereinbart sei und dass es unabhängig davon auf das Vorliegen eines bedingungsgemäßen Rechtsschutzfalls ankomme, der aus den erstinstanzlich dargelegten Gründen auch gegeben sei, weshalb die ganzen Kosten zu erstatten seien. Auf Hinweis des Senats hat der Kläger noch vorgetragen, dass es sich von selbst erkläre, dass der Kläger die beabsichtigte Schließung seines Arbeitsplatzes und die mangels Einigung angedrohte Kündigung für unberechtigt erachtet habe; darauf sei auch schon in erster Instanz hingewiesen worden. Darin erschöpfe sich aber sein Vortrag zu dem von ihm angenommenen Rechtsverstoß nicht. Der Kläger habe in der Klageschrift seine Sozialdaten vorgetragen, weil er der Meinung gewesen sei, dass die angedrohte betriebsbedingte Kündigung sozial ungerechtfertigt gewesen wäre. Außerdem stelle das Angebot eines Aufhebungsvertrags mit der Androhung einer Kündigung für den Fall der Nichtannahme eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Treuepflicht dar und begründe strafrechtliche Verdachtsmomente. Die fehlende Rechtfertigung der Kündigung ergebe sich auch daraus, dass der frühere Arbeitgeber des Klägers in Deutschland weiterhin mit 250 Mitarbeitern tätig sei, während bei der Restrukturierung ca. 30 Mitarbeiter ausgeschieden seien. An der Einschätzung des Klägers, mit der der Vorwurf eines Rechtsverstoßes verbunden sei, ändere auch das Anwaltsschreiben vom 20.6.2012 nichts, denn die Aufnahme in eine Namensliste zu einem Sozialplan ändere nur die Beweislast bezüglich der Ordnungsmäßigkeit der Sozialauswahl, berühre aber nicht die Ansicht des Klägers, dass er die Kündigung für sozial ungerechtfertigt gehalten habe. Jedenfalls habe aber die angedrohte Künd...