Zur Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Inkassokosten als Verzugsschaden zu erstatten sind, gibt es die verschiedensten Rechtsmeinungen. Diese reichen von der völligen Ablehnung der Erstattungsfähigkeit bis hin zur Erstattungsfähigkeit in Höhe der Gebühren, die ein Anwalt für seine entsprechende Mahntätigkeit verlangen könnte. Zwischen diesen Extrempositionen liegen differenzierende Auffassungen, die z.B. bei geringen Streitwerten die Erstattung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit bzw. aus Gründen der Schadensminderungspflicht versagen, zum Teil hierbei Anwälte und Inkassounternehmer gleich behandeln. Es gibt Gerichte, die 2,50 EUR pauschal als Inkassokosten für angemessen halten, oder solche, die einen höheren Pauschalbetrag ansetzen oder die ein Inkassoschreiben wie ein Gläubiger-Mahnschreiben behandeln. Andere Gerichte berücksichtigen ein Inkassoschreiben analog einem einfachen Schreiben mit einer 0,3-Gebühr gem. Nr. 2402 VV. Von der Darstellung der vielfältigen Entscheidungen und einer "Standortanalyse" (nachzulesen z.B. in den Verbandsmitteilungen der Spitzenorganisationen der Inkassounternehmer) wird an dieser Stelle abgesehen. Es geht um eine realitäts- und praxisbezogene Analyse der Entscheidung des AG Essen-Borbeck. Das BVerfG (Beschl. v. 7.9.2011 – 1 BvR 1012/11) hat jüngst in einer Entscheidung im Verfassungsbeschwerdeverfahren als h.M. angenommen, dass die Inkassokosten grundsätzlich erstattungsfähig sind, jedoch nur in Höhe der Kosten, die bei alternativer Beauftragung eines Anwalts angefallen wären und mit der Einschränkung, dass der Schuldner nicht von vornherein erkennbar zahlungsunwillig gewesen ist. Es hat eine Entscheidung des AG Brandenburg, das eine Mindermeinung zur Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten vertreten und die Berufung nicht zugelassen hat, als verfassungswidrig aufgehoben.
Im Falle des AG Essen-Borbeck, dem die Entscheidung des BVerfG noch nicht bekannt gewesen sein dürfte, hatte der Kläger eine Forderung aus einem Kaufvertrag gegen die Beklagte zunächst mehrfach selbst angemahnt. Da dies erfolglos blieb, beauftragte er ein Inkassounternehmen, das Mitgliedsunternehmen der Schufa Holding AG ist, mit der außergerichtlichen Forderungsbeitreibung. Das Inkassounternehmen versandte drei Mahnschreiben, jeweils mit der Androhung der Eintragung in die Schufa und in andere Auskunfteien für den Fall, dass der Forderung nicht widersprochen wird und keine Zahlung erfolgt. Nachdem auch das keinen Erfolg brachte, leitete der Gläubiger das gerichtliche Mahnverfahren ein, das nach Widerspruch der Schuldnerin dann in das streitige Verfahren überging. Im Mahnverfahren hatte der Kläger die Inkassokosten in Höhe einer 0,65-Gebühr gem. Nr. 2300 VV nebst Auslagenpauschale geltend gemacht. Die Beklagte verteidigte sich im angeordneten schriftlichen Vorverfahren nicht. Das Gericht wies darauf hin, dass ein Versäumnisurteil ergehen könne, falls der Kläger die Schadensposition "Inkassokosten" auf 10,00 EUR reduzieren würde. Der Hinweis lautete:
"Inkassokosten sind regelmäßig dann nicht ersatzfähig, wenn es zum Prozess kommt, da der Gläubiger zur Schadensminderung den Rechtsanwalt sofort hätte beauftragen können (vgl. Grüneberg, in: Palandt, § 286 mit Rechtsprechungsnachweisen)."
Soweit aus besonderen Gründen, die hier nicht erkennbar sind, die Inkassokosten ersatzfähig sein sollten, gilt Folgendes:
Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass Inkassokosten maximal in der Höhe der Sätze des RVG verlangt werden können, hieraus folgt aber keineswegs zwingend, dass die Sätze des RVG hierauf anzuwenden sind. Eine Regelungslücke liegt hier nicht vor, sodass eine analoge Anwendung nicht in Betracht kommt.
Das Gericht schätzt den hier entstandenen Schaden gem. § 287 ZPO auf maximal 10,00 EUR ein, da es sich hierbei um weitestgehend standardisierte und automatische Verfahren handelt. Delegiert der Gläubiger seine ihm ureigenste Verantwortung, die Realisierbarkeit der Forderung zu überprüfen, an ein Inkassounternehmen, so trägt er das Risiko, diese höheren Kosten auch selbst tragen zu müssen. An die Ersatzfähigkeit von Inkassokosten sind auch deshalb hohe Anforderungen zu stellen, da diese zur Forderungsrealisierung nicht in dem Maße in der Lage sind wie Rechtsanwälte. Letztendlich erbringen sie keine Dienstleistung, die der Gläubiger nicht auch hätte selbst erbringen können.“
Der Hinweis und die Entscheidung des Gerichts zeigen, wie formularmäßig und teilweise auch widersprüchlich mit dieser Kostenposition umgegangen wird. Die zum Teil altertümlichen Formulare (vor Inkrafttreten des RDG) sind häufig Produkte gerichtsinterner Abstimmungen.
Es beginnt im gerichtlichen Hinweis des AG Essen-Borbeck mit einer Kommentarstelle aus Palandt/Grüneberg, wonach Inkassokosten nicht erstattungsfähig sein sollen, weil der Gläubiger auch sogleich einen Anwalt hätte beauftragen können. Allerdings findet sich in diesem Kommentar überhaupt nicht das wieder, was das AG Essen-Borbeck dazu ausführt. Grüneberg führt z.B. aus:
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