Leitsatz
Bei einer Protokollierung eines Vergleichs in einem Beschwerdeverfahren kann die offensichtliche Nähe zu einem Klage- und Berufungsverfahren dazu führen, dass eine Fallgestaltung vorliegt, die unter Nr. 3201 Abs. 1 Nr. 2 VV zu subsumieren ist, wenn die Parteien – zumindest auch – im Rahmen der Berufungsverhandlungen, für die Gebühren gem. Nr. 3200 VV entstanden sind, "Verhandlungen vor Gericht … über in diesem Verfahren nicht rechtshängige Ansprüche geführt" haben, die – wenn auch nach Widerruf und weiteren Verhandlungen – "zur Einigung der Parteien" und zur Feststellung einer Einigung gem. § 278 Abs. 6 ZPO geführt haben.
OLG Köln, Beschl. v. 19.11.2015 – 17 W 55/15
1 Sachverhalt
Die Gläubigerin hatte in dem Verfahren 31 O 484/10 LG Köln gegen die Schuldnerin – und eine natürliche Person – eine einstweilige Verfügung erwirkt. Darin wurde diesen unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten, bestimmte Polstermöbel (Wohnlandschaft bzw. Sofa), welche sie unter der Bezeichnung "Alessia" vertrieben, wegen der Nähe zu dem Geschmacksmuster der Gläubigerin (Modell "Alfa") in Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben.
Die Gläubigerin beantragte mit drei eigenständigen Schriftsätzen v. 21.1.2011 jeweils die Festsetzung von Ordnungsgeld, weil noch nach Kenntnisnahme von der einstweiligen Verfügung entsprechende Möbel ausgeliefert und von Handelspartnern in von ihr zur Verfügung gestelltem Werbematerial weiterhin beworben worden seien sowie die Schuldnerin mit einem Modell "Alessia II", welches weitgehend identisch sei, gegen die Unterlassungsverfügung verstoßen habe.
Das LG hatte ein Ordnungsgeld von insgesamt 30.000,00 EUR wegen Verstößen gegen die Unterlassungsverfügung durch Auslieferung (10.000,00 EUR) und Werbung (20.000,00 EUR) festgesetzt und den weiteren Antrag (wegen des Modells "Alessia II") mit einer Wertfestsetzung von 10.000,00 EUR zurückgewiesen.
Gegen den entsprechenden Beschluss des LG haben beide Parteien jeweils sofortige Beschwerde eingelegt, denen das LG nicht abgeholfen hat. Nach Erörterungen und Inaugenscheinnahme aller drei Polstermöbel in der mündlichen Verhandlung vor dem OLG Köln – 6 W 148/11 – am 24.2.2012 haben die Parteien in der Folgezeit einen umfassenden Vergleich geschlossen, dessen Zustandekommen der Senat im hiesigen Zwangsvollstreckungsverfahren festgestellt hat, nachdem ein in der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren auf Widerruf abgeschlossener Vergleich widerrufen worden war.
Parallel dazu hatte die Gläubigerin am 30.3.2011 die Schuldnerin und ihren Geschäftsführer W vor dem LG – 31 O 188/11 – wegen des Modells "Alessia II" auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz verklagt. Ein konkreter Schadensbetrag wurde nicht genannt. Diese Klage wurde abgewiesen und der Streitwert auf 200.000,00 EUR festgesetzt. Auf die Berufung der Gläubigerin hat das OLG – 6 U 220/11 – Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 24.2.2012 bestimmt. Auch dort wurden die 3 Sofamodelle "Alfa", "Alessia I" und "Alessia II" in Augenschein genommen. Vergleichsmöglichkeiten wurden ausweislich des Protokolls "im Zusammenhang mit dem Beschwerdeverfahren 6 W 148/11 erörtert", worauf die Parteien "in jenem Beschwerdeverfahren den aus der Anlage ersichtlichen Vergleich" auf Widerruf schlossen. Nach dessen Widerruf haben die Parteien einen etwas abgeänderten Vergleich geschlossen, der vom OLG mit dem oben genannten Beschl. v. 19.3.2012 festgestellt worden ist.
In diesem Verfahren wurden zugunsten der Gläubigerin antragsgemäß u.a. für die Berufung eine 1,6-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3200 VV (2.905,60 EUR) und eine 1,2-Terminsgebühr gem. Nr. 3202 VV nach einem Gegenstandswert von 200.000,00 EUR festgesetzt.
Weiterhin hatte die Gläubigerin im April 2011 Klage gegen die Schuldnerin auf Abgabe einer Versicherung an Eides Statt wegen falscher Auskunft nach Geschmacksmusterverletzung eingereicht – 31 O 207/11. Das LG Köln hat der Klage mit Urt. v. 17.11.2011 stattgegeben und den Streitwert auf 1.500,00 EUR festgesetzt. Gegen dieses Urteil hat die Schuldnerin Berufung eingelegt – 6 U 225/11. Die Gerichtskosten wurden später ausgeglichen.
In dem festgestellten Vergleich verpflichteten sich die Schuldnerin und Herr W u.a. zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 400.000,00 EUR als Gesamtschuldner an die Gläubigerin – der Senat hatte zuvor 60.000,00 EUR vorgeschlagen – und zur Zahlung einer Vertragsstrafe von je 5.100,00 EUR für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen ein Unterlassungsgebot betreffend "Alessia II". Mit der Zahlung waren alle Annex-Ansprüche aus dem Vertrieb der Modelle "Alessia I und II" ausgeglichen, wobei noch eine umfangreiche "Aufbrauchfrist" eingeräumt wurde. Die Verfahren 6 U 220/11 und 225/11 OLG Köln wurden für erledigt erklärt, die Ordnungsmittelanträge im Verfahren 6 W 148/11 unter Verzicht auf weitere Anträge für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Kosten des Verfahrens 6 U 225/11 OLG Köln (= 31 O 207/11 LG Köln) wurden gegeneinander aufgehoben, während die Kosten der beiden anderen Verfahren (6 U 220/11 OLG Köln =...