GKG § 45 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
Die in einer Klage und in einer Hilfswiderklage geltend gemachten Ansprüche sind nach § 45 Abs. 1 S. 1 GKG zusammenzurechnen, wenn der Eventualfall, für den die Widerklage erhoben ist, eintritt, selbst wenn eine Entscheidung des Gerichts über die Hilfswiderklage nicht ergeht.
OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.4.2012 – 13 W 19/12
1 Sachverhalt
Die Klägerin hat die Beklagten vor dem AG nach Kündigung des Wohnraummietverhältnisses wegen Eigenbedarfs auf Räumung und Herausgabe des von der Klägerin an die Beklagten für eine monatliche Nettomiete von 700,00 EUR vermieteten Einfamilienhauses in Anspruch genommen. Die Beklagten haben auf Klagabweisung angetragen und Hilfswiderklage erhoben für den Fall, dass der Räumungs- und Herausgabeklage stattgegeben werden würde, mit dem Antrag, die Klägerin wegen diverser von den Beklagten vorgenommener Investitionen in das Mietobjekt zur Zahlung von 25.000,00 EUR nebst Zinsen an die Beklagten zu verurteilen.
Das AG hat im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO nach dem Sach- und Streitstand der Klage durch Teilurteil stattgegeben, ohne über die Hilfswiderklage zu entscheiden.
Hiergegen haben sich die Beklagten mit der Berufung gewendet und um Abänderung des angefochtenen Teilurteils sowie um Abweisung der Klage gebeten. Die Klägerin hat auf die Zurückweisung der Berufung angetragen.
In der Berufungsverhandlung haben die Parteien einen Prozessvergleich geschlossen, in dem sowohl die Klageforderung als auch die Forderungen, die Gegenstand der Hilfswiderklage waren, einer endgültigen Erledigung zugeführt worden sind. Noch im Termin hat das LG durch Beschluss den Berufungsstreitwert auf 8.400,00 EUR festgesetzt sowie ausgesprochen, dass der geschlossene Vergleich einen Mehrwert von 25.000,00 EUR habe.
Nachdem die Klägerin fristgerecht den – den Parteien im Vergleich nachgelassenen – Widerruf des Vergleichs im Kostenpunkt erklärt hatte, hat das LG über die Verteilung der Kosten des Rechtsstreits – der im Vergleich für den Fall eines solchen Widerrufs getroffenen Regelung entsprechend – nach § 91a ZPO entschieden und die mit Beschluss des AG erfolgte Festsetzung des Streitwerts des erstinstanzlichen Verfahrens auf 33.400,00 EUR dahingehend abgeändert, dass dieser Streitwert 8.400,00 EUR betrage.
Gegen diese Festsetzung des Streitwerts des erstinstanzlichen Verfahrens wenden sich die Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit ihrer Streitwertbeschwerde, der das LG nicht abgeholfen hat.
Die Beschwerde hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Der Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens entspricht hier gem. § 45 Abs. 1 S. 1 und 3 GKG der Summe des Werts der Klageforderung von 8.400,00 EUR sowie des Werts der Hilfswiderklage von 25.000,00 EUR, beträgt also 33.400,00 EUR.
1. Die Beschwerde hat mit ihrer Beanstandung im Ergebnis Recht, unter den hier vorliegenden Umständen habe bereits der Erlass des Teilurteils des AG zu einer Streitwerterhöhung geführt. Das war der Fall, weil dieser Erlass – wovon auch das LG ausgeht – zum Eintritt der Bedingung der Hilfswiderklage führte, was die Streitwertaddition – anders als das LG gemeint hat – nach § 45 Abs. 1 S. 1 GKG unabhängig davon zur Folge hatte, dass das AG über den Anspruch der Widerklage nicht entschied.
a) Nach § 45 Abs. 1 S. 1 GKG sind in einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachte Ansprüche zusammenzurechnen. Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift auch auf die Hilfswiderklage entspricht allgemeiner Auffassung (vgl. etwa Kurpat, in: Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 13. Aufl., Rn 3114 f., 3129 ff.). Das betrifft auch und gerade das Zusammentreffen eines Klageabweisungsantrags mit einer Hilfswiderklage der beklagten Partei (vgl. nur etwa Kurpat, in: Schneider/Herget, a.a.O., Rn 3110; Schneider, MDR 1988, 462, 463 f.), wie es hier vorliegt. Dass Klage und Hilfswiderklage – was für eine Streitwertaddition erforderlich ist (§ 45 Abs. 1 S. 3 GKG; vgl. hierzu z.B. Kurpat, in: Schneider/Herget, a.a.O., Rn 3120 f., 3130 f.) – hier verschiedene Gegenstände betreffen, steht nicht in Frage.
b) Es findet sich in Rspr. und Lit. – worauf das LG abgestellt hat – allerdings verbreitet die Formulierung, eine Hilfswiderklage führe zu einer Streitwerterhöhung nach § 45 Abs. 1 S. 1 GKG nur unter der Voraussetzung, dass das Gericht, bei dem sie anhängig war, über sie entschieden habe (vgl. etwa BGH NJW 1973, 98; OLG Köln JurBüro 1975, 506; OLG Köln JurBüro 1990, 246; OLG Braunschweig JurBüro 1990, 912; OLG Bamberg JurBüro 1994, 112; LG Freiburg Rpfleger 1982, 357; Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 3 Rn 16 "Eventualwiderklage"; Schneider, MDR 1988, 462, 463 f.; vgl. auch BGH, NJW-RR 1999, 1736). Das war hier – wovon das LG zu Recht ausgeht – nicht der Fall, weil das AG in seinem Teilurteil lediglich über die Klageforderung erkannt hat.
c) Für die vom LG vertretene Auffassung, eine Hilfswiderklage führe zu einer Streitwerterhöhung nach § 45 Abs. 1 S. 1 GKG nur unter der Voraussetzung, dass das Gericht, bei dem sie anhängig war, über sie entschieden habe, wohingegen der Eintrit...