Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegegeld. Pflegestufe. Begutachtung durch den MDK. Einstweilige Anordnung. Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs. Sachverständigengutachten. Prozessunfähigkeit. Besonderer Vertreter
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Fehlen eines Anordnungsanspruchs und eines -grundes bei einem Antrag auf Gewährung von Leistungen nach der Pflegestufe II ab einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.
2. Zur Frage der Bestellung eines besonderen Vertreters.
Orientierungssatz
1. Eine Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 72 Abs. 1 SGG ist auch möglich, wenn sich die Prozessfähigkeit bei Zweifeln trotz Ausschöpfung aller Aufklärungsmöglichkeiten nicht klären lässt und ein Beteiligter deshalb als prozessunfähig zu behandeln ist.
2. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass sowohl der Anordnungsgrund als auch der Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden sind. Die Glaubhaftmachung begnügt sich bei der Ermittlung des Sachverhaltes als Gegensatz zum Vollbeweis mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit. Dagegen dürfen die Anforderungen an die Erkenntnis der Rechtslage, d.h. die Intensität der rechtlichen Prüfung, grundsätzlich nicht herabgestuft werden.
Normenkette
SGB XI § 14 Abs. 4, § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 37 Abs. 1; SGB V § 275; SGG § 72 Abs. 1, § 86b Abs. 2 S. 2
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 12. März 2013 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Kläger und Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen nach der Pflegestufe II ab 1. August 2008.
Der Bf. bezieht seit 1. August 1997 von der Beklagten und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Bg.) Pflegeleistungen nach der Pflegestufe I. Der Leistungsgewährung lag ein Gutachten der Dr. B. in dem Berufungsverfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht (Az.: L 2 P 34/07) vom 28. Juli 2008 zugrunde, die den zeitlichen Hilfebedarf in der Grundpflege im Tagesdurchschnitt auf 93 Minuten, für die hauswirtschaftliche Versorgung auf 60 Minuten einschätzte.
Am 13. März 2012 beantragte der Bf. bei der Bg. Leistungen nach der Pflegestufe II ab 1. August 2008. Aus dem Gutachten der Dr. B. resultierten die Leistungen nach der Pflegestufe II weiterhin aktuell. Mit Bescheid vom 18. Mai 2012 lehnte die Bg. die Höherstufung unter Bezugnahme auf das Gutachten der Dr. B. ab. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2013 zurück, u.a. da der Bf. einer Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) in der Häuslichkeit nicht zugestimmt habe.
Hiergegen hat der Bf. am 18. Februar 2013 beim Sozialgericht Landshut Klage erhoben (Az.: ) und beantragt, die Bg. unter Aufhebung ihres Bescheides vom 18. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2013 zu verurteilen, ihm Leistungen nach der Pflegestufe II ab 1. Juli 2008 zu gewähren. Er hat u.a. ausgeführt, dass ein Sachverständigengutachten zur Notwendigkeit der Maßnahmen über Art und Ausmaß der Erkrankungen, der durchgeführten Untersuchungen, des Krankheitsbildes und der tatsächlichen Pflegeaufwandes einzuholen sei. Die Klage ist weiterhin anhängig.
Zugleich hat er am 18. Februar 2013 beantragt, der Bg. durch richterliche Anordnung aufzutragen, die Leistungen nach der Pflegestufe II ab 1. August 2008 zu zahlen. Der jahrelange Verfahrensmissbrauch müsse beendet werden. Außerdem hat er beantragt, für das Verfahren einen besonderen Vertreter zur Wahrnehmung der Rechte des Behinderten nach § 72 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu bestellen.
Die Bg. hat beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Es sei weder ein Anordnungsanspruch noch ein -grund gegeben. Sie hat zum einen auf das Gutachten der Dr. B. verwiesen; einer Begutachtung durch den MDK habe der Bf. nicht zugestimmt, sondern nur die gerichtliche Sachverständige Dr. B. akzeptiert. Zum anderen liege es im Einflussbereich des Bf., die begehrte Leistung zu erhalten. Voraussetzung sei eine Begutachtung durch den MDK. Auch sei es dem Bf. nicht unzumutbar, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 12. März 2013 abgelehnt. Der Bf. habe keinen Anordnungsanspruch im Sinne des § 86 b Abs. 2 S. 4 SGG glaubhaft gemacht. Die Sachverständige Dr. B. habe einen täglichen Grundpflegebedarf von 93 Minuten festgestellt gehabt. Der Bf. habe nichts glaubhaft dafür vorgetragen, dass sich sein Grundpflegebedarf mittlerweile auf 120 Minuten erhöht habe. Im Übrigen hat das Sozialgericht auf die Ausführungen der Bg. im Widerspruchsbescheid zum Fehlen der erforderlichen Voraussetzungen für eine Pflegestufe II sowie auf deren Schriftsatz vom 1. März 2013 zu den fehlenden Voraussetzungen für einen glaubhaft gemachten Anordnungsgrund verwiesen.
Zur Begründung der hiergegen gerichteten Be...