Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Zulässigkeit der Berufung bei einem Feststellungsantrag zu einer fehlenden Weiterbewilligung nach dem SGB II. Wert des Beschwerdegegenstandes
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Feststellungsantrag zu einer fehlenden Weiterbewilligung nach dem SGB II für einen bestimmten Zeitraum ist mit dem Wert zu beziffern, der der Leistungshöhe für den genannten Zeitraum entspricht.
2. Lässt sich nicht feststellen, dass die Voraussetzungen für eine Beschränkung der Berufung erfüllt sind, ist die Berufung nach § 143 SGG statthaft, da es sich bei § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGG um Ausnahmeregelungen handelt.
3. Dem Antrag nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB II kommt eine konstitutive Wirkung zu. Auch die Weitergewährung der Leistungen nach dem SGB II erfordert einen Fortzahlungsantrag.
Normenkette
SGB II § 1 Abs. 2 S. 1, § 20 Abs. 1, 1a, § 37 Abs. 1 S. 1; SGB XII §§ 8, 18, 27a, 28, 28a, 40; RBEG §§ 2-3, 5-8, 28a; RSV § 2 Abs. 3 Fassung: 2006-11-20; RBSFV 2018 § 2; RBSFV 2019 § 2; SGG § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2; ZPO § 5
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 16. Dezember 2019 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Höhe der bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) im Zeitraum März 2018 bis Februar 2019 und die vom Kläger begehrte Feststellung, dass die zunächst fehlende Weiterbewilligung der Leistungen in der Zeit vom 01.03.2019 bis 22.03.2019 rechtswidrig war.
Der 1957 geborene Kläger und Berufungskläger (Kläger) bezieht laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Beklagten und Berufungsbeklagten (Beklagten). Er bewohnt eine Wohnung in der A-Straße in A-Stadt, für die er im streitigen Zeitraum zunächst Unterkunftskosten in Höhe von insgesamt 341,19 Euro (206,19 Euro Grundmiete, 135,- Euro Betriebs- und Heizkosten) monatlich zu zahlen hatte. Die Kosten für Unterkunft und Heizung wurden direkt an den Vermieter überwiesen.
Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 14.02.2018 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 24.11.2018, 22.01.2019 und 12.02.2019 für März 2018 bis Februar 2019 Leistungen in Höhe von monatlich 757,19 Euro (Regelleistung 416,- Euro, Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 341,19 Euro) für die Zeit von März 2018 bis Juni 2018, in Höhe von 758,35 Euro für die Zeit von Juli bis Dezember 2018 (Berücksichtigung einer Erhöhung der Grundmiete), in Höhe von 950,03 Euro für Januar 2019 (Berücksichtigung einer Nachzahlung auf die Heiz- und Nebenkostenabrechnung in Höhe von 183,68 Euro) und in Höhe von 768,92 Euro für Februar 2019 (Berücksichtigung einer Mieterhöhung). Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.02.2018 begründete der Kläger damit, mit seiner Unterschrift unter den Leistungsantrag gewähre er dem Beklagten die Möglichkeit, seine Grundrechte einzuschränken. Dies sei seit Januar 2005 der Fall, da ihm damals nur ein monatlicher Regelsatz von 285,- Euro überwiesen worden sei. Zuletzt sei im Dezember 2016 der Regelsatz ohne Grund gekürzt worden.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 09.04.2018 hinsichtlich der behaupteten Kürzung der Regelleistung im Jahr 2016 als unzulässig verworfen, da der Widerspruch hiergegen erst am 15.03.2018 eingegangen sei. Zudem seien Streitigkeiten aus dem Jahr 2016 bereits gerichtlich behandelt worden. Im Übrigen werde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Leistungen nach dem SGB II seien mit dem Bescheid vom 14.02.2018 in gesetzlicher Höhe bewilligt worden. Sofern sich der Kläger in seinen Grundrechten eingeschränkt sehe, sei dem die Verfassungskonformität des SGB II entgegenzuhalten.
Der Kläger erhob am 09.05.2018 Klage zum Sozialgericht München (S 52 AS 1176/18). Diese Klage sei zu verbinden mit dem Az. S 51 AS 564/17; das dort (am 18.04.2018) ergangene Urteil sei verfassungswidrig.
Der Beklagte bat den Kläger mit Schreiben vom 03.01.2019 um Einreichung des Weiterbewilligungsantrags. Mit Schreiben vom 07.02.2019 teilte der Kläger mit, dass er einen Weiterbewilligungsantrag für weitere SGB II-Leistungen ab März 2019 leider nicht stellen könne. Deshalb sei sein Leben ab diesem Zeitpunkt nicht mehr gesichert. Er werde seit Leistungsgewährung ab Januar 2005 gezwungen, mit seinem Antrag auf ein selbstbestimmtes Leben zu verzichten. Der Beklagte habe freiwillig Leistungen ohne Antrag zu erbringen. Solange über seine Klage S 52 AS 1176/18 nicht entschieden worden sei, müsse er auf einen Weiterbewilligungsantrag zwangsläufig verzichten, so dass ab 01.03.2019 akute Lebensgefahr bestehe.
Mit Schreiben vom 11.02.2019, eingegangen am 13.02.2019, erhob der Kläger beim Sozialgericht eine "Untätigkeitsklage im Eilverfahren" mit dem Ziel, eine sofortige Entscheidung im Verfahren S 52 AS 1176/18...