Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. einstweiliger Rechtsschutz. keine vorläufige Gewährung von Leistungen nach der Pflegestufe I bei nicht dokumentiertem Eintritt des Leistungsfalls und verbessertem Allgemeinzustand. Verfassungsmäßigkeit von §§ 14, 15 SGB 11
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Anspruch auf Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung besteht im einstweiligen Rechtsschutz jedenfalls dann nicht, wenn der Eintritt des Leistungsfalls bislang nicht dokumentiert ist und sich aus aktuellen ärztlichen Berichten ein gebesserter Allgemeinzustand ergibt.
2. Die Stufen der Pflegebedürftigkeit verstoßen nicht gegen das verfassungsrechtliche Verbot der Benachteiligung von Menschen mit Behinderung.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 30. März 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf.), die von ihrer Betreuerin vertreten wird, begehrt die Gewährung von Leistungen nach der Pflegestufe I. Einen Antrag vom 25. Januar 2008 lehnte die Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Bg.) nach Einholung von Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) mit Bescheid vom 10. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2009 ab. Sie bezog sich dabei auf die Feststellungen des MDK vom 20. März 2008, dass trotz bestehender chronischer Polyarthritis und Gonarthrose keine Pflegestufe (Grundpflege 10 Minuten, hauswirtschaftliche Versorgung 30 Minuten, Gesamtzeitbedarf 40 Minuten) vorliege. Mit Gutachten vom 26. März 2009 bestätigte der MDK diese Einschätzung, gelangte jedoch zu einem Bedarf in der Grundpflege von 30 Minuten und in der Hauswirtschaft von 45 Minuten.
In dem beim Sozialgericht Würzburg durchgeführten Klageverfahren (Az.: S 14 P 46/09) hat das Sozialgericht den Internisten und Sozialmediziner Dr. G. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser ist in dem Gutachten vom 8. Februar 2010 zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der Bf. ein Hilfebedarf in der Grundpflege von 38 Minuten (Körperpflege 20 Minuten, Ernährung 6 Minuten, Mobilität 12 Minuten) bestehe. Mit Gerichtsbescheid vom 17. Mai 2010 hat das Sozialgericht die Klage daraufhin abgewiesen. Hiergegen ist derzeit eine Berufung beim Bayer. Landessozialgericht anhängig (Az.: L 2 P 55/10).
Am 26. März 2010 ist beim Sozialgericht Würzburg ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz eingegangen, mit dem die Bf. für die Dauer von zunächst fünf Monaten die Gewährung einer Grundpflege durch einen Pflegedienst begehrt. Seit dem Gutachten des Dr. G. habe sich der Gesundheitszustand verschlechtert. Hierzu hat die Bf. eine eidesstattliche Versicherung von Herrn M. P. vom 25. März 2010, einen ärztlichen Bericht des Universitätsklinikums A-Stadt vom 17. März 2010 sowie einen Bericht des Chirurgen Dr. F. vom 4. März 2010 vorgelegt.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie der Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 30. März 2010 abgelehnt. Es läge weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund vor. Nach dem für das Gericht bei summarischer Prüfung überzeugenden und schlüssigen Gutachten des Dr. G. lägen die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I nicht vor. Die von der Bf. vorgebrachte notwendige Hilfe bei der Wundversorgung gehöre nicht zur Grundpflege im Sinne des Elften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XI), sondern zum Behandlungspflege, die von der gesetzlichen Krankenversicherung zu leisten wäre. Im Übrigen sei nicht glaubhaft gemacht, dass sich der Hilfebedarf signifikant erhöht habe. Aufgrund der finanziellen Situation sei auch ein Anordnungsgrund nicht ersichtlich.
Gegen diesen Beschluss hat die Bf. Beschwerde eingelegt. Sie hat hierbei bestritten, dass es sich bei den Begutachtungen durch den MDK um Gutachten handele. Ferner hat sie Einwendungen gegen das Gutachten des Dr. G. vorgebracht. Die Weigerung, ihr ein wöchentliches häusliches Bad anzuerkennen, wie dies von Dr. G. geschehen sei, verstoße gegen Art. 118 a der Bayerischen Verfassung (BV). Die Bg. habe sich mit der gefährlichen Erkrankung und der dadurch entstandenen erheblichen Verschlechterung der Lebenssituation nicht auseinandergesetzt oder berücksichtigt. Sie habe sich krankheitsbedingt vom 25. Mai bis 2. Juni 2010 im Universitätsklinikum A-Stadt stationär behandeln lassen müssen. Anschließend sei bis 12. Juni 2010 die Antibiotikatherapie mit einer täglichen Infusion zuhause fortgesetzt worden. Die Bf. hat hierzu einen Bericht des Universitätsklinikums A-Stadt vom 25. Mai 2010 vorgelegt.
Die Bg. hat darauf hingewiesen, dass die Gewährung von Pflegeleistungen im Rahmen einer Pflegestufe nicht zulässig sei, solange die Voraussetzungen für eine Pflegestufe nicht durch eine Stellungnahme des MDK oder durch ein gerichtliches Gutachten nachgewiesen seien. Eine Auseinandersetzung mit dem G...