Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Befreiung. Versicherungspflicht. selbständiger Arzt. berufsständische Versorgung
Orientierungssatz
Zur Befreiung eines selbständigen Arztes, der kraft Gesetzes Mitglied der Ärzteversorgung ist, von der Rentenversicherungspflicht, wenn die Antragspflichtversicherung nach Beginn der berufsständischen Versorgung begründet wurde.
Tatbestand
Streitig ist die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht gemäß § 6 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).
Der 1945 geborene Kläger ist selbstständiger Allgemeinarzt. Er siedelte am 07.08.1982 aus der damaligen DDR in die Bundesrepublik über. Seit 01.04.1983 ist er in eigener Praxis tätig und kraft Gesetzes Mitglied der Bayer. Ärzteversorgung. Auf seinen Antrag stellte die Beklagte mit Bescheid vom 21.02.1985 die Versicherungspflicht des Klägers in der Rentenversicherung der Angestellten für die Dauer der selbstständigen Erwerbstätigkeit fest. Sie führte aus, für die Berechnung des Monatsbeitrags gelte 1/12 des jährlichen Gesamtbetrags der Einkünfte aus der versicherungspflichtigen selbstständigen Erwerbstätigkeit (nach Abzug der Betriebsausgaben, aber vor Abzug der Sonderausgaben und Freibeträge); nach den angegebenen beitragspflichtigen Bruttoarbeitsbezügen (DM 400,00 monatlich) habe der Kläger Monatsbeiträge in Höhe von DM 75,00 zu entrichten.
Aufgrund einer vom Kläger beantragten Änderung in der bargeldlosen Beitragsentrichtung wurde mit weiterem Bescheid vom 14.04.1986 die Versicherungspflicht des Klägers während der selbstständigen Tätigkeit erneut festgestellt und auf die Berechnung der Monatsbeiträge in Höhe von 1/12 des jährlichen Gesamtbetrags der Einkünfte aus der versicherungspflichtigen Tätigkeit hingewiesen. Es blieb jedoch weiter bei dem geringen monatlichen Beitrag (nunmehr DM 79,00), da der Kläger im Formularantrag zur Beitragshöhe angekreuzt hatte: "nach einem Arbeitsentgelt wie bisher".
Mit Schreiben vom 28.03.1994 informierte die Beklagte den Kläger über die von ihr in Zukunft beabsichtigte Einziehung des Regelbeitrages für versicherungspflichtige Selbstständige nach einem Arbeitseinkommen in Höhe der Bezugsgröße (Regelbeitrag ab August 1994: DM 752,64) und bat um Nachweise im Falle einer Abweichung der Einkommenshöhe. Der Kläger beantragte daraufhin mit Schreiben vom 05.05.1994 die Umwandlung der bisher entrichteten Pflichtbeiträge in freiwillige Beiträge mit der Begründung, eine Versicherungspflicht nach § 2 Abs.1 Nr.11 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG)/4 Abs.2 SGB VI habe nie in seiner Absicht gelegen. Er habe vielmehr freiwillige Beiträge zum Erhalt der Anwartschaft für eine Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit aufgrund der zum 01.01.1984 eingetretenen Gesetzesänderung entrichten wollen. Er sei bei Gründung seiner Praxis mit dem Versicherungswesen der Bundesrepublik nicht vertraut gewesen und habe sich in Unkenntnis der Rechtslage im Rentenrecht irrtümlich "verpflichtet" gefühlt, Beiträge zu zahlen, um seine Mitgliedschaft nicht zu verlieren. Eine Pflichtversicherung in der gesetzlichen Angestelltenversicherung sei für ihn neben den Beiträgen der Bayerischen Ärzteversorgung nicht finanzierbar.
Mit Bescheid vom 02.08.1994 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Kläger unterliege der Pflichtversicherung auf Antrag, solange er als Arzt selbstständig tätig sei, eine Beendigung aus sonstigen Gründen sei nicht möglich, auch nicht für die Zukunft, da die Versicherungspflicht erst nach Eintritt der Zugehörigkeit zur Bayerischen Ärzteversorgung beantragt worden sei.
Mit seinem Widerspruch berief sich der Kläger erneut auf die Unkenntnis über die Definition der Begriffe Pflichtversicherung und freiwillige Versicherung und das irrtümliche Ankreuzen der Pflichtversicherung für Selbstständige sowie auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch wegen angeblich unterlassener Aufklärung durch die Beklagte. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01.12.1994 zurück, da es für die Umstellung von Versicherungspflicht auf freiwillige Versicherung an einer gesetzlichen Grundlage fehle und eine Beendigung der eingetretenen Versicherungspflicht aus sonstigen Gründen nicht möglich sei. Einer Befreiung von der Versicherungspflicht stehe entgegen, dass diese erst nach Eintritt der Zugehörigkeit zur Bayerischen Ärzteversorgung beantragt worden sei. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch sei angesichts 10-jähriger Entrichtung von Pflichtbeiträgen nicht gegeben. Ebensowenig sei von einem Motivirrtum auszugehen.
Mit der Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter und machte auch einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach §§ 7 Abs.2 AVG/6 Abs.1 Nr.1 SGB VI geltend. Ein entsprechender Antrag könne nicht als unzulässige Rechtsausübung angesehen werden. Der Anteil des Familieneinkommens, der durch seine Beiträge zur Pflichtversicherung in der Angestelltenversicherung aufgezehrt werde, sei unangemessen hoch. Er könne seine Praxis nicht mehr aufrechterhalten, wenn e...