Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht
Leitsatz (redaktionell)
Die Regelung des § 176 ZPO ist im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend anwendbar, wenn ein Rechtsanwalt sich als Verfahrensbevollmächtigter eines Beteiligten gemeldet hat und auch ohne Vorlage einer schriftlichen Vollmachtsurkunde seine umfassende Bevollmächtigung als nachgewiesen zu erachten ist.
Normenkette
ZPO § 176
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 11.02.1993; Aktenzeichen 13 T 11150/92) |
AG Nürnberg (Aktenzeichen VI 3370/91) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3 gegen den Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 11. Februar 1993 wird zurückgewiesen.
II. Der Beteiligte zu 3 hat die den Beteiligten zu 1 und 2 im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Wert des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 260 000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der am 1991 verstorbene Erblasser ist laut Erbschein vom 25.9.1991 von seiner Witwe, der Beteiligten zu 1, und seinem Sohn, dem Beteiligten zu 2, je zur Hälfte beerbt worden. Der Beteiligte zu 3 hat am 24.8.1992 beim Nachlaßgericht Unterlagen vorgelegt, wonach er dem Erblasser ein Darlehen von 520 000 DM gewährt habe, und beantragt, den Erben eine Frist zur Errichtung des Nachlaßinventars zu bestimmen. In der Antragsschrift sind die Rechtsanwälte und Kollegen als „Prozeßbevollmächtigte” der Erben bezeichnet. Das Nachlaßgericht hat den Erben Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Der Beteiligte zu 2 hat mit Schreiben vom 17.9.1992 gebeten, die gesetzte Frist bis 30.9.1992 zu verlängern, da er von seinem Anwalt nicht früher eine Antwort erhalten könne. Mit Schriftsatz vom 30.9.1992 haben sich die Rechtsanwälte und Kollegen beim Nachlaßgericht „als Bevollmächtigte der Antragsgegner” gemeldet, auf das Schreiben vom 17.9.1992 Bezug genommen und um Verlängerung der Äußerungsfrist gebeten.
Das Nachlaßgericht hat mit Beschluß vom 6.10.1992 den Erben, „beide vertreten durch Rechtsanwälte und Kollegen”, eine Frist von einem Monat zur Errichtung eines Nachlaßinventars bestimmt. Der Beschluß ist dem Beteiligten zu 2 persönlich am 7.10.1992 und den Rechtsanwälten am 15.10.1992 zugestellt worden. Der Beteiligte zu 2 beantragte am 15.11.1992 mittels Telefax eine Fristverlängerung. Mit einem weiteren Telefax vom Montag, den 16.11.1992 bat er unter Bezugnahme auf eine persönliche Vorsprache beim Nachlaßgericht, „die Abgabefrist zu verlängern oder eine Niederschrift zu erstellen”. Am 19.11.1992 beantragten die Rechtsanwälte die amtliche Aufnahme des Inventars, vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Verlängerung der Inventarfrist.
Mit Beschluß vom 23.11.1992 stellte das Nachlaßgericht (Rechtspfleger) fest, daß die Inventarfrist mit dem 7.11.1992 abgelaufen sei (Nr. 1), und wies die Verlängerungsanträge vom 15.11., 16.11. sowie 19.11.1992 zurück (Nr. 2), desgleichen den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Nr. 3) und den Antrag auf amtliche Aufnahme des Inventars (Nr. 4). Dieser Beschluß wurde den Rechtsanwälten und Kollegen am 27.11.1992 zugestellt mit der Bitte, Vollmacht vorzulegen. Mit der am 2.12.1992 beim Nachlaßgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde übergaben die Rechtsanwälte eine vom Beteiligten zu 2 namens der Erbengemeinschaft unterzeichnete Vollmacht „wegen Nachlaßverzeichnis” vom 30.9.1992.
Das Rechtsmittel ist dem Nachlaßrichter zur Entscheidung über die Abhilfe und von ihm dem Landgericht vorgelegt worden. Dieses hat durch Beschluß vom 11.2.1993 den Beschluß des Amtsgerichts aufgehoben und es angewiesen, für die innerhalb der Inventarfrist von den Erben beantragte amtliche Aufnahme des Inventars einen Notar auszuwählen. Gegen die am 17.2.1993 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 3.3.1993 als Telefax beim Nachlaßgericht eingegangene sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3.
Entscheidungsgründe
II.
1. Das Rechtsmittel ist als sofortige weitere Beschwerde statthaft (§ 27 Abs. 1, § 29 Abs. 2 FGG), denn es richtet sich gegen eine Entscheidung des Beschwerdegerichts im Sinn von § 77 Abs. 2 FGG. Das Landgericht hat eine Entscheidung des Nachlaßgerichts aufgehoben, mit der dieses Anträge der Erben als verspätet zurückgewiesen hatte, die auf eine Abwendung ihrer unbeschränkten Haftung für die Nachlaßverbindlichkeiten (§ 1994 Abs. 1 Satz 2 BGB) gerichtet waren. Ferner hat es das Nachlaßgericht angewiesen, die Aufnahme des Inventars gemäß § 2003 Abs. 1 Satz 1 BGB einem Notar zu übertragen.
Gegenstand der Beschwerdeentscheidung war somit letztlich die Frage, ob die Erben den Nachlaßgläubigern nur mit dem Nachlaß oder mit ihrem ganzen Vermögen haften, also eine Fallgestaltung, für die § 77 Abs. 2 FGG eine zeitliche Begrenzung des Beschwerderechts vorsieht (vgl. Schlegelberger FGG 7. Aufl. § 77 Rn. 11). Die sofortige weitere Beschwerde ist formgerecht (§ 29 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 2 und 4, § 21 FGG; vgl. Bassenge/Herbst FGG/RPflG 6. Aufl. § 21 FGG Anm. 2 a)...