Entscheidungsstichwort (Thema)
Urteil. Rechtsbeschwerde. Sachrüge. Schuldspruch. Rechtsfolgenausspruch. Bußgeld. Bußgeldbemessung. Bußgeldrahmen. Gastronomie. Gastronomiebetrieb. Außengastronomie. Außenbereich. Innenbereich. Innenraum. Freifläche. Außenfläche. Zugluft. Irrtum. Tatbestandsirrtum. Verbotsirrtum. Tatbestandsmerkmal. normativ. Bedeutungsgehalt. Sinngehalt. Bedeutungskenntnis. Schuldform. Vorsatz. Fahrlässigkeit. Pflichtwidrigkeit. Erkundigungspflicht. Rechtsrat. Subsumtion. Subsumtionsirrtum. Parallelwertung. Laiensphäre
Leitsatz (amtlich)
1. Die Bewirtung von Gästen in einem vollständig überdachten und nach allen Seiten von Wänden oder Fenstern eingegrenzten Raum erfüllt auch dann nicht den Begriff der Außengastronomie i.S.v. § 27 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 der 12. BayIfSMV, wenn infolge geöffneter Türen und Fenster und eines nicht vollständig aufliegenden Daches Zugluft entstehen kann.
2. Bei einem Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale muss sich der Vorsatz auf die maßgeblichen tatsächlichen Umstände beziehen, die der vorzunehmenden Wertung zugrunde liegen und von denen das Vorliegen eines wertausfüllungsbedürftigen Merkmals abhängt. Darüber hinaus muss der Täter aber auch die unter das normative Tatbestandsmerkmal zu subsumierenden Sachverhaltselemente in ihrem für die Unrechtsbegründung wesentlichen Bedeutungsgehalt erfasst haben (Anschl. an BGH, Urt. v. 09.11.2016 - 5 StR 313/15 = BGHSt 61, 305 = wistra 2017, 153 = BGHR StGB § 266 Abs 1 Vermögensbetreuungspflicht 55 = NZM 2017, 780).
Normenkette
StPO § 349 Abs. 2, § 473; OWiG § 11 Abs. 1, § 17 Abs. 2-3, § 46 Abs. 1, § 79 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1, Abs. 6; IfSG § 73 Abs. 1a Nr. 24, Abs. 2; 12. BayIfSMV § 13 Fassung: 2021-03-05, § 27 Fassung: 2021-03-05; BayGSG Art. 3 Abs. 1 S. 1
Tenor
I.
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 07.04.2022 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Betroffene schuldig ist, fahrlässig entgegen § 13 der 12. BayIfSMV einen Gastronomiebetrieb geöffnet und betrieben zu haben, und deswegen zu einer Geldbuße von 2.000 Euro verurteilt wird.
II.
Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die Gebühr für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird jedoch um 1/5 ermäßigt. Die dem Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen werden in Höhe eines Fünftels der Staatskasse auferlegt. Im Übrigen hat der Betroffene seine Auslagen selbst zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen mit Urteil vom 07.04.2022 schuldig gesprochen, vorsätzlich entgegen § 13 der 12. BayIfSMV einen Gastronomiebetrieb geöffnet und betrieben zu haben, und hat deshalb eine Geldbuße in Höhe von 2.500 Euro gegen ihn verhängt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit welcher dieser die Verletzung materiellen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 30.06.2022 beantragt, die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 07.04.2022 als unbegründet zu verwerfen. Hierzu hat sich die Verteidigung mit Schriftsatz vom 02.08.2022 geäußert.
II.
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG statthaften und auch sonst zulässigen Rechtsbeschwerde hat mit Ausnahme der Schuldform und der Höhe der festgesetzten Geldbuße keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).
1. Das Urteil hat - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren relevant - im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
Der Betroffene ist Geschäftsführer eines Gastronomiebetriebs. Am 22.05.2021 im Zeitraum zwischen 13:00 und 15:30 Uhr öffnete der Betroffene einen Bereich des Lokals für die Bewirtung von Gästen auf der baurechtlich als "Freischankfläche Terrasse" zugelassenen Fläche, welche jedoch an einer Seite von einer Mauer und an drei Seiten durch fest mit dem Boden verbundene Metallprofile, die mit Glasscheiben ausgefüllt sind, umgrenzt wird, wobei ein Zeltdach, welches teilweise auf den Metallprofilen der Seitenwände aufliegt, die gesamte Fläche von rund 100 m2 überspannte. Eine der drei Glasfronten war vollständig geschlossen, bei zwei der Glasfronten waren die fünf Meter breiten Durchgänge vollständig geöffnet, sodass der umgrenzte Raum durch Dach und Seitenwände nicht vollständig gegen Regen und Zugluft geschützt war. Der Betroffene, der den äußeren Sachverhalt weitgehend eingeräumt hat, hat sich dahingehend eingelassen, dass er den Bereich für Außengastronomie gehalten habe und sich deshalb zur Öffnung berechtigt gesehen habe. Außengastronomie war nach Mitteilung des zuständigen Landratsamts zum Tatzeitpunkt zugelassen. Der Betroffene habe vorsätzlich gehandelt, da er sämtliche Tatbestandsmerkmale gekannt habe und hinsichtlich des Vorliegens von Außengastronomie lediglich einem Subsumtionsirrtum unterlegen sei.
2. Die rechtliche Einordnung des Tatrichters, dass der von dem Betroffenen unterhaltene Gastronomiebetrieb ...