Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbvertrag
Leitsatz (amtlich)
Bei der Auslegung eines umfangreichen Ehe- und Erbvertrages, kommt es wesentlich darauf an, den Zusammenhang der einzelnen Bestimmungen und Verfügungen zu erfassen und so die Tragweise einer bestimmten Verfügung aus dem Sinnzusammenhang heraus zu bestimmen.
Normenkette
BGB § 2299 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LG Traunstein (Beschluss vom 08.10.2001; Aktenzeichen 8 T 1329/01) |
AG Rosenheim (Beschluss vom 28.02.2001; Aktenzeichen VI 720/99) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 5 wird der Beschluß des Landgerichts Traunstein vom 8. Oktober 2001 aufgehoben.
II. Die Beschwerde des Beteiligten zu 15 gegen den Beschluß des Amtsgerichts Rosenheim vom 28. Februar 2001 wird zurückgewiesen.
III. Der Beteiligte zu 15 hat der Beteiligten zu 5 die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten zu erstatten.
IV. Die Akten werden dem Amtsgericht Rosenheim zurückgegeben.
Tatbestand
I.
Die 1999 im Alter von 85 Jahren verstorbene Erblasserin hatte mit ihrem 1969 vorverstorbenen Ehemann am 12.9.1947 einen notariell beurkundeten Ehe- und Erbvertrag geschlossen. Mit diesem vereinbarten die (künftigen) Eheleute als Güterstand die allgemeine Gütergemeinschaft. In das Gesamtgut fiel insbesondere das landwirtschaftliche Hofanwesen, das der Ehemann aufgrund eines am gleichen Tage abgeschlossenen Übergabevertrages von seiner Mutter übernommen hatte. Ferner trafen die Eheleute durch Erbvertrag – unter Nr. II der Urkunde – folgende Verfügungen von Todes wegen:
- „Dasjenige von ihnen, das zuerst stirbt, wird von dem Überlebenden beerbt.
- Die pflichtteilsberechtigten Verwandten des zuerstversterbenden Eheteils erhalten den ihnen gesetzlich gebührenden Pflichtteil als Vermächtnis.
Für den Fall, daß die Ehefrau das Überlebende ist, wird weiter folgendes bestimmt:
1) Die Ehefrau hat das Anwesen samt dem landwirtschaftlichen Inventar an eines der gemeinschaftlichen Kinder unter den bei Verträgen zwischen Eltern und Kindern üblichen Bedingungen zu übergeben, es sei denn, daß keines dieser Kinder zur Übernahme und zur Bewirtschaftung des Anwesens bereit und geeignet ist. Der Zeitpunkt der Übergabe und die Wahl des Kindes stehen der Ehefrau frei. Hat sich die Ehefrau wieder verheiratet, so kann auch zu Gunsten des Ehemannes ein angemessenes Leibgeding bedungen werden. Der Anspruch der Kinder auf Übertragung des Eigentums ist durch Eintragung einer Vormerkung nach dem Tode des Ehemannes auf dem Vertragsanwesen dinglich sicherzustellen.
2) Stirbt die Ehefrau ohne übergeben zu haben und ohne Hinterlassung von Abkömmlingen und ohne Hinterlassung eines Ehegatten aus einer neuen Ehe, so wird sie von dem Bruder des Ehemannes (= Beteiligter zu 15) beerbt. Zu Ersatzerben werden seine Abkömmlinge und, wenn er Abkömmlinge nicht hinterläßt, die Schwester oder ihre Abkömmlinge bestimmt.
3) Stirbt die Ehefrau ohne übergeben zu haben und ohne Hinterlassung von Abkömmlingen und ohne Hinterlassung eines Ehegatten aus einer neuen Ehe, so sind ihre Erben verpflichtet, an die nächsten Verwandten des vorverstorbenen Ehemannes und an ihre – der Ehefrau – eigenen nächsten Verwandten als Vermächtnis – sogenannten Rückfall – je einen Betrag von 3.000 RM innerhalb eines Jahres nach ihrem Todestage herauszuzahlen.
…
Die Beteiligten nehmen ihre Erklärungen gegenseitig an.”
Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. Die Erblasserin hatte sich nicht wiederverheiratet und hinterließ auch keine Abkömmlinge.
Mit notariell beurkundetem „Übergabevertrag” vom 25.10.1978 hatte die damals 64-jährige Erblasserin das Anwesen mitsamt dem landwirtschaftlichen Inventar unter Vereinbarung eines Leibgedings an ihre Nichte, die Beteiligte zu 5, übergeben.
Der Bruder des vorverstorbenen Ehemannes der Erblasserin (Beteiligter zu 15) beantragte mit notarieller Urkunde vom 3.7.2000 die Erteilung eines Erbscheins des Inhalts, daß die Erblasserin aufgrund des Erbvertrags durch ihn allein beerbt worden sei.
Die Beteiligten zu 1, 2 und 5 beantragten am 25.11.1999 die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins zugunsten der gesetzlichen Erben der zweiten Ordnung, der Beteiligten zu 1 bis 14.
Der Nachlaßrichter bewilligte am 18.7.2000 einen Erbschein gemäß dem Antrag des Beteiligten zu 15. Dagegen hat die Beteiligte zu 5 Beschwerde eingelegt. Das Nachlaßgericht hat mit Beschluß vom 28.2.2001 den erteilten Erbschein eingezogen.
Mit Beschluß vom 8.10.2001 hat das Landgericht – nunmehr auf Beschwerde des Beteiligten zu 15 – das Nachlaßgericht angewiesen, diesem Beteiligten einen mit dem eingezogenen inhaltlich gleichen Erbschein wieder zu erteilen.
Gegen diesen Beschluß hat die Beteiligte zu 5 weitere Beschwerde eingelegt.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 5 hat Erfolg. Der Beteiligte zu 15 hat die Erblasserin nicht beerbt. Der ihm zunächst erteilte Erbschein wurde daher vom Nachlaßgericht zu Recht wieder eingezogen. Seine Beschwerde gegen diese Entscheidung des Nachlaßgerichts hätte das Landgericht zurüc...