Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Zulässigkeit eines Sonderzuschlags gemäß § 9 Abs. 2 VOL bei Holznutzung.
EStG § 13; Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns
Normenkette
EStG § 13; VOL § 9 Abs. 2; GDL 8
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) ist nichtbuchführender Landwirt, dessen Gewinn nach der Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft vom 2. Juni 1949 (VOL) ermittelt wird. Im Einheitswert des Betriebs am 1. Januar 1935 in Höhe von 16.500 RM (DM) ist ein 15 ha großer Forst mit einem Wert von 3.710 RM (= DM) berücksichtigt. Im Wirtschaftsjahr 1951/52 schlug der Bf. einen 1,75 ha großen Forstteil ein und erzielte aus dem Holzverkauf eine Einnahme von 11.318 DM. Das Finanzamt machte wegen dieser außergewöhnlichen Einnahme einen Sonderzuschlag gemäß § 9 Abs. 2 VOL von 5.610 DM. Das Finanzgericht erhöhte den Zuschlag auf 6.209 DM. Es begründete seine Entscheidung wie folgt: Der Gewinn aus der forstwirtschaftlich genutzten Fläche sei nicht gesondert zu ermitteln, da die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 VOL nicht vorlägen. Wegen der außergewöhnlichen Holzeinnahme könne aber für das Wirtschaftsjahr 1951/52 ein Sonderzuschlag nach § 9 Abs. 2 VOL gemacht werden. Der Zuschlag sei berechtigt, da die Holzpreise zur Zeit wesentlich höher seien als zur Zeit der Einheitsbewertung. Der Bf. habe auch durch den Kahlschlag des 6,3-fache der jährlichen Normalnutzung gewonnen. Er habe damit auch nicht etwa im Wirtschaftsjahr 1951/52 aufgeschobene Holznutzungen früherer Jahre nachgeholt, da er schon in den beiden vorangegangenen Wirtschaftsjahren durch teilweise Kahlschläge größere Holzmengen geerntet habe. Den Sonderzuschlag von 6.209 DM errechnete das Finanzgericht wie folgt:
Holzerlös ----------------------------------------- 11.318 DM - 40 v. H. pauschal als Betriebs= ausgaben ------------------------------ 4.527 DM bisher versteuerter Betrag -------------- 582 DM --- 5.109 DM ---------------------------------------------------- 6.209 DM.Den bisher versteuerten Betrag ermittelte das Finanzgericht mit 38/36 des auf die 1,75 ha errechneten anteiligen Einheitswerts von 551 DM. Auf 38/36 kam das Finanzgericht, indem es für die Wirtschaftsjahre seit Inkrafttreten der VOL Besteuerung (1936) bis 1945/46 je 1/18 und für die späteren Wirtschaftsjahre je 1/12 des anteiligen Einheitswerts von 551 DM als versteuerten Jahresgewinn ansah. Auf den Sonderzuschlag von 6.209 DM erhob es eine Steuer von 10 v. H. gemäß § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.), mit der der Bf. sich gegen den Sonderzuschlag nach Grund und Höhe wendet, führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Nach § 8 Abs. 2 VOL wird der forstwirtschaftliche Gewinn nur getrennt ermittelt, wenn der Anteil der Forstwirtschaft im Einheitswert mehr als 10 v. H., mindestens aber 5.000 DM ausmacht. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der Gewinn aus der Forstwirtschaft ist also grundsätzlich im Durchschnittssatz nach der VOL abgegolten. Nach dem Urteil des Senats IV 147/50 U vom 22. August 1951 (Slg. Bd. 55 S. 455, Bundessteuerblatt - BStBl. - III S. 183) kann zwar unter besonderen Umständen auch wegen außergewöhnlicher Einnahmen aus Holznutzung für ein einzelnes Jahr ein Zuschlag gemäß § 9 Abs. 2 VOL in Betracht kommen. Es muß aber immer geprüft werden, ob ein Zuschlag nach Grund und Höhe nicht gegen die Grundsätze der VOL verstößt. Die Besteuerung der kleineren landwirtschaftlichen Betriebe ist, wenn die Voraussetzungen vorliegen, nach den Grundsätzen der VOL vorzunehmen. Die Finanzbehörden können nicht etwa, wenn ihnen eine andere Besteuerungsmethode günstiger scheint, von der VOL-Besteuerung abweichen. Die Durchschnittsätze sind für die Steuerpflichtigen und die Finanzbehörden bindend und gelten auch, wenn beim einzelnen Betrieb oder im einzelnen Wirtschaftsjahr der tatsächliche Gewinn höher oder niedriger ist. Sonderzuschläge können nur nach § 7 oder § 9 Abs. 2 VOL gemacht werden. Die Durchschnittsätze nach der VOL werden sich nur selten mit dem tatsächlichen Gewinn im einzelnen Wirtschaftsjahr decken. Das Gesetz nimmt das in Kauf, weil gewöhnlich innerhalb mehrerer Wirtschaftsjahre ein Ausgleich eintritt, ferner weil es sich um kleinere Landwirtschaften handelt und schließlich, weil die mit der VOL erstrebte Vereinfachung den Verzicht auf genaue und individuelle Gewinnermittlung im einzelnen Wirtschaftsjahr vertretbar erscheinen läßt.
Die angefochtene Entscheidung ist in mehrfacher Hinsicht bedenklich. Sie zieht von der Holzeinnahme neben den pauschalierten Betriebsausgaben einen weiteren Betrag von 582 DM ab, um die bei der VOL-Besteuerung auf die kahlgeschlagene Fläche seit 1936 entfallenden Gewinnanteile auszusondern. Sie nimmt damit die kahlgeschlagene Fläche aus der VOL-Besteuerung aus, ermittelt den Gewinn aus dieser Fläche in Form der überschüsse der Betriebseinnahmen über die pauschalierten Betriebsausgaben und setzt ihn als Zuschlag dem VOL-Gewinn zu. Dieses Verfahren verstößt gegen den Aufbau der VOL. Der landwirtschaftliche Gewinn ist im ganzen nach der VOL zu ermitteln. Es kann, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 VOL vorliegen, nicht etwa der Gewinn für den einen Betriebsteil nach Durchschnittsätzen und für einen anderen Betriebsteil individuell errechnet werden. Noch weniger ist es zulässig, wie es das Finanzgericht will, für den forstwirtschaftlichen Betriebsteil grundsätzlich den VOL- Gewinn, für eine einzelne Parzelle aber den überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben anzusetzen. Die Vorentscheidung beseitigt ohne gesetzliche Grundlage rückwirkend die seit 1936 auch hinsichtlich der Fläche von 1,75 ha zutreffend vorgenommene VOL-Besteuerung und setzt eine andere Gewinnermittlung an deren Stelle. Das Ergebnis des Finanzgerichts ist auch wirtschaftlich unrichtig. Der Bf. hat im Rahmen der VOL laufend forstwirtschaftliche Gewinne versteuert, ohne Rücksicht darauf, ob er in den einzelnen Jahren überhaupt oder in der angesetzten Höhe forstwirtschaftliche Nutzungen hatte. Das Finanzgericht hat nicht festgestellt, welche Nutzungen der Bf. seit 1936 tatsächlich aus der Forstwirtschaft insgesamt hatte. Das ist mangels einer Buchführung, zu der der Bf. nicht verpflichtet ist, schwierig. Bei einer solchen Feststellung hätte das Finanzgericht jedenfalls aber wenigstens die Forstwirtschaft als Ganzes betrachten müssen. Es durfte nicht eine hiebreife Parzelle herausnehmen und für sich behandeln. Ein Forst hat im allgemeinen verschiedene Altersklassen und auch Bestände, die keinen oder nur geringen Nutzen abwerfen. Auch für solche Bestände wird aber bei der VOL-Besteuerung ein Ertrag angesetzt. Solange im vorliegenden Fall der Einheitswert nicht fortgeschrieben ist, versteuert der Bf. auch in Zukunft auf der Grundlage des bisherigen Einheitswerts, obgleich der Wert des Betriebs durch den Kahlschlag tatsächlich gesunken ist. Wird der Einheitswert nach dem Holzeinschlag fortgeschrieben, bleibt immer noch die Grundfläche bzw. der neue Jungbestand im Einheitswert und erhöht den Durchschnittssatz nach der VOL, obgleich auf Jahrzehnte hinaus ein Ertrag nicht zu erzielen ist. Das Finanzgericht stellt auch unvergleichbare Größen einander gegenüber, wenn es 38/36 des anteiligen Einheitswerts vom 1. Januar 1935 mit dem Verkaufserlös im Jahre 1951 vergleicht. Es hätte, wenn überhaupt, die bisher versteuerten Beträge auf der Grundlage der Preise von 1951 umrechnen müssen.
Nach allem ist der Betrag von 6.209 DM, den das Finanzgericht dem VOL-Gewinn zugesetzt hat, kein Zuschlag im Sinne des § 9 Abs. 2 VOL, sondern ein in rechtlich unzulässiger Form ermittelter Gewinn aus einer forstwirtschaftlichen Parzelle. Nach § 9 Abs. 2 VOL sollen außergewöhnliche Betriebseinnahmen in einem Jahr, die bei der Einheitsbewertung nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt worden sind, durch einen Sonderzuschlag ausgeglichen werden. Da der Sonderzuschlag Gewinnteil eines Jahres ist, kann darauf § 34 EStG in der Regel nicht Anwendung finden, wie es das Finanzgericht ohne nähere Begründung angenommen hat.
Die Vorentscheidung ist deshalb wegen rechtsirrtümlicher Anwendung des § 9 Abs. 2 VOL aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Besondere Gründe für einen Zuschlag nach § 9 Abs. 2 VOL liegen nach den Feststellungen des Finanzgerichts nicht vor. Die Holzpreise sind seit 1935 zwar erheblich gestiegen. Das gilt aber allgemein. Ein solcher Umstand kann ebensowenig einen Sonderzuschlag nach § 9 Abs. 2 VOL rechtfertigen wie die Tatsache, daß auch die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse seit 1935 allgemein erheblich gestiegen sind. Deswegen könnte nicht etwa für alle landwirtschaftlichen VOL-Betriebe ein Zuschlag gemacht werden. Allgemeinen änderungen der Verhältnisse muß, wenn die Berücksichtigung für geboten erachtet wird, durch änderung der gesetzlichen Grundlagen Rechnung getragen werden, z. B. durch Neufestsetzung der Einheitswerte, durch änderung der Hundertsätze, die nach der VOL als Grundbetrag erhoben werden, durch änderung der Grenzen des § 8 Abs. 2 VOL usw. Für den Zuschlag nach § 9 Abs. 2 VOL sind nur die besonderen Verhältnisse im einzelnen Betrieb maßgebend. Daß aber im Betrieb des Bf. über die allgemeine Preissteigerung hinaus erhöhte Preise (z. B. übersetzte Schwarzmarktpreise) erzielt worden sind, ist nicht festgestellt und auch nicht anzunehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 407953 |
BStBl III 1954, 231 |
BFHE 1955, 58 |
BFHE 59, 58 |