Prof. Dr. Meliha Povlakic, Dr. Darja Softic Kadenic
Rz. 31
In der Republik Srpska gehören zum Kreis der gesetzlichen Erben nur Blutsverwandte, Adoptivkinder und -eltern und, soweit vorhanden, der Ehegatte des Erblassers. Andere Verbindungen zwischen dem Erblasser und bestimmten Personen, wie z.B. zwischen nichtehelichen Partnern, Pflegeeltern oder -kindern, Stiefeltern und -kindern, reichen nicht aus, um diese Personen in den Kreis der gesetzlichen Erben einzureihen. Die gleiche rechtliche Situation bestand auch in der Föderation BuH und Brčko Distrikt BuH bzw. besteht weiterhin für alle Erbschaften, welche bis zum 9.1.2015 (Föderation BuH) bzw. bis zum 7.4.2018 (Brčko Distrikt BuH), dem Tag des Anwendungsbeginns des neuen Erbgesetzes, eröffnet wurden; alle Erbfälle, die bis zu diesem Datum aufgetreten sind, werden nach dem alten Erbgesetz der Sozialistischen Republik BuH verhandelt, Art. 269 Abs. 1 ErbG FBuH, Art. 273 Abs. 1 ErbG BD BuH. Allerdings ist in den neuen Erbgesetzen der Föderation BuH und des Brčko Distrikts BuH eine nichteheliche Partnerschaft jetzt als eine relevante Verbindung zu dem Erblasser angesehen bzw. der nichteheliche Partner gehört zu dem Kreis der gesetzlichen Erben (s. Rdn 32, 42 und 42). Obwohl in der Republik Srpska der nichteheliche Partner nicht ausdrücklich als Erbe vorgesehen ist, kann die Frage gestellt werden, ob es Gründe gibt, welche doch auch hier dafür sprechen, dass ein/e nichtehelicher/e Partner/in als gesetzlicher Erbe betrachtet werden sollte. Das Familiengesetz der RS stellt nämlich die eheliche und nichteheliche Gemeinschaft gleich, wenn es sich um Vermögensfragen handelt (Art. 13 Abs. 2) und das ErbG RS sieht vor, dass die Bürger unter gleichen Umständen in Erbfragen gleichgestellt sind (Art. 3).
Rz. 32
Die Tatsache, dass in dem früheren Erbrecht die nichteheliche Gemeinschaft nicht als eine erblich relevante Verbindung zum Erblasser vorgesehen war, wurde in der Doktrin der Länder des ehemaligen Jugoslawien weder kritisiert noch besonderes beachtet oder als mangelhaft empfunden. Dabei stellten bezüglich der vermögensrechtlichen Beziehungen (Güterstand, Unterhalt) bereits das Familiengesetz der Sozialistischen Republik Bosnien und Herzegowina aus dem Jahre 1979 (weiter: FamG SR BuH) sowie Familiengesetze anderer Teilrepubliken eine nichteheliche Gemeinschaft einer ehelichen Gemeinschaft gleich, Art. 14 FamG SR BuH. Diese prinzipielle Haltung gegenüber einer nichtehelichen Gemeinschaft wurde allerdings im Erbrecht nicht umgesetzt und der nichteheliche Partner war kein gesetzlicher Erbe. Das ErbG FBuH und das ErbG BD BuH bringen bezüglich der Erbstellung eines nichtehelichen Partners hier eine wesentliche Änderung mit sich und ordnen ihn in den Kreis der gesetzlichen Erben ein (siehe näher Rdn 42). In der Republik Srpska ist ein nichtehelicher Partner noch immer kein gesetzlicher Erbe. Allerdings betrifft diese Änderung nur die Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau. In BuH insgesamt gibt es keine besonderen Vorschriften über eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft. Folglich berücksichtigt das Erbrecht eine solche Gemeinschaft nicht.
Rz. 33
Das bisherige Erbrecht in BuH kannte seit 1973 bis zu den Änderungen 2009 (Republik Srpska), 2015 (Föderation BuH) bzw. 2017 (Brčko Distrikt BuH) einen ziemlich begrenzten Umfang der Verwandten, welche als gesetzliche Erben antreten konnten (Prinzip des geschlossenen Kreises der gesetzlichen Erben). Dies entsprach der durch die sozialistische Doktrin vertretenen Ansicht, dass der Staat, welcher wichtige Aufgaben im Bereich der Sozialpolitik und des Familienschutzes zu erfüllen hat, den Vorrang gegenüber entfernten Verwandten, zu welchen der Erblasser vielleicht keinerlei enge Verbindungen pflegte, genießen sollte. Die Begrenzung des Erbenkreises wurde durch die Begrenzung der Erbordnungen (drei) und durch die Beschränkung des Repräsentationsprinzips durchgeführt (dieses Prinzip war in der dritten Erbordnung stark begrenzt). Das Prinzip des geschlossenen Kreises der gesetzlichen Erben gilt auch weiterhin in allen Teilen BuH, allerdings wurde der Kreis der gesetzlichen Erben ausgedehnt. Im neuen Erbrecht in BuH wurden die beiden vorher bestehenden Beschränkungen aufgehoben (es sind auch weitere Erbordnungen zugelassen, das Repräsentationsprinzip gilt auch in dritter Erbordnung unbeschränkt). Die Ausdehnung des Kreises der gesetzlichen Erben könnte auch als eine Emanation der verfassungsrechtlich festgelegten Eigentumsgarantie betrachtet werden; der Staat wird zu einem ultima ratio-Erben, die Familie des Erblassers genießt den Vorrang.
Rz. 34
Insgesamt betrachtet können in Gesamt-BuH alle Nachfahren des Erblassers, sein Ehegatte, seine Eltern, Geschwister und ihre Nachfahren, seine Großeltern und alle ihre Nachkommen, die Urgroßeltern und alle weiteren Vorfahren in gerader Linie auf die Erbschaft berufen werden, Art. 8 Abs. 1 ErbG FBuH, Art. 7 Abs. 1 ErbG RS, Art. 8 Abs. 1 ErbG BDBuH. Trotz dieser Ausdehnung des Kreises der gesetzlichen Erben kennt das bosnis...