Leitsatz (amtlich)
Wird eine Partei bei einem auswärtigen Gericht verklagt und beauftragt sie mit ihrer Vertretung einen Rechtsanwalt, der weder am Wohn- oder Geschäftsort der Partei noch im Bezirk des Prozessgerichts ansässig ist, dann sind die Reisekosten des Anwalts zum Termin vor dem Prozessgericht jedenfalls dann erstattungsfähig, wenn der Anwalt bereits mit der vorgerichtlichen Interessenwahrnehmung beauftragt war und durch seine Beauftragung keine Mehrkosten entstehen.
Verfahrensgang
AG Fürstenwalde (Beschluss vom 06.11.2002; Aktenzeichen 9 F 151/00) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des AG F. vom 6.11.2002 (betreffend die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Kläger zur Last.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 249,37 Euro festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Die gem. §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 S. 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers, mit der er sich gegen die antragsgemäß erfolgte Festsetzung der dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten für den Gerichtstermin am 26.9.2000 vor dem AG F. entstandenen Reisekosten (Fahrkosten und Abwesenheitsgeld) wendet, hat in der Sache keinen Erfolg.
Durch Beschluss vom 12.12.2002 hat der BGH bei der Frage der Erstattungsfähigkeit von Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass eine Partei nicht unmittelbar einen am Prozessort ansässigen Rechtsanwalt beauftragt, einer differenzierenden Einzelfallprüfung unter verfahrensökonomischen Gründen eine Absage erteilt (vgl. BGH v. 12.12.2002 - I ZB 29/02, BGHReport 2003, 308 [309]). Nach seinen Ausführungen ist eine typisierende Betrachtung geboten.
Der BGH hat für die Frage, ob die Zuziehung eines nicht beim Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts i.S.v. § 91 Abs. 2 S. 1 Halbs. 2 ZPO als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig anzusehen ist, drei Fallgruppen gebildet. Im ersten Fall erfolgt bei Klage am Wohn- oder Geschäftsort der Partei die Beauftragung eines am Drittort ansässigen Rechtsanwalts. Für diese Fallgruppe hat der BGH als Ausnahme von der Regel, dass im Allgemeinen allein die Beauftragung eines beim Prozessgericht zugelassenen, in seinem Bezirk ansässigen Rechtsanwalts notwendig ist (vgl. BGH v. 12.12.2002 - I ZB 29/02, BGHReport 2003, 308 [309]) die Erstattungsfähigkeit der dadurch entstehenden Mehrkosten nur dann verneint, wenn es einen vergleichbar spezialisierten ortsansässigen Rechtsanwalt gibt (vgl. hierzu AnwBl. 2003, 181).
Im zweiten Fall klagt eine Partei bei einem auswärtigen Gericht oder wird dort verklagt und beauftragt mit ihrer Vertretung einen an ihrem Wohn- und Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt. Für diese Fallkonstellation ist im Regelfall davon auszugehen, dass die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalts aus der Sicht einer vernünftigen kostenorientierten Partei als sachdienlich anzusehen ist mit der Folge, dass die Reisekosten des auswärtigen Anwalts zum Prozessgericht als erstattungsfähig anzuerkennen sind (vgl. hierzu BGH v. 16.10.2002 - VIII ZB 30/02, BGHReport 2003, 152 = MDR 2003, 233 [235]; KG v. 23.1.2001 - 1 W 8967/00, KGReport Berlin 2001, 102 = MDR 2001, 473 [474]).
Die dritte vom BGH genannte Fallkonstellation betrifft den vorliegenden Fall, in dem eine Partei bei einem auswärtigen Gericht verklagt wird und mit ihrer Vertretung einen Rechtsanwalt beauftragt, der an einem dritten Ort - also weder am Wohn- oder Geschäftsort der Partei noch im Bezirk des Prozessgerichts - ansässig ist. Dieser Fall ist vom BGH in jüngerer Zeit, soweit ersichtlich, zwar noch nicht entschieden worden. Es besteht aber kein sachlicher Grund, diese Variante anders zu behandeln als die erste Fallkonstellation (vgl. hierzu auch Brams, MDR 2003, 1342 [1343]).
Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich die Beurteilung der Frage, ob die aufgewendeten Prozesskosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren, danach auszurichten hat, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die die Kosten auslösende Beauftragung eines Anwalts aus der gebotenen sog. ex-ante-Betrachtung als sachdienlich ansehen durfte (vgl. hierzu BGH v. 16.10.2002 - VIII ZB 30/02, BGHReport 2003, 152 = MDR 2003, 233 [235]). In diesem Zusammenhang spielen auch praktische Erwägungen eine Rolle. Einem Zivilprozess gehen in vielen Fällen vorgerichtliche Auseinandersetzungen voraus, bei denen sich eine oder beide Parteien bereits durch in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsortes ansässige Rechtsanwälte haben vertreten lassen. Wäre eine der beiden Parteien in dem dann sich daraus entwickelnden Prozess vor einem auswärtigen Gericht zur Kostenersparnis gehalten, einen am Prozessgericht ansässigen Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten zu beauftragen, so müsste sie auf den bereits mit der Sache vertrauten Rechtsanwalt verzichten und außerdem ihren neuen Rechtsanwalt neu unterrichten. Dies kann v...