Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Anordnung in Kindesschutzsachen - Entscheidungsmaßstab und Abwägungskriterien
Leitsatz (amtlich)
1. Das nach § 49 Abs. 1 FamFG erforderliche dringende Bedürfnis zu sofortigem, einstweiligem Einschreiten besteht, wenn eine Folgenabwägung ergibt, dass die Nachteile, die für die Rechte und Interessen der Beteiligten entstehen, wenn die einstweilige Anordnung unterbleibt, die Hauptsache aber im Sinne des Antragstellers entschieden würde, schwerer wiegen als die Nachteile, die durch die vorläufige Maßnahme eintreten können, die aber aufzuheben und rückabzuwickeln ist, wenn sich der Antrag in der Hauptsache als erfolglos erweisen sollte.
2. Hierbei sind die drohenden Nachteile und Schäden abzuwägen, wobei insbesondere in Kindesschutzsachen (§§ 1666, 1666a BGB) neben der Erforderlichkeit einer einstweiligen Anordnung die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts und dessen Ausmaß zu berücksichtigen sind. Dabei hat ein Schaden umso mehr Gewicht, je größer seine Eintrittswahrscheinlichkeit und seine Auswirkungen sind.
Verfahrensgang
AG Senftenberg (Aktenzeichen 32 F 232/18) |
Tenor
Die Beschwerde des Jugendamts gegen den Beschluss des Amtsgerichts Senftenberg vom 18.12.2018 wird zurückgewiesen, mit der Maßgabe, dass die Kindeseltern ihre außergerichtlichen Kosten der I. Instanz selbst zu tragen haben.
Das Jugendamt trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.500 Euro festgesetzt.
Der Kindesmutter wird Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt, unter Beiordnung von Rechtsanwältin ..., Senftenberg.
Dem Kindesvater wird Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt, unter Beiordnung von Rechtsanwältin ..., Lauchhammer.
Gründe
I. Das beschwerdeführende Jugendamt erstrebt im Wege der einstweiligen Anordnung die Herausnahme eines neugeborenen Kindes aus dem derzeitigen Haushalt der alleinsorgeberechtigten Kindesmutter.
Aufgrund einer vorgeburtlichen Gefahrenmeldung vom ....10.2018 hat das Amtsgericht ein kindesschutzrechtliches Hauptsacheverfahren eröffnet (AG Senftenberg 32 F 196/18) und unter dem 16.10.2018 gegenüber den Kindeseltern einen engmaschigen Auflagenbeschluss erlassen (vgl. 76 ff. BA).
Die am ...1994 geborene Kindesmutter hat am ...11.2018 eine Tochter entbunden.
Das Jugendamt hat das Kind am 30.11.2018 in Obhut genommen und bittet im Verfahren der einstweiligen Anordnung um den Erlass weitergehender kindesschutzrechtlicher Maßnahmen. Ihm sei eine abschließende Gefährdungseinschätzung aufgrund polizeilicher Hinweise auf anhaltenden Drogenkonsum, Waffenbesitz, Impulsivität und Neigung zu körperlichen Gewaltanwendung noch nicht möglich gewesen.
Nach Bestellung eines Verfahrensbeistandes und persönlicher Anhörung der Beteiligten hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, im Verfahren der einstweiligen Anordnung, der Empfehlung des Verfahrensbeistandes folgend, den Erlass weiterer kindesschutzrechtlicher Maßnahmen abgelehnt und das Jugendamt, das sämtliche Kosten des Verfahrens zu tragen habe, verpflichtet, das Kind an seine Mutter herauszugeben. Ein dringendes Bedürfnis zum sofortigen einstweiligen Einschreiten nach § 49 Abs. 1 FamFG hat es verneint und hierbei eine Folgenabwägung vorgenommen, ob die Nachteile, die für die Rechte und Interessen der Beteiligten entstehen, wenn die einstweilige Anordnung unterbleibt, die Hauptsache aber im Sinne des Antragstellers entschieden würde, schwerer wiegen, als die Nachteile, die durch die vorläufige Maßnahme eintreten können, die aber aufzuheben und rückabzuwickeln sind, wenn sich der Antrag in der Hauptsache als erfolglos erweisen sollte. Hierbei komme es für die Befugnis eines hoheitlichen Eingriffs zur Gefahrenabwehr auf die Beziehung zwischen der Wahrscheinlichkeit des bevorstehenden Schadens und dessen Gewicht für das gefährdete Rechtsgut an. Vorliegend fehlten Anzeichen für eine konkrete Gefährdung des Kindes im Haushalt der Kindesmutter, und im Übrigen seien die Auflagen aus dem Hauptsacheverfahren ausreichend, um das Wohl des Kindes sicherzustellen. Die Kostenentscheidung hat es auf § 81 FamFG gestützt.
Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt das Jugendamt weiter den Erlass weitergehender kindesschutzrechtlicher Maßnahmen unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens und wendet sich gegen die erstinstanzliche Kostenentscheidung.
Kindesmutter und Verfahrensbeistand verteidigen den angefochtenen Beschluss.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat, dem die Akten des Hauptsacheverfahrens vorlagen, auf die Korrespondenz im Beschwerderechtszug. Er entscheidet ohne mündliche Verhandlung, § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG. Weder die Gewährung rechtlichen Gehörs noch die Aufklärung des maßgeblichen Sachverhalts erfordern erneute Anhörungen. Es ist nicht ersichtlich, welche we...