Entscheidungsstichwort (Thema)
Auflassung eines Grundstücks an einen Minderjährigen
Leitsatz (amtlich)
Ist die dingliche Übertragung eines Grundstücks bei isolierter, wirtschaftlicher Betrachtung für den Minderjährigen lediglich rechtlich vorteilhaft, bedarf seine Auflassungserklärung auch dann nicht der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters oder eines Ergänzungspflegers, wenn die zugrunde liegende schuldrechtliche Vereinbarung mit rechtlichen Nachteilen (hier: Rücktrittsvorbehalt) verbunden ist. Eine Gesamtbetrachtung des schuldrechtlichen und des dinglichen Rechtsgeschäfts ist in diesem Fall nicht veranlasst.
Normenkette
BGB §§ 107, 181, 1629 Abs. 2, § 1643 Abs. 2, §§ 1795, 1821-1822
Verfahrensgang
AG Cottbus (Beschluss vom 22.01.2014; Aktenzeichen 54 F 220/13) |
Tenor
1. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Beschwerdewert beträgt 3.000 EUR.
Gründe
Die gem. §§ 58 ff. FamFG statthafte und in zulässiger Weise eingelegte Beschwerde der Kindesmutter hat Erfolg. Das AG hat zu Unrecht eine Ergänzungspflegschaft für das betroffene Kind hinsichtlich der Vertretung beim Abschluss des Überlassungsvertrages vor dem Notar U. K. in C. (Urkundenregisternummer ...) und die Geltendmachung daraus folgender Ansprüche angeordnet.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Senat ist die Bestellung des Ergänzungspflegers, welche einen selbständigen Verfahrensgegenstand bildet (vgl. auch Palandt/Götz, BGB, 73. Aufl. 2014, § 1909 Rz. 11 m. N.). Insoweit ist festzustellen, dass die Voraussetzungen einer Ergänzungspflegschaftsbestellung nach § 1909 BGB nicht vorliegen, da es insoweit an den weiteren Voraussetzungen des § 1795 BGB bzw. § 181 BGB fehlt. Die von den Beteiligten erklärte Überlassung ist wirksam, ohne dass es einer Genehmigung durch einen Ergänzungspfleger bedürfte.
1. Gemäß § 1909 BGB erhält der unter Vormundschaft stehende Minderjährige einen Pfleger für solche Angelegenheiten, an deren Besorgung der Vormund verhindert ist. Die Verhinderung kann aus tatsächlichen oder aus rechtlichen Gründen bestehen. Eine Verhinderung aus Rechtsgründen kommt insbesondere bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 1795 f. BGB in Betracht. Insoweit kommt eine Ergänzungspflegschaft nur dann in Betracht, wenn der vertretungsberechtigte Elternteil von der Vertretung seines Kindes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist (§ 1795 BGB) oder durch eine familiengerichtliche Entscheidung in seiner Vertretungsmacht beschränkt wurde (§ 1796 BGB).
Die sorge- und damit im Grundsatz vertretungsberechtigten Kindeseltern sind als Vertragspartei von der Vertretung ihres minderjährigen Sohnes beim Abschluss des Grundstücksübertragungsvertrages, mittels welchem sie u.a. das Eigentum an dem Grundstück auf ihren Sohn übertragen, gem. §§ 1629 Abs. 2, 1795 Abs. 2, 181 BGB nicht ausgeschlossen. § 181 BGB ist auf Grund teleologischer Reduktion nicht anwendbar, wenn bei einem Fall des Selbstkontrahierens für den Vertretenen aus dem Rechtsgeschäft ein lediglich rechtlicher Vorteil (vgl. § 107 BGB) erwächst. Entsprechendes gilt für den Vertretungsausschluss nach § 1795 BGB (BGH FamRZ 1975, 480; OLG Frankfurt FPR 2013, 397; OLG Köln OLGReport Köln 2003, 290).
§ 107 BGB bezweckt in erster Linie, den Minderjährigen vor einer Gefährdung seines Vermögens zu schützen. Ein rechtlicher Vorteil ist zu bejahen, wenn der Minderjährige aus seinem Vermögen, das er bei Abschluss des Vertrags besitzt, nichts aufgeben und auch keine neuen Belastungen auf sich nehmen muss, damit der Vertrag zustande kommt (BayObLGZ 1979, 49, 53). Dagegen wäre der Erwerb für den Minderjährigen nicht nur lediglich rechtlich vorteilhaft i.S.v. § 107 BGB, wenn er in dessen unmittelbarer Folge mit Verpflichtungen belastet wird, für die er nicht allein dinglich mit der erworbenen Sache, sondern auch persönlich mit seinem sonstigen Vermögen haftet (BGH FamRZ 2005, 1738).
Vorliegend kommt es allein darauf an, ob die dingliche Übertragung eines Grundstücks bei isolierter, wirtschaftlicher Betrachtung für den Minderjährigen lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Ist dies der Fall, bedarf seine Auflassungserklärung auch dann nicht der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters oder eines Ergänzungspflegers, wenn die zugrunde liegende schuldrechtliche Vereinbarung mit rechtlichen Nachteilen verbunden ist. Eine Gesamtbetrachtung des schuldrechtlichen und des dinglichen Rechtsgeschäfts ist in diesem Fall nicht veranlasst (BGH FamRZ 2005, 359).
Hier ist die Übereignung zwar nicht bereits deshalb lediglich rechtlich vorteilhaft, weil die dingliche Übertragung hinsichtlich des Miteigentumsanteils der Kindesmutter aufschiebend bedingt (§ 158 Abs. 1 BGB) erst zum Erreichen des 25. Lebensjahr des Minderjährigen Wirkung entfaltet, vgl. § 1 Nr. 2a) des Notarvertrags. Denn unabhängig von der aufschiebenden Bedingung entsteht die grundsätzliche Berechtigung/Verpflichtung des Minderjährigen bereits zum jetzigen Zeitpunkt; er e...