Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 20. Februar 1996 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger bezog in den Jahren 1983 bis 1985 – aufgrund seiner dahingehenden Erklärung – Kindergeld (Kg) nur in Höhe der Sockelbeträge und ging gegen die entsprechenden Bescheide – auch nach Erhalt der Steuerbescheide für diese Jahre – nicht vor; sein Einkommen übertraf die Grenzen des seinerzeit geltenden § 10 Abs 2 Bundeskindergeldgesetzes (BKGG). Nachdem der sog Kg-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 29. Mai 1990 (BGBl I 1513 –, SozR 3-5870 § 10 Nr 1) bekannt geworden war, beantragte er im November 1990 vergeblich die Auszahlung des nicht geminderten Kg im streitbefangenen Zeitraum. Klage und Berufung blieben erfolglos. Nach Ansicht des Landessozialgerichts (LSG) steht dem Anspruch des Klägers auf Zahlung des ungekürzten Kg § 44e Abs 1 Satz 3 BKGG idF des Steueränderungsgesetzes 1991 vom 24. Juni 1991 (BGBl I 1322) entgegen. Der Kläger habe die Zahlung des höheren Kg in dem danach maßgeblichen Zeitraum von sechs Monaten nicht verlangt. § 44e Abs 1 Satz 3 BKGG konkretisiere einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wie er in § 79 Abs 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) niedergelegt sei. Wer wie der Kläger die seinerzeitige Kürzung des Kg gegenüber der Beklagten nicht beanstandet habe, müsse hinnehmen, daß der Gesetzgeber die Abwägung von Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit zu seinen Lasten getroffen habe.
Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde an das Bundessozialgericht (BSG) macht der Beschwerdeführer (Kläger) geltend, ungeklärt sei die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob die in § 44e Abs 1 Satz 3 BKGG getroffene Regelung uneingeschränkt und auf jeden Fall anwendbar sei oder ob sie nur bestimmte Grenzfälle betreffe und damit auch Zahlungsansprüche abgeschnitten würden, die nach dem damaligen Recht wegen eindeutiger Überschreitung der Verdienstgrenze nicht bestanden hätten. Ohne einen neuerlichen Verfassungsverstoß hätte der Gesetzgeber den erst nach der Rechtsprechung des BVerfG entstandenen Anspruch auf höheres Kg nicht rückwirkend versagen dürfen.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet. Der geltend gemachte Zulassungsgrund liegt nicht vor, denn der Beschwerdeführer wirft keine ungeklärte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf. Die Antwort auf die aufgeworfene Frage ergibt sich vielmehr unmittelbar aus dem Gesetz und ist nicht zweifelhaft (BSG vom 30. Juli 1974 und 22. August 1975, BSGE 40, 40, 41 f; 40, 158, 159 f).
Der sog Kg-Beschluß des BVerfG vom 29. Mai 1990 hat mit Gesetzeskraft (§ 31 Abs 2 BVerfGG) § 10 Abs 2 BKGG idF des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 vom 20. Dezember 1982 (BGBl I 1857) für Zeiten von 1983 bis zum 31. Dezember 1985 als mit dem Grundgesetz (GG) unvereinbar erklärt. Ebenso wie im Falle der Nichtigerklärung gemäß § 78 BVerfGG müßte dieser Entscheidung zwar im Grundsatz Rückwirkung zukommen (vgl BVerfG vom 12. März 1996, DB 1996, 1418; BVerfG vom 21. Mai 1974, BVerfGE 37, 217, 262 f), aber der Gesetzgeber hat solchen Entscheidungen des BVerfG mit § 79 BVerfGG nur eine eingeschränkte Rückwirkung beigemessen (vgl BSG vom 8. September 1988, SozR 4100 § 152 Nr 18 mwN); danach bleiben die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen, die auf einer gemäß § 78 BVerfGG für nichtig erklärten Norm beruhen, unberührt (§ 79 Abs 2 Satz 1 BVerfGG). Der Gesetzgeber hat diese Regelung der eingeschränkten Rückwirkung durch § 44e BKGG bestätigt (nach dessen Abs 1 Satz 1 entfällt die – verfassungswidrige – Minderung des Kg – nur – in den noch nicht bindend entschiedenen Fällen) – und – mit Blick auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteil vom 12. Mai 1988, SozR 5870 § 10 Nr 9) – dahingehend (erweiternd) konkretisiert, daß die Ausschlußwirkung selbst dann eintritt, wenn es wegen einer entsprechenden Erklärung des Kg-Berechtigten (wie hier des Klägers) nicht zu einer Minderungsentscheidung gekommen ist. Rechtstechnisch hat der Gesetzgeber dies dadurch gelöst, daß er zur Abgrenzung des endgültigen Verhaltens des Kindergeldberechtigten in Anlehnung an §§ 9 Abs 2, 5 und 11a Abs 7 BKGG eine Sechsmonatsfrist ab Bekanntgabe der Steuerfestsetzung für das Verlangen nach höherem Kg gesetzt hat: Gemäß § 44e Abs 1 Satz 3 BKGG entfällt eine Minderung des Kg für die Jahre 1983 bis 1985 nur, wenn der Berechtigte, der zunächst nur die Zahlung des Sockelbetrages begehrt hat, die entsprechende Erklärung vor Bekanntgabe der für die Minderung maßgeblichen Steuerfestsetzungen abgegeben hatte und vor Ablauf des sechsten Monats nach dem Monat, in dem diese Steuerfestsetzungen bekanntgegeben wurden, die Zahlung des höheren Kg verlangt hat. Nach den insoweit nicht mit zulässigen Rügen angegriffenen, mithin das BSG bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) hatte der Beschwerdeführer eine Neuberechnung seines Kg nicht innerhalb dieser Frist verlangt. Eben deshalb gehört der Beschwerdeführer nicht zu jenen Kg-Berechtigten, die nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes von der Entscheidung des BVerfG profitieren (so der vom Beschwerdeführer selbst zitierte Kommentar: Wickenhagen/Krebs ≪Seewald≫ BKGG § 44e Rz 4).
Für eine andere Auslegungsmöglichkeit oder gar Lücke des Gesetzes ergeben sich keine Anhaltspunkte. Wer wie der Beschwerdeführer die Zahlung von höherem Kg nicht verlangt hat, weil er dies – entgegen denjenigen, die seinerzeit die betreffenden Verfassungsbeschwerden eingelegt haben – für „mehr oder weniger rechtsmißbräuchlich” und aussichtslos gehalten hat, muß sich an diese – später widerlegte – Ansicht binden lassen. Der Beschwerdeführer verkennt offensichtlich den verfassungsrechtlich einwandfreien, regelmäßig anwendbaren Grundsatz in § 79 Abs 2 BVerfGG und § 44e Abs 1 Satz 1 BKGG, der eben nur die „schwebenden Verfahren” privilegiert und die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen unberührt läßt. Der Ausschluß von jeglicher Nachzahlung mag zwar zu kritisieren sein (vgl Wickenhagen/Krebs, aaO, Rz 7), ist aber wegen seiner Übereinstimmung mit dem Grundsatz des § 79 Abs 2 Satz 1 BVerfGG offensichtlich verfassungsgemäß. Im übrigen hat das BSG bereits entschieden, daß es nach § 79 Abs 2 Satz 1 BVerfGG keinen Anspruch auf Aufhebung einer bindenden Verwaltungsentscheidung allein deswegen gibt, weil das BVerfG die ihr zugrundeliegende gesetzliche Regelung für nichtig bzw unvereinbar mit dem GG erklärt hat (BSG vom 26. Oktober 1994, SozR 3-6610 Art 5 Nr 1 S 3).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen