Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage bzgl sekundärer Darlegungslast bzw Beweislast einer Krankenkasse bei Nichtzugang der Arbeitsunfähigkeitsmeldung. Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes. Überprüfung der Beweiswürdigung
Orientierungssatz
1. Die Frage bezüglich einer sekundären Darlegungslast ggf auch Beweislast einer Krankenkasse für eine Mitteilung des Nichtzugangs einer Arbeitsunfähigkeitsmeldung, wenn der Verlust der Meldung innerhalb des Hauses der Krankenkasse oder auf dem Postweg erfolgt ist, lässt keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf erkennen.
2. Eine Verletzung des § 103 SGG berechtigt nur dann zur Zulassung der Revision, wenn der geltend gemachte Verfahrensmangel sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
3. Eine Überprüfung der Beweiswürdigung nach § 128 Abs 1 S 1 SGG ist im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG ausdrücklich ausgeschlossen.
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nrn. 1, 3 Hs. 2, §§ 103, 160a Abs. 2 S. 3, § 128 Abs. 1 S. 1; SGB V § 49 Abs. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. Dezember 2019 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Das LSG hat mit Urteil vom 11.12.2019 die Berufung des Klägers zurückgewiesen, weil der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld (Krg) vom 9.6. bis 29.6.2018 habe. Zur Überzeugung des Senats habe er für den streitgegenständlichen Zeitraum keinen durchsetzbaren Anspruch auf Krg, weil die Meldung der Arbeitsunfähigkeit (AU) des Klägers nicht innerhalb der Wochenfrist des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V der Beklagten zugegangen sei. Ein zeitlich früherer Zugang der AU-Bescheinigung sei weder ersichtlich noch klägerseits vorgetragen. Auch nach dem klägerischen Vortrag und der Kontaktdokumentation der Beklagten habe ein telefonischer Kontakt über die Ehegattin des Klägers erst am 10.7.2018 und damit nach Ablauf der Meldefrist stattgefunden. Ohnehin träten die Rechtsfolgen des Verstoßes gegen § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V unabhängig davon ein, ob den Versicherten ein Verschulden an dem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung träfe. Auch eine vom Versicherten rechtzeitig zur Post gegebene, aber auf dem Postweg verloren gegangene AU-Bescheinigung oder eine Verzögerung der Übermittlung durch die Post könne den Eintritt der Ruhenswirkung selbst dann nicht verhindern, wenn die Meldung unverzüglich nachgeholt werde oder die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Krg im Übrigen zweifelsfrei gegeben seien (unter Hinweis auf BSG Urteil vom 8.8.2019 - B 3 KR 18/18 R - juris und Urteil vom 5.12.2019 - B 3 KR 5/19 R - juris).
Gegen die Nichtzulassung der Revision durch das LSG im vorgenannten Urteil hat der Kläger Beschwerde eingelegt und beruft sich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie einen Verfahrensmangel des LSG (§ 160 Abs 2 Nr 1, 3 SGG).
II. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG vom 11.12.2019 ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 SGG).
Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das LSG in der Sache "richtig" entschieden hat, erfolgt im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht. Keinen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe hat der Kläger in der Begründung der Beschwerde schlüssig dargelegt oder bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
1. Die Beschwerdebegründung beschränkt sich - ohne Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung - im Wesentlichen auf eine Darstellung des Sachverhalts und der Rechtslage aus Sicht des Klägers sowie den Vortrag, das LSG habe Zusammenhänge verkannt, den Sachverhalt unrichtig gewürdigt sowie das Recht falsch angewendet. Rügen, die zur Zulassung einer Revision führen könnten, lassen sich diesem Vorbringen nicht entnehmen. Insbesondere genügt es für eine Grundsatzrüge nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nicht, wenn mit der Beschwerdebegründung nach Darstellung der vom LSG abweichenden Rechtsauffassung des Klägers und ohne Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage geltend gemacht wird, die grundsätzliche Bedeutung der Angelegenheit liege darin, dass im vorliegenden Fall, wie auch bereits in anderen Fällen zu klären sei, ob der Verlust einer Meldung der AU innerhalb des Hauses der Beklagten oder auf dem Postweg erfolgt sei. Höchstrichterlich sei daher über eine sekundäre Darlegungslast ggf auch Beweislast der Beklagten für eine Mitteilung des Nichtzugangs einer AU-Meldung zu entscheiden. Zum einen sind diese Fragen ohne Breitenwirkung im konkreten Einzelfall des Klägers verhaftet und lassen ohne eine Auseinandersetzung mit bereits vorliegender BSG-Rechtsprechung keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf erkennen. Zum anderen lassen sich die gestellten Fragen bereits anhand des Wortlauts der Ruhensvorschrift nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V und der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl stRspr BSG Urteil vom 8.11.2005 - B 1 KR 30/04 R - BSGE 95, 219 = SozR 4-2500 § 46 Nr 1 und Urteil vom 8.8.2019 - B 3 KR 18/18 R - aaO, RdNr 17) beantworten.
2. Auch der Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) eines Verstoßes gegen die richterliche Sachaufklärungspflicht ist nicht formgerecht bezeichnet worden. Eine Verletzung des § 103 SGG berechtigt nur dann zur Zulassung der Revision, wenn der geltend gemachte Verfahrensmangel sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Jeden anderen Verfahrensmangel, der einen Verstoß gegen § 103 SGG zum Inhalt hat, hat das Gesetz als Grund zur Zulassung der Revision ausgeschlossen (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG). Eine ordnungsgemäße Rüge der Verletzung des § 103 SGG setzt daher zunächst voraus, dass der (bis zur mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, bzw bis zur Entscheidung aufrechterhaltene) angeblich übergangene Beweisantrag genau bezeichnet wird, was hier bereits nicht ersichtlich ist. Der Kläger muss jedoch ferner angeben, weshalb das LSG seine Amtsermittlungspflicht verletzt habe, wenn es den angebotenen Beweis nicht erhoben hat, weshalb sich das LSG also nach seiner Rechtsauffassung und dem bisherigen Sachstand hätte gedrängt fühlen müssen, den beantragten Beweis zu erheben; denn nur in einem solchen Fall ist das LSG einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt (BSG Beschluss vom 22.10.1975 - 8 BU 100/75 - SozR 1500 § 160 Nr 12). Dies ist jedoch nicht dargetan. Im Übrigen hat der Kläger mit seinem Vortrag auch keine Gehörsrüge (§ 62 SGG) hinreichend bezeichnet.
Wenn der Kläger nunmehr im Kern rügt, das LSG habe die Beweise unvollständig bzw unzutreffend gewürdigt, kann eine solche Rüge nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn eine Überprüfung der Beweiswürdigung nach § 128 Abs 1 Satz 1 SGG ist im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ausdrücklich ausgeschlossen.
3. Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14285355 |