Verfahrensgang
Hessisches LSG (Urteil vom 19.08.1988) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 19. August 1988 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf Divergenz zu Urteilen des Bundessozialgerichts (BSG) gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie genügt nicht den gesetzlichen Formerfordernissen.
Nach § 160a Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Beschwerdebegründung dargelegt werden. Dazu verlangt das BSG – bestätigt durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in SozR 1500 § 160a Nr. 48 –, daß die Begründung der Beschwerde bestimmte formale Voraussetzungen erfüllt. Der Beschwerdeführer muß die zu entscheidende Rechtsfrage klar bezeichnen und ersichtlich machen, weshalb ihrer Klärung eine grundsätzliche Bedeutung zukommt (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 17 S 24). Das ist dann zu bejahen, wenn die Entscheidung der Frage im allgemeinen Interesse liegt, weil sie geeignet ist, die Rechtseinheit zu wahren oder zu sichern oder die Fortbildung des Rechts zu fördern. Darüber hinaus muß dargetan werden, daß die Rechtsfrage klärungsbedürftig und klärungsfähig ist. Dazu sind Ausführungen erforderlich, inwieweit die Beantwortung der Frage zweifelhaft und im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich ist (vgl. ua BSG SozR 1500 § 160a Nr. 54). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der 1931 geborene Kläger hat nach Erlangung der Obersekundareife von Mai 1950 bis. Februar 1952 bei zwei Betrieben Praktika zurückgelegt, bevor er von März 1952 bis Februar 1955 die Rheinische Ingenieurschule in B. besuchte; dort legte er im Februar 1955 die Ingenieur-Hauptprüfung der Abteilung Elektrotechnik ab. Die Vormerkung der Praktika als Ausfallzeiten wurde mit der Begründung versagt, daß die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AVG nicht erfüllt seien. Die Praktika seien weder Lehrzeit noch Fachschulausbildung oder Hochschulausbildung iS dieser Bestimmung; die Nichtanrechnung einer versicherungsfrei gebliebenen Praktikantenzeit als Ausfallzeit verstoße auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
Als rechtsgrundsätzlich sieht der Kläger die Frage an, ob er einen Anspruch auf Vormerkung der genannten Zeiten als Ausfallzeiten habe, und begründet dies im wesentlichen damit, daß die zweijährige Praktikantentätigkeit für Bewerber mit Sekundareife Voraussetzung für die Aufnahme des Ingenieurstudiums gewesen sei und mit dieser verkürzten Dauer der Ausbildung entsprochen habe, die von Volksschulabsolventen und Bewerbern ohne Sekundareife in Form einer Lehre zuzüglich einer halbjährigen Praktikantentätigkeit gefordert worden sei. Da die Lehrzeit dieser Bewerber als Ausfallzeit voll angerechnet werde, würden Bewerber mit Sekundareife gegenüber diesen in Widerspruch zu Art. 3 Grundgesetz (GG) benachteiligt, wenn ihre zweijährige Praktikantenzeit nicht berücksichtigt werde. Eine Ungleichbehandlung bestehe auch gegenüber vergleichbaren Praktikanten, die ihr Praktikum erst nach 1957 absolviert hätten und nach dem neuen Rentenrecht während der Praktikantentätigkeit versicherungspflichtig gewesen seien, Schließlich müsse auch berücksichtigt werden, daß die Praktikantentätigkeit als Voraussetzung für die Aufnahme des Studiums und wegen ihrer inhaltlichen Abstimmung auf dieses Studium Bestandteil des Studiums gewesen sei, also praktische Tätigkeit und Studium zusammen als eine abgeschlossene Fachschulausbildung anzusehen seien.
Mit diesen Ausführungen ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im oben genannten Sinne nicht dargelegt. Ungeachtet der Frage, ob der Kläger überhaupt eine Rechtsfrage klar bezeichnet hat, fehlt es an Darlegungen, warum ihrer Beantwortung über den Einzelfall hinausgehende und damit grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine Rechtsfrage und damit eine von ihr geprägte Rechtssache ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich geklärt ist. Das BSG hat sich – wie das Landessozialgericht zutreffend dargelegt hat – wiederholt mit der Frage befaßt, ob § 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) auf alle Ausbildungsverhältnisse zu erstrecken ist, die zu einem Ausfall von Beiträgen geführt haben. Diese Frage hat das BSG immer verneint und ausgeführt, daß das Gesetz nur ganz bestimmte typische Ausbildungen erfasse; es habe bewußt davon abgesehen, Ausbildungszeiten schlechthin den Charakter von Ausfallzeiten beizulegen. Eine entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AVG auf andere als die dort bezeichneten Ausbildungen sei nicht statthaft, weil dann eine Abgrenzung von Ausbildungszeiten nicht mehr möglich sei (vgl. BSG SozR 2200 § 1259 Nr. 33 S 88 mwN). Speziell zum Begriff der Lehrzeit hat es das BSG stets abgelehnt, eine Praktikantenzeit als solche anzuerkennen (SozR Nr. 40 und 47 zu § 1259 RVO). Auch kaufmännische Volontärzeiten sind nicht als Lehrzeiten angesehen worden, weil das Gesetz den bewußt gewählten Begriff der Lehrzeit in einem engen Sinne verstehe, um sog Anlernzeiten auszuschließen (BSG SozR 2200 § 1259 Nr. 33 und Nr. 64). Des weiteren hat das BSG bereits entschieden, daß eine berufspraktische Tätigkeit nicht dadurch zu einer Fachschulausbildung bzw Hochschulausbildung wird, daß sie mit einer solchen zu einer Gesamtausbildung mit einer später sich auf beide Abschnitte beziehenden Prüfung verbunden ist; etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn die Regelstudienzeit praktische Studiensemester umfaßt, die Bestandteile des Studiums sind und unter Betreuung der Hoch- bzw Fachschule abgeleistet werden (BSG SozR 2200 § 1259 Nr. 69 S 189). Daß letzteres im vorliegenden Fall zuträfe, ist weder im angefochtenen Urteil festgestellt noch vom Kläger behauptet.
Ist mithin die vom Kläger sinngemäß aufgeworfene Rechtsfrage, ob Praktikantenzeiten als Voraussetzung für die Zulassung zu einem Fachstudium Ausfallzeiten sind, im wesentlichen geklärt, hätte die Beschwerde aufzeigen müssen, ob und welche Fragen im Zusammenhang damit gleichwohl umstritten geblieben und mithin noch immer klärungsbedürftig sind, insbesondere, von welcher Seite und mit welchen Gründen Einwendungen gegen die vorgenannte Rechtsprechung erhoben worden sind (BSG SozR 1500 § 160 Nr. 17). Daran fehlt es. Die Darlegung einer dieser Rechtsprechung widersprechenden Auslegung des Gesetzes reicht jedenfalls nicht aus (vgl. BSG SozR 1500 § 160a Nr. 59). Das gilt auch insoweit, als der Kläger seine Beschwerde auf eine Verletzung von Art. 3 GG stützt. Auch mit der Frage, ob eine generalisierende und typisierende Regelung wie § 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AVG mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, hat sich das BSG bereits mehrfach befaßt und dazu ausgeführt, daß derartige Regelungen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Grundsatz verfassungsrechtlich unbedenklich seien. Ausfallzeiten beruhten überwiegend auf staatlicher Gewährung und seien Ausdruck besonderer staatlicher Fürsorge, so daß dem Gesetzgeber bei der Bestimmung der Ausfalltatbestände sowie der Voraussetzungen und des Umfangs ihrer Anrechenbarkeit eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zustehe. Es sei ihm insbesondere nicht verwehrt, lediglich bestimmte typische Ausbildungen als Ausfalltatbestände vorzusehen und ihre Anrechenbarkeit zeitlich zu beschränken (BSGE 31, 226, 231 f = SozR Nr. 30 zu § 1259 RVO; BSG SozR Nr. 46 zu § 1259 RVO; BSGE 48, 100, 103 = SozR 2200 § 1259 Nr. 37; vgl. auch den Beschluß des BVerfG in SozR 2200 § 1259 Nr. 46). Desgleichen ist es dem Gesetzgeber nicht versagt, eine übermäßige Belastung der Versichertengemeinschaft zu vermeiden und nicht das jeweils Erforderliche, sondern nur ausgleichsweise das Vertretbare zu begünstigen (BSG SozR 2200 § 1259 Nr. 38 und Nr. 58; BSGE 30, 163, 166 = SozR Nr. 25 zu § 1259 RVO; BSG SozR Nr. 57 zu § 1259 RVO). Auch insoweit hätte im einzelnen dargetan werden müssen, warum – abweichend von den vorgenannten Grundsätzen – im vorliegenden Fall gleichwohl eine dem Art. 3 Abs. 1 GG widersprechende Ungleichbehandlung zwischen Studienbewerbern mit und ohne Sekundareife vorliegen soll.
Hinsichtlich der behaupteten Divergenz fehlt es an jeglichen Darlegungen, ob und mit welchem Rechtssatz das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) von Rechtsätzen in Urteilen des BSG abweicht. Auch insoweit ist den Anforderungen des § 160a Abs. 2 Satz 3 SGG nicht genügt.
Mangels Darlegung eines Revisionsgrundes iS von § 160 Abs. 2 SGG war daher die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen