Verfahrensgang
SG Dresden (Entscheidung vom 27.07.2022; Aktenzeichen S 26 R 100/22 KN) |
Sächsisches LSG (Urteil vom 05.07.2023; Aktenzeichen L 10 R 394/22 KN) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 5. Juli 2023 wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 5. Juli 2023 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin S als Prozessbevollmächtigte beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte an den Kläger eine neue Versicherungsnummer (VSNR) mit geändertem Geburtsdatum zu vergeben hat.
Der Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger. Er reiste 2015 als Flüchtling in die Bundesrepublik Deutschland ein. Da er keinen Nachweis über sein Geburtsdatum vorlegen konnte, wurde behördlicherseits der "01.01.1999" als Geburtsdatum festgelegt. Am 13.5.2016 wurde an den Kläger die VSNR " " vergeben. Im vom afghanischen Generalkonsulat in Bonn am 10.8.2021 ausgestellten Reisepass des Klägers ist als Geburtsdatum der 22.3.1999 vermerkt. Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers auf Änderung des Geburtsdatums in der VSNR auf den 22.3.1999 ab (Bescheid vom 23.9.2021). Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 12.1.2022).
Mit Gerichtsbescheid vom 27.7.2022 hat das SG die Klage abgewiesen. Das LSG hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 5.7.2023 zurückgewiesen. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Neuvergabe einer VSNR nicht zu. Die Voraussetzungen des § 33a SGB I seien nicht erfüllt. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Schreibfehlers iSvon § 33a Abs 2 Nr 1 SGB I lägen nicht vor. Auch ergebe sich aus keiner älteren Urkunde iS von § 33a Abs 2 Nr 2 SGB I ein anderes Geburtsdatum. Wie das BSG bereits entschieden habe, verstoße die Anwendung des § 33a Abs 1 SGB I auch nicht gegen höherrangiges Recht.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem ihm am 10.7.2023 zugestellten Urteil des LSG hat der Kläger am 8.8.2023 beim BSG Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 7.9.2023 begründet. Zusammen mit der Begründung hat er Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren beantragt und die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dem Gericht übermittelt.
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Der Kläger hat den Revisionszulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung nicht hinreichend bezeichnet (vgl § 160 Abs 2 Nr 1 iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. In der Beschwerdebegründung ist daher zunächst aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten revisiblen Norm iS des § 162 SGG stellt. Sodann ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung darzutun, weshalb deren Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist aufzuzeigen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (s etwa Beschluss vom 4.5.2023 - B 5 R 30/23 B - juris RdNr 6 mwN).
Der Kläger formuliert als Frage von grundsätzlicher Bedeutung:
"Ob § 33 a Abs. 2 und 3 SGB I auf Fälle wie den vorliegenden, in denen nicht der Betroffene selbst falsche Angaben gemacht hat, sondern eine staatliche Behörde das Geburtsdatum von Amts wegen festgelegt hat, anwendbar ist?"
Er trägt dazu vor, Sinn und Zweck der Regelungen des § 33a Abs 2 und 3 SGB I sei es bei ihrer Einführung gewesen, einen Missbrauch zu Lasten der Sozialversicherung zu verhindern. Das sei aber nur in Konstellationen denkbar, in denen der Leistungsberechtigte selbst falsche Angaben mache. Die Situation in Deutschland habe sich seit Einführung der Norm, spätestens seit 2015, erheblich verändert. Infolge von Kriegen oder sonstigen politischen und wirtschaftlichen Verwerfungen habe es einen erheblichen Zuzug von Menschen nach Deutschland gegeben. Aufgrund der Fluchtbedingungen lägen diesen Menschen zum Teil die erforderlichen Ausweisdokumente bei der Einreise nicht vor. Dies habe zur Folge, dass die DRV pauschal ohne weitere Prüfung den 01.01. als Geburtsdatum vergebe. Es erscheine fraglich, ob die jetzige Praxis der Behörden von der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers gedeckt sei.
Damit legt der Kläger die Klärungsbedürftigkeit der von ihm formulierten Frage nicht in der gebotenen Weise dar. Insbesondere genügt die Beschwerdebegründung bereits deshalb nicht den oben genannten Anforderungen, weil sie zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend die zugrunde liegende Rechtsvorschrift und die dazu schon ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung in den Blick nimmt. Zu § 33a SGB I existiert bereits eine umfangreiche Rechtsprechung des BSG (vgl Urteil vom 19.5.2004 - - SozR 4-1200 § 33a Nr 2; Urteil vom 28.4.2004 - B 5 RJ 33/03 R - juris; Urteil vom 31.1.2002 - B 13 RJ 9/01 R - juris; Urteil vom 5.4.2001 - B 13 RJ 35/00 R - BSGE 88, 89 = SozR 3-1200 § 33a Nr 4; Urteil vom 19.10.2000 - B 8 KN 3/00 R - juris; EuGH-Vorlage vom 31.3.1998 - B 8 KN 7/95 R - juris; Urteil vom 31.3.1998 - B 8 KN 5/95 R - SozR 3-1200 § 33a Nr 1; Urteil vom 31.3.1998 - B 8 KN 11/95 R - SozR 3-1200 § 33a Nr 2; EuGH-Vorlage vom 17.2.1998 - B 13 RJ 31/96 R - juris) sowie ein Urteil des EuGH (vgl Urteil vom 14.3.2000 - C-102/98, C-211/98 - SozR 3-6940 Art 3 Nr 1), worauf das LSG in seiner Entscheidung ausdrücklich an mehreren Stellen eingegangen ist. Der Kläger hat sich mit dem Inhalt dieser gefestigten Rechtsprechung jedoch nicht ansatzweise befasst und noch nicht einmal eine der Entscheidungen zitiert.
2. Der Antrag auf Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung der Prozessbevollmächtigten ist abzulehnen.
Ungeachtet dessen, dass der Antrag und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht bis zum Ablauf der Beschwerdefrist eingereicht wurden (vgl zu den formalen Voraussetzungen BSG Beschluss vom 30.1.2017 - B 5 R 30/16 R - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 13.1.2021 - B 5 R 16/20 BH - juris RdNr 3; jeweils mwN), hat die Rechtsverfolgung des Klägers, wie oben näher ausgeführt wurde, keine Aussicht auf Erfolg (vgl § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO). Damit entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (vgl § 121 Abs 1 ZPO).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 183 Satz 1 iVm § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI16192672 |