Verfahrensgang
SG Koblenz (Entscheidung vom 07.02.2018; Aktenzeichen S 5 R 559/17) |
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 27.02.2020; Aktenzeichen L 4 BA 16/18) |
Gründe
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er in seiner Tätigkeit als "Außendienstpartner" für das zu 1. beigeladene Versicherungsunternehmen vom 1.7.2011 bis 30.11.2012 aufgrund Beschäftigung in allen Zweigen der Sozialversicherung der Versicherungspflicht unterlag. Das SG Koblenz hat seine Klage abgewiesen (Urteil vom 7.2.2018). Das LSG Rheinland-Pfalz hat seine Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 27.2.2020, dem Kläger zugestellt am 3.4.2020). Der Kläger hat mit einem am Montag, den 4.5.2020, per Telefax beim BSG eingegangenen Schreiben beantragt, ihm unter Beiordnung eines zugelassenen Rechtsanwalts Prozesskostenhilfe (PKH) für die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde zu bewilligen. Gleichzeitig hat er eine "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse", die mit der Anlage zur Prozesskostenhilfevordruckverordnung (PKHVV) vom 17.10.1994 (BGBl I 3001) eingeführt worden war, sowie zahlreiche Belege eingereicht. Mit Schreiben des Berichterstatters vom 8.6.2020 ist er darauf hingewiesen worden, dass die vorgelegte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse veraltet sei. Ihm wurde unter Übersendung des aktuell gültigen Formulars "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe" (Erklärung) Gelegenheit gegeben, das gültige Formular nachzureichen. Das ist nicht geschehen.
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen.
Nach § 73a SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
1. Der Antrag auf Gewährung von PKH ist schon deshalb abzulehnen, weil er vom Kläger nicht formgerecht gestellt worden ist.
Nach einheitlicher Rechtsprechung des BSG und der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes setzt die Bewilligung von PKH voraus, dass nicht nur der Antrag, sondern auch die Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen auf dem hierfür vorgeschriebenen Formular (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 117 Abs 4 ZPO) innerhalb der Rechtsmittelfrist eingereicht werden (BVerfG SozR 1750 § 117 Nr 2 und 6; BSG SozR 1750 § 117 Nr 1 und 3; BVerwG Buchholz 310 § 166 VwGO Nr 38; BFHE 193, 528; BGH Beschluss vom 9.7.1981 - VII ZR 127/81 - VersR 1981, 884).
Der Kläger hat diese Erklärung am 4.5.2020 auf dem Vordruck abgegeben, der mit der PKHVV eingeführt worden war. Die PKHVV ist jedoch gemäß § 4 Satz 2 der Verordnung über die Verwendung eines Formulars für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- und Verfahrenskostenhilfe (Prozesskostenhilfeformularverordnung - PKHFV) vom 6.1.2014 (BGBl I 34) am 22.1.2014 außer Kraft getreten. Stattdessen ist seither gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 SGG, § 117 Abs 4, Abs 3 Satz 1 ZPO iVm § 1 PKHFV auch im sozialgerichtlichen Verfahren das Formular zu verwenden, das in der Anlage der PKHFV enthalten ist (zur Pflicht zur Verwendung vgl Brandenburgisches OLG Beschluss vom 2.1.2019 - 13 WF 231/18 - juris). Auf die entsprechende Verpflichtung wurde der Kläger bereits auf Seite 31 des LSG-Urteils ausdrücklich hingewiesen.
2. Unabhängig hiervon ist der Antrag auf Gewährung von PKH abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung nach der gebotenen summarischen Prüfung keine hinreichende Aussicht auf Erfolgt bietet.
Unter Berücksichtigung der Schreiben des Klägers vom 4.5. und 4.6.2020 ist nicht anzunehmen, dass ein nach § 73 Abs 4 SGG zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
a) Das Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung ist nicht ersichtlich, weil es zur Abgrenzung von selbstständiger Tätigkeit und (abhängiger) Beschäftigung bereits eine Vielzahl von Entscheidungen des BSG gibt (vgl zuletzt BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42, RdNr 14 f ≪Honorararzt≫). Soweit der Kläger vorträgt, die in seinem Fall bestehende Konstellation, weder ein eigenes Büro betreiben noch eine Bürogemeinschaft eingehen und eigene Mitarbeiter anstellen zu können, sei bisher vom BSG noch nicht entschieden worden, kann hierauf eine grundsätzliche Bedeutung nicht gestützt werden. Höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann, wenn das Revisionsgericht sie zwar für einzelne Berufsgruppen oder bestimmte Tätigkeitsfelder noch nicht ausdrücklich entschieden hat, zur Auslegung der anzuwendenden gesetzlichen Vorschrift jedoch schon höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben. In einem solchen Fall kommt es dann in der Regel (lediglich) auf die Anwendung der von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze auf einen bestimmten Sachverhalt - eine bestimmte Berufsgruppe oder ein bestimmtes Tätigkeitsfeld - an (vgl BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22). Hinzu kommt, dass die Zuordnung einer Tätigkeit zum rechtlichen Typus der (abhängigen) Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit nach deren Gesamtbild vorzunehmen ist und voraussetzt, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden. Weil das LSG dementsprechend sein Ergebnis auf eine Gesamtabwägung verschiedener Indizien gegründet hat, wäre es nicht ausreichend, einzelne Aspekte als vermeintlich fehlerhaft darzustellen.
b) Auch eine entscheidungserhebliche Divergenz kann nicht angenommen werden.
c) Schließlich ist auch ein entscheidungserheblicher Verfahrensfehler nicht ersichtlich. In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG hat der Kläger weder Beweisanträge gestellt noch ein Ablehnungsgesuch wegen Befangenheit angebracht. Soweit der Kläger im Übrigen umfangreich Tatsachen behauptet, die entsprechend seiner Rechtsauffassung hätten berücksichtigt werden müssen, kann darin kein Verfahrensfehler gesehen werden. Bereits die Entscheidungserheblichkeit des behaupteten Verstoßes ist nicht ersichtlich. Zudem kann sich nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG stützen. Ferner kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (vgl BSG Beschluss vom 14.5.2007 - B 1 KR 21/07 B - juris RdNr 18 mwN; BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33).
d) Soweit der Kläger im Wesentlichen geltend macht, das Urteil des LSG sei unrichtig, könnte eine Nichtzulassungsbeschwerde hierauf nicht gestützt werden. Diese Behauptung kann nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).
Da dem Kläger keine PKH zusteht, kann er auch nicht die Beiordnung eines Rechtsanwalts beanspruchen (vgl § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).
Fundstellen
Dokument-Index HI14113877 |