Orientierungssatz
Es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, die ihm vorliegenden Akten daraufhin durchzuprüfen, ob, in welchem Punkt und aus welchen Gründen sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu weiterer Sachaufklärung hätte gedrängt fühlen müssen. Vielmehr hat der Beschwerdeführer die sachlich-rechtliche Auffassung des LSG anzugeben und das bisherige Beweisergebnis zu dieser Auffassung konkret zu bezeichnen (vgl BSG vom 16.3.1979 10 BV 127/78 = SozR 1500 § 160a Nr 34 mwN).
Normenkette
SGG § 160a Abs 2 S 3, § 103
Verfahrensgang
Hessisches LSG (Entscheidung vom 11.06.1987; Aktenzeichen L 1 J 492/86) |
Gründe
Die Beschwerde der Beklagten ist unzulässig, weil die Begründung nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form genügt.
Nach § 160 Abs 2 Nr 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) darf das Bundessozialgericht (BSG) die Revision gegen das Urteil eines Landessozialgerichts (LSG) ua zulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Die - behauptete - sachliche Unrichtigkeit des Urteils des LSG ist dagegen kein Revisionszulassungsgrund.
Nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG muß der Verfahrensmangel in der Beschwerdebegründung bezeichnet werden. Genügt sie diesen Anforderungen nicht, ist die Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 169 Sätze 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen.
Die Klägerin stützt ihre Beschwerde ausschließlich darauf, das LSG sei verfahrensfehlerhaft ihrem mit Schriftsatz vom 3. Juni 1987 gestellten Beweisantrag auf Einholung einer "Sachverständigenauskunft" des Landesgewerbearztes im Hessischen Sozialministerium nicht gefolgt. Diesen angeblichen Mangel des berufungsgerichtlichen Verfahrens hat sie jedoch nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG erforderlichen Weise bezeichnet.
Da die Beschwerdebegründung dazu dient, das Revisionsgericht in die Lage zu versetzen, sich allein mit ihrer Hilfe ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung an einem Verfahrensmangel leidet, auf dem sie beruhen kann, ist es erforderlich, daß der Beschwerdeführer den Verfahrensmangel schlüssig darlegt und die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartut (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 mwN). Dazu gehört insbesondere auch die Angabe der Gründe, aus denen sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus hätte gedrängt sehen müssen, den beantragten Beweis zu erheben. Es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, die ihm vorliegenden Akten daraufhin durchzuprüfen, ob, in welchem Punkt und aus welchen Gründen sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu weiterer Sachaufklärung hätte gedrängt fühlen müssen. Vielmehr hat der Beschwerdeführer die sachlich-rechtliche Auffassung des LSG anzugeben und das bisherige Beweisergebnis zu dieser Auffassung konkret zu bezeichnen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 34 mwN).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung der Beklagten nicht. Es kann dahingestellt bleiben, ob sie den Beweisantrag, dem das LSG nicht gefolgt ist, so genau bezeichnet hat, daß er für das BSG ohne weiteres auffindbar war (vgl dazu BSG SozR 1500 § 160 Nr 5), und ob ihre Beweisanregung vom 3. Juni 1987 den gesetzlichen Mindestanforderungen an einen auf den Sachverständigenbeweis hinzielenden Beweisantrag genügt (vgl dazu BSG SozR 1500 § 160 Nr 45). Ebenfalls kann offen bleiben, ob die Beklagte die Rechtsauffassung des LSG, auf die es maßgeblich ankommt, so ausreichend dargetan hat, daß die Erheblichkeit der von ihr als noch beweisbedürftig erachteten Tatsache beurteilt werden kann. Die Beklagte ist nämlich jedenfalls insoweit ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen, als sie das bisherige Beweisergebnis nicht dargestellt und es unterlassen hat aufzuzeigen, weshalb das LSG sich nach seiner Rechtsauffassung hätte gedrängt fühlen müssen, den beantragten Beweis zu erheben. Sie hat nur vorgetragen, das LSG habe die sachlich-rechtliche Auffassung vertreten, es sei auf die tatsächlichen Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt abzustellen, die maßgebend dafür seien, ob für den Versicherten überhaupt eine Möglichkeit bestehe, bei der verbliebenen Leistungsfähigkeit Erwerbseinkommen zu erzielen. Hierzu habe das LSG eine Auskunft des Landesarbeitsamtes Hessen vom 3. Dezember 1985 eingeholt, wonach keine Tätigkeiten genannt werden könnten, die der Kläger ohne Gefährdung seiner Restgesundheit unter arbeitsmarktüblichen Bedingungen noch verrichten könnte. Hierbei, so hat die Beklagte vorgetragen, handele es sich aber primär um eine arbeitsmedizinische Frage, so daß die fachliche Zuständigkeit des Landesgewerbearztes gegeben sei, dessen in einem anderen Verfahren abgegebene und in dieses Streitverfahren eingeführte Stellungnahme mangels Identität der beiden Verfahren und beider Versicherten nicht auf den vorliegenden Fall projiziert werden könne.
Das Beschwerdegericht hätte jedoch nur dann die Schlüssigkeit dieses Vorbringens beurteilen können, wenn die Beklagte sowohl den Inhalt der angeblich zum Gegenstand des Streitverfahrens gemachten Auskunft des Landesgewerbearztes mitgeteilt, das Ergebnis dieser Beweisaufnahme vor dem Hintergrund der Rechtsauffassung des LSG gewürdigt und dessen zu weiterer Beweiserhebung nötigende Unzulänglichkeit dargetan hätte.
Mangels schlüssiger Darlegung des - angeblichen - Verfahrensfehlers bedarf es schließlich keiner Erörterung, ob die Beklagte ausreichend dargetan hat, das Urteil des LSG könne auf dem (vermeintlichen) Verfahrensfehler beruhen.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Da die Beklagte der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten hat, hat sich der Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts Heße erledigt.
Fundstellen